Kapitel 4 ~ Begegnung im Wald

319 22 26
                                    

Der Hinterreifen des Fahrrads schlitterte über den erdigen Untergrund. Sie wühlte Dreck und Blätter auf. In scharfen Kurven spritzte es Schlamm zu allen Seiten, da es gestern viel geregnet hatte.
Ein Ast streifte ihren Arm.
Sie musste den Kopf einziehen, damit sie unter einem umgefallenen Baum fahren konnte.

Es war noch früh am Morgen und die Luft war rein und frisch. Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch das dichte Blätterdach des Waldes.

Mia war mal wieder auf ihren Streifzügen durch die Wälder von Grünwald. Sie liebte es mit ihrem Rad hier zu fahren. Sie fühlte sich dabei immer so frei.

Das Mädchen fuhr den unebenen, engen Waldweg weiter entlang.
Sie war noch nicht tief im Wald, tatsächlich war hier in der Nähe sogar eine Siedlung, doch alles wirkte überwuchert und natürlich.

Einige Meter vor ihr war erneut ein umgefallener Baum. Seine Krone hatte sich in der eines anderen Baumes verfangen. Die Wurzeln waren beinahe vollständig herausgerissen.

Mia war klar, dass sie auf ihrem Fahrrad zu hoch saß, um darunter durchzufahren. Sie müsste absteigen.

Und da kam ihr ein Geistesblitz.
Etwas, was sie schon immer einmal tun wollte.
Sie zögerte.
Es war eine dumme Idee.
Sie würde es im Nachhinein bestimmt bereuen.
Doch es wäre eine großartige Erfahrung.

Kurz vor dem Baumstamm, benutzte sie die linke Bremse. Damit stoppte sie ihr Vorderrad und ihr Hinterrad schlitterte nach rechts.

Mit ihrem Körpergewicht drückte sie sich nach links unten und rutschte förmlich unter dem Baumstamm durch.

Begeistert lächelte sie, das hatte doch ganz gut geklappt fürs erste Mal!

Was sie jedoch nicht bedacht hatte, war, wie sie wiederaufkommen würde.

Das wäre das nächste Problem gewesen mit dem sie sich beschäftigen würde, wäre da nicht ein kleiner Zwischenfall gewesen.

Sie rutschte unter dem Baumstamm hindurch und unerwarteter Weise, stand da jemand im Weg.
Sie schmiss die Person förmlich um.

Mia stand vom Boden auf. Ihre Arme und Beine waren voll Erde und Kratzspuren. Sie sah die Person, die jetzt gekrümmt auf ihrem Fahrrad lag.

Das war nicht so vorteilhaft.

Doch bevor sie noch etwas sagen konnte, kam ihr jemand anderes zuvor.

„Terrortouristischer Bärenbauchspeck! Was soll das?! Wir müssen los!", rief ein kleiner Junge mit braunen Haaren. Er hatte eine Kappe auf und wirkte jünger als sie. Er stand kaum einen Meter von Mia entfernt.

Ihr Blick richtete sich wieder auf den Jungen, der auf ihrem Fahrrad lag.

„Kreuzkümmel und Hühnerkacke", fluchte er und richtete sich auf.
Seine Haare hatte den Farbton eines dreckigen Blondes. Auch er trug eine Mütze.

War das so ein Sekten-Ding?

„Aus dem Grund kauft man Mädchen kein Mountainbike", murmelte er und sah sie wütend an.

Nie zuerst blinzeln.

Diesen Grundsatz hatte sie einst in einem Buch gelesen und nie wieder vergessen. Sie erwiderte den Blick. Sie sah in blaue Augen.

„Und aus diesem Grund lässt man dich nicht auf die Straße; Du bist zu blöd, um die Augen aufzumachen!"

Mia erkannte den Ärger, der in seinem Blick lag.

„Los! Gehen wir! Der Teufelstopf wartet!", rief der kleine Junge und der Blonde wandte den Blick ab.

Teufelstopf? Das war doch dieser alte Bolzplatz. Ihr Vater hatte sie früher immer dorthin mitgenommen, wenn ein Match war.
Damals hatte Grünwald noch eine Mannschaft.
Jetzt treiben sich dort nur noch diese komischen Jungs herum, die...
Oh!

„Mädchen sind gemeingefährlich", murmelte der Ältere von beiden.
Während des Gehens rief er noch: „Hoffentlich hat dein Rad einen Schaden!"

„Mach dir keine Sorgen! Den einzigen Schaden, den ich bemerkt habe, ist der in deinem Gehirn", rief Mia.

Der Junge drehte sich wieder um.
Wut funkelte in seinen kalten, blauen Augen.

„Oder zumindest an dem Ort, wo es sein sollte. Langsam bezweifle ich nämlich, ob du überhaupt eines hast."

Provozierend lächelte sie den Jungen an.

„Zicke!"

Er spuckte das Wort förmlich aus.

Mia kratzte sich mit der rechten Hand am linken Oberarm.
Sie kratzte sich oft.
Wenn sie nervös war, wenn sie nachdachte oder wie in diesem Fall, wenn sie ihre Wut kontrollieren wollte.

Auf das Wort 'Zicke' hatte sie noch nie gut reagiert. Die Jungs, mit denen sie früher immer im Kindergarten oder auf Festen gespielt hatte, hatten sie stets so genannt.

'Memme', 'Tussi', 'Heulsuse', 'Zicke'.
Jedes Wort gab ihr einen schmerzvollen Stich ins Herz.
Durch die Worte fühlte sie sich schwach.
Und das wollte sie nicht sein.

„Pass auf, was du sagst, Blondie!"
Ihre sonst so kontrollierte Stimme zitterte.

„Apollo-kalyptische Monster-Sintflut!", fluchte der kleine Braunhaarige wieder, „Die ist die reinste Pest!"

Er stellte sich hinter den Blonden und schob ihn nach vorne. Der Ältere grinste. Hatte er gemerkt wie empfindlich Mia auf das Wort reagierte?
Er legte zwei Finger an die Schläfe und salutierte, bevor er und der Kleine verschwanden.

Sie würde es diesem Kerl heimzahlen, das schwor sie sich.

„Mädchen kein Mountainbike kaufen. Beim heiligen Motoröl!", murmelte Mia und ging zu ihrem Rad.
Sie hob es auf und machte sich bereit weiter zu fahren. Doch als sie wieder aufblickte, stand da schon eine andere Person

„Beim dreifachgeölten Kart!", erschrak Mia.

Vor ihr stand ein Mädchen mit roten, brustlangen Haaren und grünen Augen, die gut zu der Farbe der Blätter um sie herum passten.

„Ich wollte dich nicht erschrecken", kicherte sie. Dabei bildeten sich Grübchen, die sie freundlich wirken ließen.

Mia legte den Kopf schief. War das irgendein verfluchter Weg? Normalerweise traf sie nie jemanden im Wald und jetzt auf einmal gleich drei Personen!

„Entschuldige meine zwei idiotischen Brüder. Einer ist nervig und der andere ist gemein. Das ist keine gute Kombi."

Wieder lächelte sie. Mia hatte noch nie einen Menschen getroffen, der so strahlte, wenn er lachte.

Doch die Information, die sie soeben bekommen hatte, musste sie erst einmal verarbeiten.

Brüder?

Die sahen sich alle Drei überhaupt nicht ähnlich und dieses Mädchen war definitiv viel sympathischer als ihre Verwandten.

„Das mit dem "gemein" ist mir auch schon aufgefallen", murmelte Mia.
„Er gibt sein Bestes."
Spielerisch verdrehte das Mädchen die Augen, „aber wenn ich mich nicht beeile, hole ich sie nicht mehr ein."

Mia erinnerte sich an etwas, was der kleine Braunhaarige vorhin gesagt hatte.

"Sie wollen zum Teufelstopf, oder?"

Das rothaarige Mädchen nickte.

„Da vorne gibt es einen verwachsenen Trampelpfad. Man erkennt den Weg nur noch schlecht, aber du wärst auf jeden Fall schnell beim Teufelstopf."

„Meine Brüder müssen noch zu einem Freund. Denkst du, ich bin schneller als sie?"

„Mit dem Weg schon. Einfach da vorne rechts", deutete Mia.

„Verstanden. Danke!", wie der Blitz verschwand das Mädchen und rannte den Weg entlang.

Mia schüttelte den Kopf. Das war ja einmal eine Familie! Sie kannte nicht einmal den Namen von einem von ihnen.

Eigentlich wollte Mia immer Geschwister haben, aber wenn sie diese Jungs als Brüder hätte...Das würde ihre Nerven möglicherweise überstrapazieren.

Schnell schüttelte sie den Kopf.
Wegen alldem würde sie jetzt sicher zu spät zu dem Treffen mit ihrer Freundin kommen.

Soccer Girls - Mädchenchaos im Wilde-Kerle-LandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt