Cold

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Sie atmete ruhig, gleichmäßig und langsam, doch sehr flach. Ihr Brustkorb hob und senkte sich während sie gefesselt in der Mitte des Raumes auf einer Verhörbank, bald aufrecht, saß. Ihre Augen waren immernoch geschlossen, doch er spürte ihren Verstand langsam wieder erwachen, bald würde sie zu sich kommen. Doch während er dort saß, im Schatten gesessen hatte, sie bewacht hatte, sie betrachtet hatte, sie beobachtet hatte, sie zu verstehen versucht hatte, hatte er kurz seine Wut vergessen. Gar erwischte er sich, sich fallen zu lassen, für einen Augenblick alles zu vergessen. Er studierte ihr Gesicht, studierte es lang, hatte nach einiger Zeit das Gefühl jenes Gesicht bereits zu kennen, schoneinmal wahrgenommen zu haben, vor garnicht all zu langer Zeit schoneinmal wahrgenommen zu haben. Ein Bild welches sich einmal auftat, auftat in seiner Erinnerung, auftat während er meditierte, seinen Schmerz in Stärke wandelte, dieses Gesicht, angstverzerrt, aber es war dasselbe, sie stand dort, mitten in einer Erinnerung. Doch sie war so schnell da wie sie auch wieder verschwand und ihm war es zu unwichtig, unwichtig zu hinterfragen, zu unwichtig sich nocheinmal zu erinnern, zu erinnern bis zu diesen Moment.

Sie war wichtig, irgendwie, doch wer war sie? Wieso war sie wichtig? Sie war jung und sie hatte nie die Chance auf ein behütetes Leben, doch es war nicht außergewöhnlich, ihr Leben war soweit er berurteilen konnte stinknormal gewesen, nicht besonders gewesen. Empfand er Mitleid? Vielleicht, vielleicht kurz, für einen Moment, da sie niemals etwas wie eine Kindheit hatte, doch dieser Funken Menschlichkeit kam so schnell wie er auch wieder von der Dunkelheit verschlungen wurde.
Rey. Dies war ihr Name. Er kannte ihn, weil er ihre Erinnerungen gestohlen hatte, aber auch nicht wirklich gestohlen eher hatte er sie um ihre Intimität beraubt, sie darum beraubt geheim zu sein, beraubt nur für einen Menschen bestimmt zu sein, nur für einen selbst bestimmt zu sein. Er kannte ihr gesamtes Leben, dessen gesamten Verlauf bis heute, dennoch gab es viele Lücken, besonders in den ersten Jahren ihres Daseins, Lücken die er noch füllen musste.
Doch all das hatte keine richtigen Antworten, es gab niemals Antworten, keine wirklich brauchbaren jedenfalls, natürlich nicht. Was machte sie besonders, besonders für die Macht, besonders für ihn? Er hatte keinen blassen Schimmer, keinen bis jetzt. Doch sie hatte etwas was er verlangte, zutiefst verlangte, auch wenn es ihm aufeinmal um viel mehr ging. Denn nun, nun langsam wollte er auch sie, sie für sich haben, doch dies musste für das Erste warten, denn sie erwachte vollens bevor er diesen Gedanken zuende denken konnte.
Für den Moment würde sie nur dieses kalte maskierte Monster erleben.

Ihre Augen öffneten sich schlagartig, waren voller Furcht, für einen Moment, doch sie füllten sich zugleich mit Trotz, jedenfalls versuchte sie es so aussehen zu lassen. Ihre Atmung ging jedoch schneller, ebenso ihr Herz, welches nun in einem viel zu schnellen Takt schlug, auch wenn sie dies ebenfalls augenblicklich zu verschleiern versuchte. Unverdrossen verlangte sie gleich darauf Antworten, ließ sich dabei selbst möglichst selbstbewusst auftreten, möglichst unbeeindruckt erscheinen. Kylo beschloss ehrlich und möglichst diplomatisch zu bleiben, fürs Erste, da zu viel von ihren Antworten abhing, dennoch beantwortete er ihre erste Frage zu ihrem Aufenthaltsort nicht, löste dafür aber die Fesseln um ihre Handgelenke. Er löste sie mit der Macht, öffnete sie ohne sie wirklich zu berühren, öffnete sie um seine Überlegenheit ein weiteres Mal zu unterstreichen. Er hatte schließlich nur gute Absichten, jedenfalls war das seine erste Intention gewesen, es waren eben seiner Meinung nach gute Absichten.
Auf ihre nächste Frage gab er dann eine Auskunft, auf die Frage wo sich ihre verräterischen Freunde aufhielten, seine Stimme schwoll erst an, wollte bedrohlich wirken, doch schwoll sogleich auch wieder ab, da er ihr keine wirkliche Antwort geben konnte, denn er hatte keine Ahnung wo diese waren. Jenes sagte er ihr auch. Deren Aufenthaltsort war ihm davor und momentan immernoch egal, ungeachtet davon wie sehr er diesen Abschaum eigentlich missachtete. Sie schien kurz etwas erleichtert und doch veränderte sich ihre Miene nicht, doch er spürte dieses kurze Aufatmen, diesen kurzen Funken Erleichterung und Hoffnung. Und weiter spürte er wieder etwas aufkeimen, in ihr aufkeimen, er spürte es schoneinmal, spürte es vorhin im Wald schon, spürte diesen Hass den sie gegen ihn hegte, diesen Wunsch ihn zu töten, diesen Wunsch vor ihm wegzurennen und in diesem Moment machte es ihn nicht mehr stolz, kurz, ganz kurz, nicht mehr stolz dieses Monster zu sein.

Ben Solo: AftermathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt