Kapitel 3 ~ Nächtliches Fußball

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Am Abend zuvor...

In Grünwald war die Nacht angebrochen und die ersten Einwohner machten sich bettfertig. Doch sicherlich nicht Anna Magdalena Müller, diese kletterte gerade die Regenrinne hinunter. Natürlich hätte sie auch durch die Haustür gehen können, jedoch war es auf ihre Art viel aufregender. Viel wilder.

Anna kommt aus strengem Hause und wenn es nach ihren Eltern gehen würde, wäre sie schon lange auf einer Schule für Hochbegabte. Als sie mit der sieben-jährigen Anna einen IQ-Test durchführten und das Ergebnis überraschend hoch war, waren sie kurz davor Anna auf ein Internat für Hochbegabte zu schicken.
Wäre Eva Maria, Annas Schwester, nicht gewesen und hätte ihre Eltern nicht angebettelt, dass sie ohne Anna sehr einsam sein würde, wäre Anna wohl schon längst in England gelandet.

Ihr großes Hobby war das Fußballspielen, ihre Eltern duldeten dies jedoch nicht. Sie zwangen sie dreimal in der Woche Klavier zu spielen und mit Freunden rausgehen durfte sie nur selten. Natürlich liebten sie ihre Tochter und wollten doch nur, dass Anna eine schöne Zukunft hat.

Jedoch war das nicht das, was Anna wollte, sie wollte Abenteuer erleben und Fußball spielen. Anna wusste, dass wenn ihre Eltern wüssten wie glücklich sie mit dem Fußball war, würden sie sie sicher unterstützen.

Und so war es gekommen, dass Anna jede Nacht hinausschlich, wenn ihre Eltern schon lange schliefen und sie draußen Fußball spielte. Als Anna unten ankam und wieder festen Boden unter den Füßen spürte, schnappte sie sich den Fußball, den sie in einer Hecke versteckt hatte und begann damit zu spielen. Es war schon immer ein magisches Gefühl einen Ball an ihren Füßen zu spüren.

Und dann, als der Ball wieder einmal auf ihrem Knie aufkam und sie ihn mit etwas zu viel Kraft in die Lüfte schoss, flog er in einem hohen Bogen über den Zaun.
Direkt in den Garten ihrer Spießer-Nachbarn, die keine Kinder hatten und sich für nichts mehr interessierten als sich selbst und ihren perfekt geschnittenen Rasen.

Sie waren beide Anwälte und steinreich. Außerdem hassten sie Kinder. Anna und Eva hatten einmal gehört wie sie Kinder als Bälger bezeichnet hatten.
Einfach nur schrecklich dieses Ehepaar.

Die Brünette konnte sich noch gut daran erinnern, wie ihr ein Gummiball über den Zaun geflogen ist und einen der beiden an der Stirn traf.
Urkomisch hatte es ausgesehen als die Frau, wenn sie sich recht erinnerte hieß sie Diane, mit einer Gesichtsmaske über den Zaun geblickt hatte und sich lautstark beschwerte, was denn hier für Leute aus dem Dschungel wohnten.

„Verfluchtes Hexenauge und Dämonenhaar!", zischte das Mädchen.

Sie eilte auf den Zaun zu und versuchte über ihn drüber zu schauen, doch sie war zu klein. Mit flinken Armen stellte sie eine unbenutzte Kiste, die in der Garage stand, vor den Zaun und stellte sich drauf. Mit ihren Augen suchte sie den Rasen ab, doch den Ball fand sie nirgends vor.
„Verdammt, wo ist dieser Ball?", murmelte sie vor sich hin. Dann, als sie ihren Kopf verzweifelt in den Nacken legte und ihr Blick das Vordach des Hauses streifte, weiteten sich ihre Augen und ihr Mund klappte auf.

Ihr Ball, auf welchem ein Gesicht mit Teufelshörnern gemalt war, lag doch tatsächlich auf dem Vordach dieser Spießer.

„Nein, nein, nein, nein, nein...Wie konnte das nur passieren?", flüsterte sie verzweifelt und versuchte so leise wie möglich über den Zaun zu klettern.
In erster Linie hatte sie Angst, dass sie sich aufspießen würde, doch als sie daran dachte, dass aus ihrer Nachbarin eine Furie werden konnte, rollte sie blitzschnell über den Zaun.
Sie landete im Garten ihrer Nachbarn und schlich zum Haus. Dass das Licht im Haus noch brannte, ignorierte sie gekonnt und konzentrierte sich völlig auf den Ball.

Sie legte den Kopf in den Nacken und heckte einen Plan aus, wie sie ihren Ball holen könnte ohne drauf zu gehen. Sie biss sich auf die Lippe und dachte verzweifelt nach.
Bis sie die Mülltonnen sah, die nach Farben geordnet hinter einem Vorhang vorblitzten. Ein Grinsen überkam Anna und sie versuchte so leise wie möglich auf die Tonnen zu klettern. Von dort aus streckte sie ihre Hände nach oben und zog sich mit ihrer ganzen Kraft auf das Vordach.

Sie fand ihren Ball direkt vor einem Fenster, hinter diesem stand Frau Perückenschaf (Wie Anna und Eva Maria sie nannten)
Sie hatte den Rücken zum Fenster gedreht und hielt ein Telefon an ihr Ohr. Anna duckte sich und setzte sich direkt unter das Fenster. Sie hielt die Luft an, auch wenn es in diesem Moment überhaupt nichts brachte. Mit fest umklammernden Armen drückte sie den Ball an sich und kniff ihre Augen zusammen.

Dann hörte sie Schritte, die entweder der Diva hinter dem Fenster gehörten, die sich nun wieder davon entfernte, oder sie gehörten Herr Perückenschaf, der sich gerade zu seiner Frau gesellt hatte. Sie hatte keine Wahl, sie musste jetzt von dem Dach verschwinden, sonst würden sie sie finden.

In Gedanken schrieb sie schon ihr Testament und verabschiedete sich von ihrer Familie. Sie hätte nie gedacht, dass sie so sterben würde. Den Zeitungsbericht konnte sie schon vor ihrem inneren Auge erkennen.

9- Jähriges Mädchen vermisst.

An ihrem ersten Ferientag schlich sich die junge Anna M. Müller hinaus um Fußball zu spielen. Eine Quelle hat uns berichtet, dass ihr Fußball wohl in den Garten ihrer Nachbarn geflogen war. Als sie ihn holen wollte, hatte sie noch keine Ahnung wie verhängnisvoll das Ganze wird. Sie kehrte nämlich nie wieder zurück. Ihre Familie erwartet schlimmstes und niemand weiß, was das Nachbarspaar mit dem Fall zu tun hat. Es wird uns wohl für immer ein Rätsel bleiben.

Schnell schüttelte Anna den Kopf und versuchte nicht daran zu denken. Sie kroch auf allen Vieren, den Ball zwischen Arm und Körper eingeklemmt, auf die Kante des Daches zu. Womit sie nicht rechnete war, dass die Kante früher auftauchte als gedacht und bevor Anna darüber nachdenken konnte fiel sie auch schon gute drei Meter vom Vordach.

Mit einem dumpfen Aufprall landete Anna mit dem Rücken am Boden, glücklich, dass sie auf dem Rasen gelandet war und nicht auf der Straße. Ihr Ball war neben ihr aufgekommen und es schien ihm noch gut zu gehen.

Das Ziepen in ihrem Rücken ignorierend, rannte sie in ihren Garten, ließ den Ball in ein Gebüsch fallen und kletterte zurück in ihr Zimmer. Dort ließ sie sich auf ihr Bett fallen und lächelte leicht. 'Das war ja mal genial!', dachte sie.

Soccer Girls - Mädchenchaos im Wilde-Kerle-LandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt