Kapitel 18

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Daniel

Ich hatte lange überlegt, ob ich die Kinder mit zur Beerdigung nehmen sollte. Ich wusste nicht, ob es sie in noch größere Trauer stürzen würde oder ob es ihnen eine Möglichkeit zum Abschied gab. Letztendlich hatte ich zusammen mit Mum und Laura entschieden, dass wir sie mitnehmen würden. Ich wollte nicht, dass sie die Chance verwehrt bekamen sich zu verabschieden. Wir waren dafür nach Manchester geflogen, wo die Beerdigung stattfinden würde. Marlies gesamter Freundeskreis lebte dort. Sie hatte ihre Beerdigung genau durchgeplant. Marlie hatte sich einen Friedhof ausgesucht, die Songs, die auf ihrer Beerdigung gespielt werden sollten und auch die Gästeliste zusammengestellt. Es musste unglaublich deprimierend sein die eigene Beerdigung zu planen. Emmas und Alex’ Namen hatten auch auf der Gästeliste gestanden. Ein weiterer Grund sie mitzunehmen, denn offensichtlich wollte Marlie sie dort haben.

Wir waren schon gestern Abend hergekommen und hatten die Nacht in einem Hotel verbracht. Nach der Beerdigung würde ich noch in die alte Wohnung von Marlie fahren und ein paar Dinge holen müssen. Davor hatte ich schon Angst. Ich befürchtete, dass sie dort so allgegenwärtig sein würde, dass ich damit nicht umgehen konnte. Doch daran wollte ich noch nicht denken, denn die Beerdigung stand erst einmal auf dem Plan und das war schon Herausforderung genug. Schritt für Schritt war zurzeit meine Devise.

Emma trug ein wunderschönes schwarzes Kleid aus Seide, dass Marlie noch gekauft hatte.  Ob sie es extra für ihre eigene Beerdigung ausgesucht hatte? Emmas braune Locken hatte ich zu einem Zopf zusammengebunden. Alex und ich waren im Partnerlook. Wir hatten beide einen schwarzen Anzug an, mit einem weißen Hemd und dunkelgrauer Krawatte. Es gefiel Alex, dass wir das Gleiche trugen. Nur deshalb hatte ich mir eine Krawatte angetan. Alex hatte darauf bestanden, dass wir bis ins Detail gleich aussehen sollten.

 „Warum sind hier alle schwarz angezogen?“, flüsterte Emma mir zu, als wir aus dem Auto ausstiegen und schon einige Gäste dort waren.

„Damit zeigt man, dass man traurig ist“, erklärte ich, während nun alle Blicke auf mich gerichtet waren. Ich konnte mir schon vorstellen, dass ich in ihrem Freundeskreis nicht sonderlich beliebt war. Immerhin war ich die ersten vier Jahre nicht da gewesen, in denen Marlie die Kinder allein großziehen musste. Ich hatte sie schwanger sitzen lassen. Marlie hatte mir das verziehen, doch diese Menschen sahen nicht so aus, als würden sie sich freuen mich zu sehen. Ich war für sie einfach nur der Vater von Alex und Emma, der nie für sie da gewesen war. Ich war der Mann, der Marlie im Stich gelassen hatte.

„Tante Laura!“, rief Emma, als sie Laura sah.

Ich hatte sie nur einmal zuvor gesehen und das war, als Marlie noch gelebt hatte. Seitdem hatte sie sich verändert. Sie sah wirklich fertig aus. Dunkle Ringe zeichneten sich unter ihren Augen ab. Ihre Körperhaltung wirkte kraftlos. Sie breitete trotzdem mit einem Lächeln ihre Arme aus und Emma lief hinein. Dann hob sie sie hoch und drehte sich mit Emma einmal um die eigene Achse. Nun lief auch Alex auf sie zu. Beide Kinder freuten sich riesig. Klar, Laura war schon ihr gesamtes Leben an ihrer Seite gewesen und nicht wie ich erst seit vier Wochen. Diese Frau kannte meine Kinder so viel besser als ich selbst. Das machte mich wirklich traurig. Ich würde so gern die Zeit zurückdrehen. Ich hätte vier wundervolle Jahre mit Marlie und den Kindern haben können. Wir hätten eine richtige Familie sein können. Doch nun beschränkte sich diese Zeit auf knapp zwei Wochen. Genau genommen waren es 13 Tage. 13 Tage waren wir eine Familie gewesen. Ich hätte mittlerweile alles aufgegeben um mit meinen Kindern von Anfang an leben zu können. Ich hätte Marlie nicht verlassen dürfen. Auch wenn es bedeutet hätte, dass ich nie eine Karriere als Musiker gemacht hätte. Es war der größte Fehler meines Lebens gewesen.

Ich begrüßte Laura mit einer herzlichen Umarmung. Sie wirkte sehr zerbrechlich in meinen Armen.

„Wie geht es den Kindern?“, erkundigte sie sich.

Regentanz - Piper Award EntryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt