[22] Ein etwas anderer Crankpalast

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Mehrere Tage, Wochen oder Monate waren wir nun schon durch eine verlassene Stadt gereist. Hier und da gab es verlassene Häuser, oder Hütten, in denen wir unseren Vorrat aufstocken konnten. Wir waren gerade auf dem Weg durch ein riesiges, leer stehendes Haus und suchten nach etwas Essbaren, als wir jemanden kichern hörten. Ein Lachen. Darauf ein Schreien, dass es einem kalt den Rücken herunterlief. Es war nicht nur ein Schreien. Es war grausam. Laute, die ich zuvor nie gehört hatte, hallten wie ein Echo durch das Haus. Als würde die Person gefoltert werden. Ich hielt den Atem an, als sich die immer lauter werdende Stimme überschlug. Dann war es nur noch ein leiseres, leidendes Wimmern. Mich überkam ein kalter Schauer.
Und plötzlich endete die Qual abrupt. Als hätte man den Sargdeckel zugeklappt. Ich suchte entsetzt den Blickkontakt mit Thomas. ,,Wir sollten hier so schnell wie möglich raus!"

Leise schloss ich die Schranktür und drehte mich um. Auf den Gesichtern der Jungs war pure Angst zu erkennen. Das jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. Während mein Kopf wie wild schrie, dass wir hier rausmussten, klammerte ich mich an dem Griff der Schublade hinter mir fest. Als könnte ich so alles, was bevorstehen sollte verhindern. Als könnte ich die Zukunft aufhalten. Mich an der Realität festklammern. Meine Augen zuckten vom einen Lichter zum anderen. Während Winston gerade etwas in seiner Tasche verstaute, die er sich lässig an seine Seite gezogen hatte, sah ich Bratpfannes hektischen Brustkorb auf und ab senken. Newt zitterte und drehte sich langsam zu Thomas um.

Ich machte unauffällig die Schublade hinter mir auf. Ein paar Minuten vorher hatte ich diese geöffnet. Besteck und unter anderem rostige aber trotzdem scharfe Messer verbargen sich darin. Mit einer Hand nahm ich eine dieser in die Hand und ließ sie in meinem Ärmel verschwinden. Das kalte Metall der Klinge streifte meine Haut. Damit wir bewaffnet waren. Seit der Sonneneruption war man nicht mehr sicher. Nirgends.

Ängstlich sah ich mich um. ,,Was war das?", rief Teresa und warf mutwillig eine Schranktür zu. ,,Shh!", ging es wie ein Chor durch die Menge. Manchmal machte sie mich unglaublich wütend. Ich sah Thomas an. In seinen Augen flammte etwas auf. Als hätte man Benzin in eine offene Flamme geschüttet. Es war sein Beschützerinstinkt mir gegenüber. Thomas trat leise zu mir und verhakte seine Finger mit den meinen. Dann lehnte er sich ein Stück vor. ,,Wir müssen hier raus!", hauchte er mir leise ins Ohr. Mein Herz fing an zu rasen. Den anderen Lichtern gaben wir Handzeichen, dass wir rauswollten. Mit vorsichtigen und vor allem leisen Schritten liefen wir durch die Gänge des Hauses. Für meinen Geschmack war das Haus viel zu groß. Außerdem sah es aus, als hätte man sich jahrelang nicht um das Haus gekümmert. Überall waren Risse in den Wänden. Der Staub auf dem Boden häufte sich und es stank stark nach Schimmel und etwas Ätzendes, dass mich würgen ließ. Wir liefen durch einen riesigen Türrahmen. Ich sah nach rechts. Dort war eine weit nach oben reichende Holztreppe. Ein paar der Stufen waren in der Mitte durchgebrochen. Die Splitter hingen in kleinen Zipfeln an dem Brett, oder waren bereits in die Tiefe des Hauses gefallen.

Thomas strich mit seinem Daumen vorsichtig über meinen Handrücken. Ich wechselte meinen Blick zu ihm. Die Angst und Panik war in mein Gesicht geschrieben. Trotzdem bemühte ich mich die Gefühle zu unterdrücken. ,,Alles wird gut, Cass". Thomas beruhigte mich in jeder Situation. Er musste nichts sagen. ,,Du hörst dich schon an wie diese Wicked-Mitarbeiter ...", flüsterte ich ihm mit einem lachenden Unterton zu. Er grinste schelmisch, sah jedoch strickt auf dem Boden vor uns, um über nichts zu stolpern.

,,Seid still!", mit einem flüsternden Ton fauchte Newt ein paar Lichter an, die vor sich hin stolperten. Seit geraumer Zeit war Newt ernster und strenger geworden als sonst. Keiner wusste den Grund für sein Verhalten. Außerdem zuckte er ab und zu komisch, dass man dachte er würde einen Anfall bekommen.

Einmal konnte ich nicht schlafen und hörte Newts Stimme. Dieser bin ich dann gefolgt und sah, wie er sich mit seinem rechten Arm beinahe selbst erstickte. Wie sein Kopf blau anlief. Er gab ächzende und nach Luft ringende Laute von sich. Bevor ich zu ihm gehen konnte, ließ er sich wieder los und starrte ängstlich auf seinen Arm. Er zitterte. Am ganzen Leib und flüsterte etwas unaufhörlich vor sich hin: ,,Wicked ist gut, es ist gut! Wicked ist gut! Du musst sie töten, Newt! Alle!". Diese Worte klangen falsch. Nicht von ihm stammend. Das war nicht er! Jemand kontrollierte ihn! Wicked? Dr. Ava Paige? Janson?

Sie hatten schon damals diesen Klonk abgezogen. Ich kann mich an etwas in einem Wicked Camp erinnern. Ich kann mich erinnern wie sie Thomas versprachen, dass er seine Erinnerungen behalten dürfe. Sie würden ihn mit allen seinen Erinnerungen ins Labyrinth schicken.

Wie sie das Vertrauen zwischen uns Probanden und den Wicked-Mitarbeitern jedes Mal aufs Neue brachen. Wie sie unsere Freunde töteten. Einer nach dem Anderen.

Ich kannte ein Mädchen. Sie war taff. Wie niemand anderes auf dieser Erde. Es war unglaublich, wie sie mit Situationen umging. Sie hieß Brenda. War meine beste Freundin. Ihr Bruder war wie sie. Genauso taff, loyal und zugleich lustig. Er war nie ein Junge, der ein Blatt vor den Mund nahm war ehrlicher als alle Wicked-Mitarbeiter und Kanzlerin zusammen. Sein Name war George. Ich hatte mit ansehen müssen wie Alby ihn Brutal erstach. Wie sich der Speer in den Hals des braunhaarigen bohrte und durch die Wucht auf der anderen Seite wieder herauskam. Wie das Blut langsam an seinem Hals herunterlief. Sich sein T-Shirt mit der roten Flüssigkeit vollsog, die ihn seither am Leben gelassen hatte. Wie er zu Boden stürzte und ein letztes Mal stöhnte und zuckte, bevor er endgültig in die dunklen Augen von Alby starrte. Und warum hatte Alby ihn getötet? Da es immer noch Griewer gab.

Wicked war nie gut. Von Anfang an nicht! Ich hatte ihnen schon immer misstraut. Die Art wie sie uns klein auf beobachteten. Unsere Todeszonen untersuchten und sagten es wäre für unser Bestes. Wie sie uns Chips implantierten, dass sie uns rund um die Uhr bewachen konnten. Wicked war nie gut! Von Anfang an nicht!

Doch das Handdrücken von Thomas brachte mich wieder in die Wirklichkeit. Wir standen vor einer dunklen Metalltür. Thomas nahm die Türklinke in die Hand und drückte sie lautlos runter und zog sie mit einem kräftigen Ruck auf. Man hätte denken können, er wolle die Tür ausreißen. Keine Sekunde später sah er mich an. Sein Blick sagte mehr als 1000 Worte. Ich trat langsam nach vorne. Es war ein weiterer Raum. Eine Sackgasse. Wir müssen zurück! Ich sah mich nach allen Seiten um, während ich buchstäblich darauf wartete, dass ein Crank mich ansprang.

Als hätte man meine Gedanken gelesen passierte es. ,,Ob sie wohl etwas von uns gestohlen haben?". Eine Stimme aus dem Nichts. Sie flüsterte, doch hallte ihre Stimme gruselig im Haus wieder. Zum Schluss lachte sie bitter. Ich sah mich nach Thomas um, welcher meine Hand stärker drückte. So langsam fing sie an zu schmerzen. ,,Kommt her! Wir wollen euch nichts Böses!", die Stimme kam näher. Kicherte wieder und wurde darauf still. Als hätte man eine Tür zugeschlagen,welche die Laute isolierte. Oder als hätte man den Sargdeckel zugeklappt.

Kommt her! Wir wollen euch nichts Böses- ihre Worte schwirrten in meinem Kopf und wiederholten sich immer und immer wieder - Kommt her! Wir wollen euch nichts Böses!

The Love Maze (Maze Runner FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt