Kapitel 21

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Daniel

Der gestrige Vormittag mit Annie hatte mir wirklich gut getan. Aus diesem Grund hatte ich mich dazu entschieden mich wieder mit ihr zu treffen. Sie brachte mich auf andere Gedanken und holte mich aus diesem Alltag, der hauptsächlich durch Trauer gekennzeichnet war, heraus. Für die Kinder versuchte ich immer stark zu sein, doch mir war bewusst, dass ich mich am Rand der Depression befand.

Annie und ich setzten uns in ein kleines Café in der Nähe vom Camden Market und unterhielten uns. Die Kinder waren im Kindergarten. Ich genoss es, wieder Zeit mit Annie zu verbringen. Sie war eine wundervolle Frau und sie schaffte es mich zum Lachen zu bringen. Das fühlte sich gut an, denn ich hatte schon lange nicht mehr richtig herzlich gelacht. Sie tat mir wirklich gut.

 „Wo wohnst du zurzeit?“, fragte ich sie.

Gestern hatten wir mehr über mein Leben als über ihres gesprochen. Nun war sie an der Reihe. Früher hatte sie immer bei mir gewohnt, wenn sie in London war, aber das konnte ich ihr im Moment nicht anbieten.

„Bei einer Freundin“, antwortete sie und schüttete sich auffällig viel Zucker in ihren Kaffee.

„Wie lange bleibst du noch in London?“

Ein kleines Lächeln huschte über ihre Lippen.

„Ich werde hier herziehen. Ich habe eine Job bei einem Marktforschungsunternehmen hier in London bekommen“, erzählte sie stolz. „Ich warte eigentlich nur noch auf das Ergebnis meiner Prüfungen. Wenn ich alles bestanden habe, packe ich meine Sachen und ziehe hierher.“

„Wow, Glückwunsch!“

Das war wirklich toll. Ich wusste, wie hart sie in ihrem Studium gearbeitet und wie viel Zeit sie für die Prüfungen investiert hatte. Ich war mir sicher, dass sie die mit Bravour bestehen würde.

„Danke. Ich bin irgendwie froh das Studium bald abgeschlossen zu haben. Es fängt jetzt ein neues Kapitel in meinem Leben an.“

Ich nickte nachdenklich. Wir befanden uns nun beide in einer Phase unseres Lebens, in der wir erwachsen wurden. Das Kapitel Studium war für Annie nun abgeschlossen. Nun galt es sich in der Arbeitswelt zu behaupten.

„Es wird jetzt für uns beide ernst, was?“

Annie nickte zustimmend.

„Ja.“

„Wenn ich dir einen Tipp geben darf, dann rate ich dir es noch zu genießen so frei zu sein. Wenn man erst einmal Kinder hat, kann man vieles nicht mehr machen.“

„Hört sich an, als hättest du gerne bestimmte Dinge noch gemacht, bevor die Kinder in dein Leben kamen“, hakte sie nach.

„Naja, ich hätte ganz gerne noch ein paar Orte dieser Welt gesehen, doch das ist okay. Die Kinder sind mein ganzer Stolz. Aus heutiger Sicht würde ich alles für sie aufgeben, auch wenn ich damals nicht bereit war meine Jugend für sie herzugeben. Mir ist aber erst jetzt bewusst geworden, was man mit Kindern alles nicht machen kann.“

„Deine Kinder sind bestimmt toll“, sagte Annie nun und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.

„Ja, sind sie. Ich hoffe, du verstehst, dass die Kinder erst einmal nichts von dir wissen sollen“, wechselte ich nun das Thema. Dieser Punkt war mir äußerst wichtig. Ich wollte nicht, dass die Kinder den Eindruck bekamen, dass ich ihre Mutter durch irgendjemanden ersetzte.

„Ja, ist doch klar“, sagte sie sofort verständnisvoll.

Ich war ihr so dankbar, dass sie für meine Situation so viel Verständnis aufbrachte. Nachdem ich sie so belogen hatte, hatte ich das eigentlich nicht verdient.

Regentanz - Piper Award EntryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt