Kapitel 6

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Marlie

Da die Kinder ihn so schnell wie möglich besser kennenlernen sollten, hatten wir uns auch für den heutigen Tag verabredet. Daniel holte die Kinder und mich wieder mit dem Auto ab. Dieses Mal war unser Ziel das Meer. Alex und Emma hatten es noch nie gesehen und ich wollte es ihnen unbedingt zeigen, solange ich mich dazu noch in der Lage fühlte. Von London aus brauchte man zwar eine Weile mit dem Auto, doch das nahm ich gern in Kauf. Jedoch spürte ich von der ersten Sekunde an, dass irgendetwas mit Daniel nicht stimmte. Er wirkte bedrückt und sein Lächeln war aufgesetzt.

„Was ist los?“, fragte ich, als wir im Auto in Richtung Meer saßen.

„Später, nicht vor den Kindern“, hauchte er mir zu, was mich nicht gerade ruhiger werden ließ.

„Ist es wegen Annie? Hast du es ihr gesagt?“, hakte ich flüsternd nach, während die Kinder einem Hörspiel lauschten.

Er nickte kaum merkbar. Daniel sah wirklich leidend aus, versuchte sich vor den Kindern jedoch nichts anmerken zu lassen. Emma und Alex hatten sich sehr gefreut, dass sie Daniel heute wiedersehen durften. Am Abend war von nichts anderem gesprochen worden und auch beim Frühstück war der gestrige Tag Gesprächsthema Nummer eins gewesen.

Die Autofahrt kam mir vor wie eine Ewigkeit. Ich ertrug Daniels leidenden Blick kaum. Ich  hatte es mir angewöhnt mit den Kindern immer zusammen auf der Rückbank zu sitzen, ich wollte sie immer so nahe wie möglich bei mir haben. Über den Rückspiegel sah ich immer wieder wie Daniels Augen wässrig wurden. Daniel schwieg fast die ganze Zeit. Er war einfach nicht voll bei der Sache und wirkte abwesend. Ich konnte mir schon denken, was los war. Wahrscheinlich hatte Annie mit ihm Schluss gemacht.

Das Hörspiel verhinderte zumindest Langeweile bei den Kindern, sodass sich das Quengeln in Grenzen hielt.

Am späten Vormittag waren wir da. Wir stiegen aus dem Wagen und ich sog die frische Meeresluft ein. Es tat wirklich gut die Lungen mal mit etwas anderem als Stadtluft zu füllen. Ich war noch ein kleines Kind gewesen, als ich das letzte Mal am Meer gewesen war. Ich hatte ganz vergessen, wie unbeschwert man sich hier fühlte. Ich liebte diese frische Brise. Sie ließ mich lebendig fühlen und das war zurzeit nicht selbstverständlich.

Wir zogen alle unsere Schuhe aus und liefen barfuß über den Sand. Die Sonne schien und das Wasser funkelte. Ich mochte diesen Blick in die Ferne. Nur das Meer und dahinter der strahlend blaue Himmel. Das war wunderbar. Man fühlte sich einfach frei. Am Strand waren kaum Menschen zu sehen, was wohl daran lag, dass es mitten in der Woche war und die normale Bevölkerung arbeiten ging.

„Das kitzelt zwischen den Zehen“, sagte Emma lachend und sah herunter zu ihren Füßen.

„Mama, das Wasser funkelt!“, bemerkte Alex und zeigte darauf. „Sind das Kristalle?“

„Nein, das ist das Licht“, erklärte ich.

„Licht?“, wiederholte er verwirrt.

„Ja, das Wasser ist wie ein Spiegel. Die Sonne spiegelt sich darin und deshalb funkelt es.“

Er runzelte die Stirn. Ich glaubte nicht, dass er es wirklich verstanden hatte, aber er fragte auch nicht weiter nach. Wir liefen nach vorne zum Wasser, wo wir unsere Füße von den Wellen umspülen ließen.

„Das ist kalt“, beschwerte sich Emma und klammerte sich an Daniel. Er hob sie zu sich auf den Arm.

Alex war da unerschrockener. Er freute sich jedes Mal, wenn eine Welle kam.

„Wollen wir ins Wasser gehen?“ fragte Daniel.

„JA!“, rief Alex sofort, während Emma heftig den Kopf schüttelte.

Regentanz - Piper Award EntryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt