Kapitel 15

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Daniel

Auch wenn es nur symbolisch war und eher für die Kinder als für uns, schlug mein Herz mir bis zum Hals. Ich war wirklich aufgeregt. Marlie war noch im Haus und versuchte sich in ihr Kleid zu zwängen. Sie hatte mich vorgewarnt gehabt, dass es länger dauern könnte. Ich hatte ihr meine Hilfe angeboten, doch die hatte sie kategorisch abgelehnt. Ein Bräutigam darf seine Braut vorher nicht im Hochzeitskleid sehen. Das schien ihr wirklich wichtig zu sein, also hielt ich mich daran. Nachdem sie aber auch nach einer halben Stunde noch nicht heraus gekommen war, hatte ich Cooper sicherheitshalber herein geschickt, weshalb ich hier nun ganz alleine stand.

Was Marlie nicht wusste: Ich hatte den Garten völlig verwandelt oder eher verwandeln lassen. Es sah aus wie eine Filmkulisse. Cooper war mir dabei eine große Hilfe gewesen und hatte das meiste organisiert, während ich mich mit Alex um Ringe und unsere Anzüge gekümmert hatte. Es gab nicht direkt einen Altar, aber Cooper hatte einen Torbogen besorgt, der mit unzähligen roten Rosen geschmückt war. Der Weg bis dorthin war ebenfalls mit Blumen in sämtlichen Farben gesäumt. In den Bäumen hingen farbenfrohe Lampions und die Stämme waren mit großen Schleifen verziert. Natürlich war es kitschig, aber das Motto war Prinzessinnenhochzeit, also konnte man wohl nicht genug übertreiben. Das Wetter spielte leider nicht so ganz mit. Es war zwar angenehm warm, doch die Wolken am Himmel ließen nichts Gutes ahnen.

Dann sah ich wie Cooper aus dem Haus zurückkam.

„Die Braut ist jetzt bereit“, verkündete er mit einem breiten Grinsen und fügte noch ein „Sie sieht bezaubernd aus“ hinzu.

Als musikalische Untermalung hatten wir uns ganz klassisch für den Pachelbel Kanon entschieden. Das Lied setzte ein und Emma kam als erste um die Ecke. Ihre Lippen umspielte ein stolzes Lächeln. Sie trug ein bezauberndes Kleid und winkte mir ganz aufgeregt. In ihrer linken Hand hielt sie ein kleines Körbchen und warf immer wieder Blütenblätter auf den Boden. Dicht hinter ihr kam Alex. Er hielt die Hand seiner Mutter, die er zum Altar führte. Als ich Marlie sah, schossen mir die Tränen in die Augen. Da war kein Rollstuhl und auch kein Sauerstoffgerät, sondern einfach nur eine Braut, deren Anblick mir den Atem raubte. Man könnte meinen, sie sei eine gesunde junge Frau, die das Leben noch vor sich hatte. Die nun mit der Ehe einen neuen Lebensabschnitt begann. Sie sah so glücklich aus und ich spürte, dass wir diese Zeremonie nicht nur für Kinder abhielten. Mit wässrigem Blick lächelte sie mich an. Sie sah so wunderhübsch aus. Ich war mir sicher, dass Emma für das Prinzessinnenkleid und das Krönchen verantwortlich war, doch es stand Marlie hervorragend. Sie war die hübscheste Braut, die ich je gesehen hatte. Als sie registrierte, wie wunderschön der Garten dekoriert war, klappte kurz ihre Kinnlade nach unten. Damit hatte sie offenbar nicht gerechnet. Dann formte sie mit ihren Lippen „Ich liebe dich“ und spätestens in dem Moment war klar, dass das alles hier nicht nur gespielt war.

Schritt für Schritt kam sie näher. Es kostete ihr viel Kraft. Das war deutlich sichtbar, doch gleichzeitig wirkte sie wirklich glücklich. Alex machte seinen Job sehr gut, indem er seine Mutter zielgerichtet zum Altar führte und dann an mich übergab. Cooper begann sich zu räuspern. Es war das erste Mal, dass ich ihn in einem Anzug sah. Die Lederjacke hatte er ausnahmsweise mal im Schrank gelassen. Zur Feier des Tages hatte er sogar seine zotteligen Haare gekämmt und mit einem ordentlichen Seitenscheitel geteilt. Er sah richtig vorzeigbar aus.

„Liebes Brautpaar, liebe Trauzeugen“, begann er augenzwinkernd. Mit den Trauzeugen waren die Kinder gemeint, woraufhin Emma und Alex kicherten. „Wir haben uns heute hier versammelt, um diese zwei Liebenden zu trauen. Und da das hier eine Prinzessinnenhochzeit ist, möchte ich auch mit den Worten Schneewittchens beginnen, denn diese sagte einmal: ‚Er war so romantisch. Ich konnte nicht wiederstehen.‘ So ging es dir wohl auch“, sagte er grinsend und sah zu Marlie. Diese grinste breit. Ich war zugegebenermaßen beeindruckt, wie viel Mühe sich Cooper gab es auf die Kinder abzustimmen. „Doch lasst uns die Geschichte von vorne erzählen.“ Seine Stimme war nun ganz rau und mysteriös. „Es war einmal eine wunderschöne Prinzessin namens Marlie. Die wuchs in einem riesigen Königreich auf. In dem gleichen Königreich wohnte auch ein Prinz mit dem Namen Daniel.“ Ich entdeckte einen Logikfehler in Coopers Märchen. Wenn ein Prinz und eine Prinzessin im gleichen Königreich lebten, waren sie doch Geschwister, oder nicht? Doch den Kindern fiel es nicht auf und deshalb war es auch egal. Cooper gab wirklich sein Bestes. Emma und Alex hörten ihm gebannt zu. „Eines Tages trafen sich die beiden auf dem Spielplatz. Sie verstanden sich sofort und wurden beste Freunde. Sie verbrachten viel Zeit miteinander, doch dann kam der Tag, an dem sie eingeschult wurden. Sie kamen in verschiedene Klassen.  Die beiden trafen sich immer weniger und irgendwann gar nicht mehr. Viele Jahre vergingen. Sie sahen sich nicht einmal an, wenn sie auf dem Schulhof aneinander vorbeigingen. Doch eines Tages fand Daniel, der mittlerweile ein junger Mann war, Marlie auf einer Bank sitzend. Sie weinte und er erinnerte sich, wie sehr er sie einmal gemocht hatte. Er konnte es nicht leiden ihre Tränen zu sehen, also ging er zu ihr und spendete ihr Trost. Die Prinzessin war froh, dass jemand sie umarmte und tröstete, denn die Königin war gestorben. Sie saßen Stunden auf dieser Bank und redeten. Von da an trafen sie sich wieder jeden Tag. Sie lachten viel miteinander und waren glücklich zusammen. Es kam der erste Kuss und beide hatten Schmetterlinge im Bauch. Sie verliebten sich und eines Tages verkündete die Prinzessin, dass sie schwanger war. Es hätte alles perfekt sein können, doch dunkle Wolken zogen auf. Der Prinz musste das Königreich verlassen. Fünf Jahre war er verschwunden. Die Prinzessin wusste nicht, wie es ihm ging und kümmerte sich ganz alleine um die Kinder. Sie vermisste ihn und der Prinz vermisste auch seine Prinzessin. Viele Jahre vergingen, doch sie vergaßen sich nie. Und eines Tages fand die Prinzessin Marlie ihren Prinzen wieder. Sie waren so froh und liebten sich noch immer. Und heute sind sie hier um sich das Ja-Wort zu geben.“

Regentanz - Piper Award EntryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt