Unwanted

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Er starrte in ihre Augen, Stunden, Tage, Wochen, es gab keine Zeit, doch es war eine Ewigkeit, eine Ewigkeit für alles, doch keine für ihn. Er starrte sie an, ohne die Zeit wahrzunehmen, ohne überhaupt jegliche Zeit wahrzunehmen. Er starrte sie an, ohne seinen Blick jemals abzuwenden, ohne jemals seine Aufmerksamkeit von ihnen zu lenken, von ihr zu lenken. Er saß dort überwältigt, saß dort ohne einem Gedanken fassen zu können. Sein Herz explodierte voller Gefühl. Es war zuviel, viel zu viel. Es explodierte vor Freude und zerbrach zugleich in tausend Splitter.
Es war zuviel.
Er kam noch nicht mit soviel zurecht, wieder zurecht.
Er konnte keinen verdammten Gedanken fassen, er konnte keinen Einzelnen fassen. Doch er wollte sich erinnern, sich an jeden Moment erinnern, sich an diese wundervolle Frau erinnern.
Deshalb musste er loslassen, loslassen für den Moment. Alles sträubte sich, alles schrie, schrie dagegen, doch er musste loslassen, loslassen um sich zu erinnern, loslassen um weiter zu gehen, zu gehen obwohl es ihm seine Seele zerriss. Sein Geist kollabierte doch er durfte nicht kollabieren, er nahm sich zusammem, obwohl er nichts mehr zum zusammennehmen hatte und eigentlich auch gar nicht wollte, loslassen wollte, seinen Blick niemals wieder abwenden wollte. Und doch tat er es, irgendwie, obwohl er diese Kraft nicht hatte, nicht wusste wie er sich dazu brachte. Er riss sich von ihrem Anblick los, von ihrem Abbild los, sich von ihr los. Er kniff seine Augen zusammen, spannte seinen gesamten Körper an und formte seine Hände zu Fäusten, sodass sie wieder hätten brechen müssen. Er verbot sich sie wieder zu öffnen, zu öffnen bevor es vorbei war, diese kurze Hölle vorbei war. Er verschloss es vor seinem Geist, verschloss sie vor seinem Geist, ihr Abbild, verschloss es für einen Moment, für diesen einen Moment, verschloss es vor allem. Es kostete eine immense Kraft, eine immense Willenskraft, Willenskraft die er garnicht mehr hatte, haben sollte. Sein Herz drohte ihn zu zerfetzten, ihn umzubringen. Seine Gedanken bäumten sich nocheinmal auf, schrien, brüllten und krümmten sich vor Gefühl, ein letztes Mal und dann war es still.
Er war wieder leer.

Ein Piepen folgte, ein ohrenbetäubendes Piepen, als hätte er einen Schlag auf den Kopf bekommen, ein ausknockender Schlag. Es vernebelte alles, alles erneut, ließ ihn eine weitere Ewigkeit keinen klaren Gedanken fassen, dröhnte unaufhaltsam durch seinen Körper, stach wie tausende Skalpelle durch ihn hindurch, bereitete ihm Schmerzen, dieser brüllende nicht enden wollender Lärm.
Er saß in der Dunkelheit, gekrümmt, starr, seinen Kopf haltend. Seine Ohren wollten zerspringen, seiner ganzer Verstand wollte zerspringen, aufhören zu exestieren. Er zählte, zählte die Sekunden, die Stunden, die Ewigkeit bis es aufhörte, dieses Dröhnen aufhörte, dieser Schmerz aufhörte. Ben saß es aus, auf die Schmerzen fokussiert, wollte sich übergeben doch er hielt alles zusammen, irgendwie, mit Mitteln die er schon oft angewandt hatte, in der Vergangenheit angewandt hatte, jedoch würde er sie niemals beschreiben können, in Worte fassen können. Er konnte es irgendwann, irgendwie, mit zerfressenden Schmerzen umgehen, musste es irgendwann können, sie aussitzen können, sich auf sie fokussieren, in Stärke umwandeln können...

Langsam, langsam wurde das Piepen leiser, langsam zogen sich die Schmerzen zurück, langsam hörte er auf zu wippen, langsam lockerte er den Griff seiner Hände um seinen Kopf, die diesen zuvor zusammengepresst hatten. Er zitterte, zitterte am ganzen Leib, er war so unglaublich schwach, noch schwächer als zuvor schon. Die Schmerzen brachten ihm keine Kraft mehr, keine Stärke mehr, nicht mehr so, nie mehr.
Und die Dunkelheit verschlang ihn nicht mehr, nicht mehr so, nie mehr so...

Wie lange er noch exestieren würde wusste er nicht. Er war bereits nichts, nichts mehr exestenzwürdiges und doch exestierte er, exestierte er noch, noch oder auch nicht. Alles hier war hinter Raum und Zeit, weg von seiner Vorstellungskraft, jenes hatte er begriffen, begriffen in seinem grundlegenden Empfinden.
Er dürfte nicht mehr denken dürfen und doch tat er es, irgendwie. Er hatte einen Verstand, er hatte noch seine Erinnerung, auf welchem Wege auch immer, hatte sie dennoch, dennoch irgendwie. Er war immernoch irgendetwas, irgendetwas Fühlendes, für den Moment.
Und er fühlte viel, zu viel, diese Gefühle, seine Gefühle waren fast schon kein Echo mehr, sie wirkten so als wären sie die Echten gewesen, herausgezogen aus seinem Geist, aus seiner Vergangenheit.
Und auch wenn er seine vergangenen Gefühle nocheinmal durchleben musste und ihm seine Zeit ausging, vielleicht ausging weil es bald vorbei war, sein Leben woran er sich erinnerte, vorbei war weil er nicht wusste wie es dann weitergehen würde, überhaupt weitergehen könnte, an seine letzten Gefühle, an diese letzten Gefühle würde er sich wenigstens nocheinmal erinnern können, erinnern können ohne von ihnen ausgelöscht zu werden. Weil er etwas wusste, seit seines Erwachens hier in dieser Dunkelheit wusste, er wusste dass diese letzten Empfinden die er hatte, kurz vor seinem Ende hatte, in dieser anderen realen Exestenz hatte, in seinem vergangenen Leben hatte, wunderschön waren, die Schönsten von allen.
Er würde diese letzten Schritte gehen, das Puzzle vervollständigen, eine Reise beenden, seine Reise beenden, herausfinden was seine Exestenz hier überhaupt war, was real war, was alles bedeutet hatte, bedeute oder auch nicht bedeutete.
Und so, so hoffentlich, hoffentlich Frieden finden, irgendetwas Frieden finden, finden können, irgendwie...

Ben Solo: AftermathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt