Kapitel 27

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Daniel

Nachdem ich Steve informiert hatte, dass Alex wieder aufgetaucht war, hatte er sofort darauf bestanden mich nach Manchester zu fahren. Wahrscheinlich wollte er sich selbst vom Kindeswohl überzeugen. Mir war es ganz recht, denn so fuhren wir mit Blaulicht dorthin. Wahrscheinlich war das eigentlich nicht erlaubt, doch Steve schien Mitleid mit mir zu haben und so waren wir schon nach anderthalb Stunden am Ziel. In diesen knapp 90 Minuten weinte ich hemmungslos. Die ganze Anspannung fiel mit einem Mal von mir ab. All die Gefühle, die ich in den letzten Stunden versuchte hatte zu unterdrücken, kamen nun zum Vorschein. Ich konnte mich dagegen nicht mehr wehren und es tat gut, einfach auf der Rückbank dieses Streifenwagens zu sitzen und wie ein kleines Kind zu flennen. Meine Mutter hatte immer gesagt, dass man nicht immer gegen seine Tränen ankämpfen sollte. Manchmal tat es einfach gut alles heraus zu lassen und genau das hatte ich getan. Steve sah diskret auf die Fahrbahn und tat so, als würde er es nicht registrieren, was natürlich völliger Quatsch war, denn ich heulte wie ein Schlosshund. Das ganze Auto war erfüllt von meinem Schluchzen und da brachte es auch nichts das Radio lauter zu drehen.

Es war mittlerweile schon spät. Mir war nun schon ein wenig bange, denn ich konnte nicht einschätzen, wie Alex auf mich reagieren würde. War seine Wut nur noch schlimmer geworden? Würde er mich wieder abweisen? Selbst wenn er das tat, dann war ich immer noch heilfroh, dass er wieder aufgetaucht war. Hauptsache ich hatte ihn wohlbehalten wieder.

 Als Laura die Tür öffnete, hatte sie Alex im Halbschlaf auf ihrem Arm. Doch als er mich sah, riss er die Augen auf. Mit einem Schlag war er hellwach und was er dann tat, erwärmte mein Herz so sehr, dass ich schon wieder hätte losweinen können. Er streckte die Arme nach mir aus und rief mit seiner kindlichen Stimme sehnsüchtig „Daddy!“.

Sofort nahm ich ihn zu mir. Endlich! Endlich hatte ich ihn wieder! Ich wollte ihn nie wieder loslassen. Alex schien so froh zu sein, mich zu sehen. So fest ich nur konnte drückte ich ihn an mich. Ich wollte ihn nie wieder loslassen.

„Ich hatte solche Angst!“, wimmerte er und umschlang mit seinen Armen meinen Hals.

„Ist okay. Alles gut. Du bist wieder bei mir und alles wird wieder gut!“, schniefte ich.

„Daddy, ich hab dich lieb“, schluchzte er. „Bitte lass mich nicht los!“

„Das mache ich bestimmt nicht!“, versicherte ich ihm.

Er krallte sich förmlich an meinen Körper. Wie zur Hölle hatte er es ganz allein geschafft von London nach Manchester zu kommen und dort dann Laura zu finden und das, ohne aufzufallen? Ich wusste ja, dass er pfiffig war, aber für einen Vierjährigen war das schon sehr außergewöhnlich.

„Ich glaube, hier ist alles getan“, sagte Steve nun, den ich ganz vergessen hatte. „Ich lasse sie dann mal mit Ihrem Kind allein. Es freut mich, dass alles ein so gutes Ende genommen hat. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute!“

Ich musste Steve einfach zum Abschied umarmen. Er hatte stets dafür gesorgt, dass ich nicht aufgegeben hatte und im Selbstmitleid versunken war und dafür war ich ihm sehr dankbar. Er winkte noch einmal lässig zum Abschied und verschwand dann nach draußen. Nun waren Laura, Alex und ich allein.

„Ich schlage vor, dass wir ins Wohnzimmer gehen und du mir alles erzählst. Dank Google weiß ich jetzt zwar das Nötigste, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass hinter der Sache mehr steckt!“

Es war nicht zu überhören, dass sie wütend auf mich war. Sie gab mir die Schuld für Alex’ Verschwinden und das ließ sie mich auch spüren. Doch da ich Alex noch immer in meinen Armen hatte, riss sie sich zusammen. Der war mittlerweile jedoch so müde, dass er jeden Moment einschlafen würde. Die Augen waren schon geschlossen.

Regentanz - Piper Award EntryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt