Sergejs Gefühlswelt

19.6K 953 55
                                    

SERGEJS POV

„Du hast was gemacht?“ Entsetzt schreit Tom mich an.

Genau so habe ich mir seine Reaktion vorgestellt und deshalb bin ich auch allen aus dem Weg gegangen, doch ich kann nicht ewig davonlaufen, das sehe ich ein.

Es sind bereits drei Tage vergangen. Drei Tagen seit der Hochzeit. Drei Tage seit dem 'Ich liebe dich'. Ich bin immer noch nicht zu Hause gewesen. Dad macht sich bestimmt Sorgen. Er hat öfters versucht, mich anzurufen, doch ich bin nicht rangegangen. Ich bin noch nicht bereit, mich der Situation und somit auch Erik zu stellen. ERIK!

Ich habe ihn einfach allein lassen. Er wird es mir nie verzeihen. Ich habe mit ihm geschlafen und bin dann einfach gegangen. Er ist bestimmt stinksauer. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Erik ist unglaublich gewesen, der Sex war der Hammer.

Ich konnte mich nicht mehr beherrschen, ich wollte ihn so sehr haben, dass ich die Kontrolle verloren habe. Eigentlich sollte sein erstes Mal zärtlich sein, doch als er unter mir lag, war es um mich geschehen. Nein, sanft war ich wirklich nicht und zu guter Letzt bin ich auch noch abgehauen.

„Sergej, du bist das Letzte! Wie kannst du mit Erik schlafen und dann einfach verschwinden und ganze drei Tage nicht zu Hause erscheinen?“, schreit Tom mich, immer noch in Rage, an.

„Tom, jetzt halt mal die Luft an. Ich habe Panik bekommen, okay? Es ist eine Kurzschlussreaktion gewesen!“, erwidere ich verzweifelt.

„Das kannst du deiner Großmutter erzählen, aber nicht mir. Wenn es wirklich eine Kurzschlussreaktion war, wieso bist du immer noch nicht zu Hause gewesen? Und wieso hast du dich noch nicht bei Erik entschuldigt?“

Tom sieht mich wütend an. Er ist total geladen, das kann ich gut verstehen. Es ist wirklich scheiße von mir gewesen, aber es ist nun mal die Wahrheit – es IST eine Kurzschlussreaktion gewesen.

„Tom, was willst du von mir hören? Es ist mir alles zu viel gewesen. Eriks Geständnis hat mich überfordert! Ich weiß, dass ich mich bei Erik entschuldigen muss. Aber ich bin noch nicht soweit.“ Meine Verzweiflung muss deutlich aus meiner Stimme zu hören sein, denn Tom schaut mich jetzt mitfühlend an.

„Es ist wegen Jake, oder?“, fragt Tom sanft.

Ich weiche seinem Blick aus, doch ich brauche nichts zu sagen, er weiß es auch so. Er kommt auf mich zu und nimmt mich in den Arm. Zuerst versuche ich mich zu befreien, doch er lässt mich nicht los, sondern verstärkt die Umarmung noch mehr.

„Es ist alles wieder da! In dem Moment habe ich an Jake gedacht. Er hat es auch zu mir gesagt, nur um mir dann das Herz zu brechen. Ich will nicht noch einmal so verletzt werden. Seit Jake vertraue ich keinem mehr“, flüstere ich leise. Meine Stimme ist nur noch ein Krächzen.

„Sergej, sei ehrlich zu dir selbst, was empfindest du für Erik?“, fragt Tom mich sanft .

Ich antworte nicht sofort. Ich brauche einen Moment um die Frage zu begreifen. Zu begreifen, was die Frage für mich bedeutet. Was ich für Erik wirklich empfinde? Die Worte kommen nur schwer über meine Lippen, denn ich habe mir geschworen, sie nie wieder in den Mund zu nehmen. Es hat auch super geklappt und dann kommt Erik. Er hat meine Welt auf den Kopf gestellt. Er ist wie ein Wirbelsturm in meine Welt gekommen und hat alles auf seinem Weg einfach weggewischt. Aber eine Tatsache kann ich nicht ignorieren, nicht verdrängen oder einfach vergessen und deshalb sage ich diese Wörter, die ich nie wieder sagen wollte:  

„Ich hab mich in Erik verliebt!“

Meine Stimme ist so leise, dass ich hoffe, dass Tom es nicht gehört hat, aber meine Hoffnung erfüllt sich nicht, denn er hat es gehört.

Ich schaue ihn an und sehe ein Grinsen auf seinem Gesicht.

„Ich habe es doch gewusst, dass du in ihn verschossen bist. Jetzt muss du es ihm nur noch sagen.“

Ich verziehe mein Gesicht und erwidere: „Du hast doch einen Knall, ich werde es ihm bestimmt nicht sagen. Er hasst mich doch!“ 

Tom wird ernst und versucht noch einmal, auf mich einzureden:

„Sergej, bitte sprich mit Erik. Erkläre ihm alles und vor allem, erzähl ihm von Jake. Er wird es bestimmt verstehen.“

Ich bin mir unsicher, was ich machen soll. Soll ich wirklich mit Erik reden? Okay, ich bin verliebt, aber reicht das auch? In Jake war ich auch verliebt, aber gebracht hat es nichts, es hat mir nur das Herz gebrochen. Was soll ich bloß machen?

„Sergej, lauf nicht davon, gib euch eine Chance. Rede mit ihm, dann bist du schlauer. Was glaubst du, wie sich Erik gefühlt hat? Er gesteht dir seine Liebe und als Dankeschön bist du am nächsten Tag verschwunden. Es wird ihm das Herz gebrochen haben“, versucht Tom mir ins Gewissen zu reden.

Jetzt fühle ich mich noch schlimmer. Ich muss Tom aber recht geben, schön habe ich nicht gehandelt.

„Ich werde es mir überlegen“, sage ich zu Tom, mehr kann er von mir nicht erwarten.

Ich bin danach noch eine Weile bei Tom geblieben, aber irgendwann hat er mich rausgeschmissen. Er meinte, ich soll gefälligst nach Hause gehen und die Sache klären.

Jetzt stehe ich hier, atme einmal tief durch und mache die Tür auf. Ja, klären muss ich die Sache auf jeden Fall, doch bevor ich mit Erik reden kann, muss ich erst mal meinen Dad beruhigen.

Er sieht besorgt aus. Als er mich erblickt, sehe ich Erleichterung in seinem Gesicht, die aber sofort durch Wut ersetzt wird. Ach du scheiße, das kann ja lustig werden. 

„Sergej, wo bist du gewesen? Wir haben uns Sorgen gemacht, du kannst doch nicht einfach verschwinden und nicht mal Bescheid sagen, wo du bist.“ Dad hat sich in Rage geredet und sieht mich erwartungsvoll an.

Ich muss kräftig schlucken. So wütend habe ich ihn noch nicht gesehen. Ich bin wohl mit meinem Wegbleiben zu weit gegangen. Ich brauche eine gute Entschuldigung, doch irgendwie will mir keine einfallen. Vielleicht hätte ich ihm doch Bescheid sagen sollen.

„Sergej, willst du nichts dazu sagen?“

Ich habe immer noch kein Wort zu meiner Verteidigung gesagt, aber was soll ich auch sagen? Es tut mir leid, ich wollte Erik nicht begegnen? Das käme nicht gut, deshalb bleibe ich still.

„Wie ich sehe, willst du dazu nichts sagen, auch gut. Du hast einen Monat Hausarrest, das heißt, keine Partys und keine Übernachtungen“, höre ich Dad wütend sagen.

Das kann er doch nicht machen. Mittlerweile bin auch ich geladen. Das kann er doch nicht bringen, nur weil ich zwei Tage nicht zu Hause gewesen bin und das versuche ich ihm auch klarzumachen.

„Dad, es tut mir leid. Es kommt nie wieder vor. Ich weiß, dass es scheiße von mir war, mich nicht zu melden.  Ich war bei Tom, du kennst ihn doch. Mein Handy spinnt, ich konnte dich nicht anrufen. Wir haben ein Referat für die Schule gemacht“, versuche ich Dad umzustimmen. Okay, dass ich erst heute zu Tom gegangen bin, muss er ja nicht wissen.

„Es ist schön, dass du wenigsten Einsicht zeigst. Aber es ändert nichts an meiner Entscheidung. Du bist zu weit gegangen. Einen Monat Hausarrest!“

„Das kannst du nicht machen, ich bin doch kein Kind mehr. Mein Gott, ich bin bereits achtzehn“, schreie ich ihn wütend an.

Die Augen meines Vaters verengen sich und er hat einen gefährlichen Ton, was mich schwer schlucken lässt.

„Sergej, ich warne dich, treib es nicht zu weit. Wenn ich auch nur noch ein Wort von dir höre, dann ziehe ich andere Saiten auf. Wenn du nicht wie ein Kind behandelt werden willst, dann benimm dich auch nicht so. Wir sind doch kein Hotel, in dem man gehen kann, wie es einem gerade passt. Hast du mich verstanden?“ Dad sieht mich erwartungsvoll an. Ich bin immer noch wütend, doch ich traue mich nicht, zu widersprechen. 

Ich bringe gerade noch so ein ‚Ich habe verstanden‘ zustande und stampfe wütend die Treppe hoch. Meine Wut verpufft, als ich Erik erblicke. Er will gerade in sein Zimmer flüchten, doch das lasse ich nicht zu. Schnell bin ich bei ihm, packe ihn an der Hand und zerre ihn in mein Zimmer. Ich habe echt keinen Bock, meinem Dad noch einmal zu begegnen, der wird nur Terror machen. Erik wehrt sich gegen meinen Griff, doch ich ignoriere es einfach. Er sieht nicht so aus, als hätte er viel geschlafen und man sieht ihm an, dass er geweint hat. Mein Herz krampft sich zusammen, was bin ich nur für ein Schwein, aber das ist ja nichts Neues für mich. Ein Schwein bin ich schon lange, bis jetzt hat es mir allerdings nichts ausgemacht, also wieso jetzt und wieso bei ihm? Ist es seine unschuldige Art? Oder der verletzte Blick? Doch meine Gedanken werden von einem wütenden Erik unterbrochen.

„Was willst du von mir, Sergej?“

„Erik, ich will mich entschuldigen, das, was ich am Freitag abgezogen…“

Doch Erik lässt mich gar nicht erst ausreden, er unterbricht mich und fährt mich wütend und verbittert an:

„Weißt du was? Vergiss es einfach. Du hast mir eine wertvolle Lektion erteilt. Was habe ich mir auch noch dabei gedacht. Du hast doch immer gesagt, dass ich für dich nur ein Fick bin. Herzlichen Glückwunsch, jetzt hast du deine Trophäe und lass mich gefälligst in Ruhe.“ 

Er will an mir vorbei gehen, doch das lasse ich nicht zu. Er wehrt sich und so mache ich das einzig Sinnvolle und presse ihn gegen die Wand.

„Erik, höre mir doch bitte zu! Ich…“ Schon wieder werde ich von ihm unterbrochen.

„Ich will nichts von dir hören, ich will dich nicht sehen und ich will nichts mit dir zu tun haben.“

In seinem Blick liegt eine Verletztheit und Verbitterung, dass es mir fast das Herz bricht. Ich weiß, was ich sagen müsste. Ich weiß, was ich tun müsste, um ihn glücklich zu machen. Doch ich kann nicht. Ein Mensch ändert sich nicht so einfach, nur weil er eine Erleuchtung hat. Aber ich glaube, ich kann mir meinen Atem sparen. Erik wird mir nicht zuhören, nicht jetzt, dafür habe ich ihn zu sehr verletzt. Deshalb mache ich das Einzige, was ich wirklich gut kann. Das Einzige, was ich super beherrsche. Ich werde ihn schon dazu kriegen, dass er mir zuhört, ich werde ihn dazu kriegen, mich wieder an sich ranzulassen. Im Moment sind Wörter überflüssig und deshalb presse ich meine Lippen hart auf seine.

Er erstarrt, nur um sich dann gegen mich zur Wehr zu setzen. Er versucht, mich wegzuschubsen, er zerrt an mir, doch ich bin stärker. Ich lasse ihn nicht entkommen. Ich presse ihn nur noch mehr gegen die Wand und reibe mit meinem Oberschenkel an seinem Penis. Es bleibt nicht ohne Erfolg, schon nach kurzer Zeit spüre ich seine Erregung und er stöhnt auf. Das nutze ich sofort aus und lasse meine Zunge in seinem Mund verschwinden. Seine Abwehr wird langsam schwächer, aus seinem Zerren wird ein Festhalten, fast schon ein Klammern. Unsere Zungen kämpfen miteinander, es ist ein harter Kuss voller Emotionen. Meine Hände verschwinden unter seinem T-Shirt und ich spüre, wie sich eine Gänsehaut auf seinem Körper ausbreitet. Seine Haut ist weich und zart, seine ganze Art macht mich wahnsinnig vor Verlangen. Doch es wäre jetzt falsch, weiterzumachen und deshalb lasse ich von ihm ab. Sein Blick ist verschleiert und er kämpft um seine Selbstbeherrschung, das sieht man ihm deutlich an.

„Erik, es ist mehr als nur ein Fick und ich habe nie gesagt, dass es nur eine einmalige Geschichte ist. Du erregst mich, ich will dich immer noch“, raune ich ihm mit meiner verführerischsten Stimme ins Ohr. Seine Augen werden groß und seine nächste Tat sehe ich nicht kommen. Er gibt mir eine Ohrfeige und löst sich von mir. Geschockt sehe ich ihn an.

„Das ist dafür, dass du einfach abgehauen bist und glaub mir, noch mal wirst du mich nicht ins Bett bekommen“, zischt er mich wütend an und stürmt aus meinem Zimmer.

Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn ich weiß es besser. Sein Körper hat ihn verraten.

Mein neuer Stiefbruder boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt