[9] Rosarote Brille

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POV Thomas

Es fühlte sich so an, als hätte ich mich selbst von der Klippe gestürzt. Ein Fall ins nichts. Ich schloss meine Augen. Ich brüllte. Und im selben Moment merkte ich, dass in meiner Stimme etwas Ungewöhnliches, fast schon wahnsinniges lag. Es verlief wie in Zeitlupe, wie sie Jungs hin und her rasten, wie sich ihre Münder bewegten oder sie Cassie versuchten wach zu rütteln. Und ich? Ich konnte nichts von all dem kontrollieren. Ich konnte es nicht ändern, oder anhalten. Ich brüllte meine Luft aus der Lunge, öffnete meine Augen und sah wie alle im Raum mitleidig, verwirrt oder genauso traurig dreinblickten. Vor allem Chuck schien mit sich zu kämpfen. Der Kleine weinte und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Sein Schluchzen erfüllte für ein paar Momente den Raum. Ich sah wieder zu ihr. Wie sie dort lag und nichts tat. Und plötzlich vermisste ich ihre Nähe die Sicherheit um sie herum. Das Lächeln auf ihren Lippen, wenn sie lachte, oder einen angrinste. Ihre Augen, die immer wunderschön gefunkelt hatten. Die Worte, die einen in ihren Bann zogen. Ich vermisste sie. Alles an ihr. Ich prägte mir die Feinheiten ihres Gesichts ein, als würde ich es zum Ersten mal sehen. Oder zum Letzten.

Tränen liefen mir wie ein Wasserfall über das Gesicht, während ich den Sputum mit meiner Nase wieder hochzog. Ich konnte nicht einmal mehr richtig einatmen, da ich sofort das Husten anfing und dann weiter weinte.

,,Thomas beruhige dich!", sprach Newt auf mich ein, der vor dem Stuhl in die Hocke ging. ,,Ich kann es nicht ertragen sie so zu sehen, Newt. Es zerreißt mir das Herz.", meinte ich, während sich meine Atmung beschleunigte. ,,Ich fühle mich genauso Tommy, aber wir müssen jetzt stark sein", Newt legte seine Hand auf mein Bein und strich darauf langsam auf und ab: ,,Für Cassie".

,,Wenn sie es nicht schafft... Ich kann mir nicht vorstellen, ohne sie zu leben", meine Stimme wurde immer leiser. Ich konnte meinen Schmerz sogar in meiner Stimme hören. Mir wurde schwindelig und schlecht zu wissen, dass sie es vielleicht nicht schaffen wird. Mein Blick ging von Newt zu Jeff, welcher weiterhin mit Cass beschäftigt war. Er hielt das Holzstück in der Hand und legte dieses auf den Tisch neben sich. Als ich sah, dass Cassie dadurch wieder stärker blutete, wurde mir endgültig übel.

Ich stand auf und lief aus der Hütte. Newt mir hinterher: ,,Hey Tommy, alles okay?". Ich schüttelte den Kopf und ging an die Wand, um mich zu übergeben. Es war ein grauenhaftes Gefühl. Es kam immer mehr aus meinem Magen in meinen Mund und ich spuckte dies regelrecht aus. Die Magensäure brannte in meinem Hals und ich schmeckte den ekelhaften Geschmack auf meiner Zunge. Ich spürte wie mir dadurch noch schwindeliger wurde, weshalb ich mich hinsetzte. Ich hatte einen Kloß in meinem Hals. Meine Augenlider wurden schwerer. ,,Du siehst gar nicht gut aus...", bemerkte Newt und stellte sich neben mich. Erst jetzt fiel mir auf, wie zerstört die Lichtung war. Ein Griewer war weit und breit nirgends zu sehen, jedoch Rauchschwaden die Meterweit in den Himmel ragten. Die Hütten waren zerstört und das Gras, auf dem wir liefen, war voller Erde bedeckt. Ich fragte mich, warum die Sanitätshütte die einzige Hütte war, die noch stand. Als hätten die Schöpfer es geplant, dass wir sie in die Hütte bringen. Als hätten sie geplant sie zu verletzen. ,,Lass uns wieder 'reingehen. Jeff soll sich um dich kümmern", Newt gab mir seine Hand, um ihm in die Hütte zurück zu folgen. 

,,Pfanne hol bitte Wasser aus der Küche. Der Frischling sollte sich mal den Mund ausspülen. Und was zu essen wäre auch nicht schlecht", meinte Jeff und so wie der Befehl ausgesprochen wurde, wurde er auch ausgeführt. Pfanne lief los, während sich die anderen um uns kümmerten. Doch mir war es wichtiger, dass sie Cass wieder auf die Beine bringen konnten, als sich um mich zu kümmern. Ich lag auf dem Bett neben ihr. Langsam drehte ich meinen Kopf zu ihr, um sie anzusehen. Wie erwartet bewegte sie sich nicht.
Doch dann - bewegte sich ihre Hand. Der Kopf drehte sich zu ihm. Ein erleichtertes Lachen entging meiner Kehle. Sie stand auf. Lief auf mich zu. Grinste mich an. Sagte etwas, was ich nicht verstand.
,,Sie lebt!", rief ich voller Freude und wollte aufspringen, doch Newt hielt mich zurück.
Einen besorgten Blick wechselte er mit Jeff: ,,Nein, tut sie nicht"
,,Doch, doch", ich fasste ihre Hand an. Doch die Wärme, welche von ihrer Haut ausging, fehlte. Sie war eiskalt. Als würde kein Blut durch ihre Adern fließen: ,,Sie kann stehen. Sie steht vor mir"
,,Tommy ...", Newt schüttelte den Kopf und schob meine Hand, mit welcher ich nach ihr griff wieder zurück zu mir.
,,Newt, Newt sie lebt! Ich bin so heilfroh!", Freudentränen verschwammen mein Blickfeld.
,,Tommy, alles wird gut", Newt strich mir durch die Haare und lächelte mir aufrichtig zu: ,,Du musst was essen und trinken"
Jeff legte meine Beine auf eine Erhöhung. Doch ich wendete den Blick nicht von ihr ab.
,,Ich hatte für einen Moment wirklich gedacht, du wärst tot. Das hat mir das Herz gebrochen. Es ist so schön dich lebendig zu -", ich grinste sie an.
,,Tommy, du halluzinierst", flüsterte Newt und setzte sich auf den Hocker neben dem Bett. Seine Hände lagen auf meinen: ,,Sie ist nicht da"
,,Sie ist hier!", ich wandte den Blick nicht von ihr ab.
Pfanne brachte mir etwas zu essen und zu trinken. Doch mit jedem Biss verstand ich, was Newt gesagt hatte, da ihr Körper immer weiter verblasste und schließlich nicht mehr da war. Ich drehte meinen Kopf in das Krankenbett neben meinem.
Sie lag dort weiterhin -kämpfte wohl möglich mit dem Tod.

,,Jetzt hast du wieder Farbe im Gesicht, Strunk", Minho beugte sich zu mir herunter und grinste mich schief an.
,,Solche Wunden hatten wir hier lange nicht mehr...", murmelte Jeff, während er verzweifelt mit Nadel und Faden herumhantierte. Plötzlich sah er so aus, als hätte er diese Werkzeuge noch nie in der Hand gehabt.
,,Wenn wir Pech haben, wird sie in den nächsten Stunden verbluten".
Ich schüttelte den Kopf und blickte ungläubig zu Jeff. ,,Du musst sie zurückholen... bitte...", ich wollte mich aufsetzen, doch die Hand von Minho lag auf meiner Brust, die mich langsam wieder nach unten drückte. ,,Ruh dich erst mal aus, Tommy-", sprach nun Newt zu mir und sah sich dabei Cassie an: ,,-Ich bin mir sicher, dass sie es schaffen wird". Mein Herz tat weh und ich bekam das Gefühl nicht los etwas falsch gemacht zu haben. Als wäre ich an alldem Schuld.

Am nächsten Tag wachte ich neben ihr im anderen Bett auf. Das Erste, was ich sah, als ich meine Augen öffnete, war sie. Das Mädchen, welches ich liebte. Ich weiß nicht was mehr weh tat. Sie nicht richtig lebendig vor mir zu haben, oder dass ihr überleben gerade infrage stand.
,,Es muss doch einen Weg geben, sie zurückzuholen!-", jammerte ich, während mich immer wieder Wellen von Schuldgefühlen überschütteten. ,,-Ihr die Schmerzen zu nehmen". In der Ecke sah ich ein paar Lichter und Jeff, der scheinbar durchgearbeitet hatte und mich daher mit Augenringen ansah und dabei gähnte: ,,Theoretisch ja, aber wir haben hier nicht die Ausstattung dafür hier. Ich bekomm das nicht hin, Thomas".
Sofort war ich hellwach. ,,Was?!". Meine Stimme triefte vor Verzweiflung. ,,Es tut mir leid", Jeff sah auf den Boden. Hinter ihm sah ich, wie nun auch Newt und ein paar andere wach wurden. Diese Worte drehten in mir alles um. Ich wollte mich wieder übergeben.
,,Was ist passiert?", fragte Newt schlaftrunken. Seine Augen waren angeschwollen und er streckte sich kurz, ehe er auf das Mädchen sah.
,,Sie ... sie schafft es nicht", meinte Jeff leise und presse dabei seine Lippen aufeinander. Ich sah wie Newt die Augen aufriss und den Kopf schüttelte. Die Worte von ihm zu hören, drehten meinen Magen um. Wieder fing mein Hals an zu brennen und ich versuchte meine Tränen zurückzuhalten, was jedoch nur für ein paar Sekunden anhielt. Darauf fing ich wie ein Wasserfall an zu weinen.
Ich stand auf, lief zu ihrem Bett. ,,Wach auf!", brüllte ich und rüttelte dabei leicht an ihr, doch es kam keine Bewegung von ihr. ,,Komm zu mir zurück! ... Bitte!!".
Meine Kehle tat weh, als hätte ich ätzende Säuren verschluckt, während meine Augen wie Feuer brannten. Auf meiner Zunge konnte ich die Tränen schmecken. Den typischen salzigen Geschmack. ,,Wieso musste sie sterben?!", ich ließ meinen Kopf auf ihre Brust sinken und heulte, kreischte und brüllte so lange, bis mir die Tränen ausgingen.

The Love Maze (Maze Runner FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt