Kapitel 4

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Marlie

Ich hatte die Kinder extra für ihr erstes Treffen mit ihrem Vater herausgeputzt. Emmas Lockenmähne hatte ich versucht mit einem Haarband zu bändigen. Sie trug ein hellblaues Sommerkleid mit weißen Blumen darauf. Alex trug sein Lieblingsshirt, auf dem ein rotes Motorrad abgebildet war. Er liebte alles, was einen Motor hatte.

„Mama, ist Daniel dein fester Freund?“, fragte mich Emma und traf mich etwas unvorbereitet damit.

Warum fragte sie so etwas? Wo hatte sie das schon wieder aufgegriffen? Ich hatte den Kindern erzählt, dass wir heute einen Freund von mir besuchen würden. Mehr nicht.

„Er ist nur ein Freund“, stellte ich klar, während ich ihr die Schuhe zuband. „Weißt du denn überhaupt, was ein fester Freund ist?“, erkundigte ich mich.

Sie nickte altklug.

„Ja, einen festen Freund küsst man“, erklärte sie schmunzelnd.

„Ganz genau“, stimmte ich ihr zu und gab ihr einen Kuss, woraufhin sie loskicherte.

Dann verabschiedete sich Laura von uns dreien. Mich drückte sie fest an sich und flüsterte mir ins Ohr: „Es wird schon alles gut gehen!“

Natürlich wusste sie, wie aufgeregt ich war. Ich hatte große Angst, dass die Kinder mit Daniel vielleicht nicht klar kamen. Das war meine absolute Horrorvorstellung. Ich wüsste nicht, was ich dann tun sollte. Immerhin war der Plan, dass sie schon sehr bald mit ihm zusammenleben sollten. Laura streichelte mir noch einmal aufmunternd über die Schulter.

„Tschüss Tante Laura!“, rief Emma aufgeweckt und winkte fröhlich.

Sie war die Temperamentvolle, während Alex eher zurückhaltend war. Die beiden waren zwar Zwillinge, doch charakterlich konnten sie kaum unterschiedlicher sein. Nichtsdestotrotz hielten sie, wenn es wirklich darauf ankam, immer zusammen. Das machte mich wirklich stolz.

Daniel hatte beschlossen uns vom Hotel abzuholen. Da wir kein Auto hatten, war es so praktischer für uns gewesen, denn mit zwei kleinen Kindern durch ganz London mit der U-Bahn zu fahren, war nicht gerade ein Spaß. Der Weg vom Flughafen bis zum Hotel hatte mir vorgestern schon gereicht.

Als wir in die Lobby kamen, stand er schon da. Ich konnte erkennen, wie sein Blick sofort auf die Kinder fiel. Daniel musterte sie aufmerksam. Er wirkte ein wenig nervös, aber gleichzeitig sah ich auch, dass er vor Stolz fast platzte. Sein ganzes Gesicht strahlte und sofort fragte ich mich, wie es wohl gewesen wäre, wenn er damals geblieben wäre. Wären wir eine richtige Familie geworden?

Jedes der Kinder hielt eine Hand von mir. Je näher wir kamen, umso größer wurde Daniels Grinsen. Proportional dazu wuchs aber auch meine Angst, dass die Kinder ihn nicht mögen würden.

„Hey!“, begrüßte er mich.

Nur für einen kurzen Moment sah er mich an, um sich dann den Kindern zu widmen.

„Das ist Daniel. Der Freund, von dem ich euch erzählt habe“, stellte ich den Kindern ihren Vater vor.

Alex versteckte sich sofort hinter meinem Bein. Fremden gegenüber war er immer verschlossen. Er brauchte seine Zeit bis er auftaute. Emma war da schon deutlich aufgeschlossener. Sie streckte ihm die Hand entgegen, so wie ich es ihr beigebracht hatte.

„Ich bin Emma“, sagte sie schüchtern.

„Hallo Emma!“, sagte Daniel freundlich und beugte sich zu ihr nach unten. „Du hast aber ein tolles Kleid an. Du siehst aus wie eine kleine Prinzessin.“

Regentanz - Piper Award EntryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt