Kapitel 20

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Daniel

Seit Marlies Tod waren nun vier Wochen vergangen. Langsam kehrte so etwas wie Normalität in unser Leben ein. Aus diesem Grund war heute auch der Tag, an dem die Kinder das erste Mal in den Kindergarten gehen würden. Das ermöglichte es mir wieder berufliche Termine wahrzunehmen. Das Leben musste irgendwie weitergehen, auch wenn ich noch immer mit der ganzen Situation zu kämpfen hatte. Doch wenn ich darauf wartete bis ich die Geschehnisse komplett verarbeitet hatte, würde ich wohl nie wieder arbeiten gehen können.

Irgendwie hatte ich es geschafft, dass Emma und Alex sich sogar auf den Kindergarten freuten. Seit Tagen erzählten sie von nichts anderem. Es schien sie nicht großartig zu stören, dass sie nun in eine neue Gruppe und in eine neue Kita kamen. Sie hatten immerhin den Vorteil, dass sie sich beide hatten, was es für sie einfacher machte. Sie waren also nicht ganz allein. In den letzten zwei Tagen war ich mit ihnen schon zur Eingewöhnung für ein paar Stunden dort gewesen und nun würde ich sie das erste Mal dort abgeben und erst nachmittags wieder abholen.

„Habt einen schönen Tag!“, sagte ich zum Abschied.

Sie gaben mir einen Kuss und winkten dann nochmal. Es schien Emma wirklich nichts auszumachen, dass sie dort nun bleiben würden, was mich überraschte, denn ich selbst fühlte mich schlecht dabei sie in die Obhut von anderen Leuten zu geben. Alex kam aber noch einmal zu mir.

„Du kommst uns heute Nachtmittag wirklich abholen, ja?“, versicherte er sich.

„Natürlich!“

„Und du vergisst uns nicht?“

„Nein, das würde ich doch nie tun! Hab’ einen schönen Tag. Ich bin mir sicher, dass du ganz viele neue Freunde findest!“

Er lächelte schwach und drückte mich noch einmal zum Abschied. Am liebsten hätte ich ihn gleich wieder mit nach Hause genommen. Ich hätte nicht gedacht, dass es mich so viel Überwindung kostete meine Kinder in fremde Hände zu geben. Doch da musste ich jetzt wie jeder andere Vater einfach durch. Ich winkte noch ein letztes Mal und verließ dann schweren Herzens den Raum.

Den heutigen Tag hatte ich mir noch freigehalten. Erst nächste Woche würde ich langsam wieder meiner beruflichen Pflicht nachgehen. Ich machte mich also auf den Weg nach Hause. Ich stutzte jedoch, als ich ein Auto vor meiner Einfahrt sah. Ich kannte dieses Auto nur zu gut. Ich war mir nicht sicher, ob es ein gutes oder schlechtes Zeichen war, dass dieses Auto vor meinem Haus parkte.

Ich schloss die Tür auf und ging ins Wohnzimmer.

„Hallo Annie!“, begrüßte ich sie.

Annie saß auf der Couch und sah nun erschrocken zu mir auf. Sie hatte mich offenbar nicht kommen gehört. Was machte sie hier? Seitdem ich ihr gestanden hatte, dass ich zwei Kinder hatte, war der Kontakt komplett abgebrochen.

„Hey, ich hoffe, es ist okay, dass ich einfach reingegangen bin. Ich habe geklingelt und es war keiner da“, entschuldigte sie sich.

Es war seltsam sie wiederzusehen. So viel war passiert, nachdem wir uns getrennt hatten. Es hatte absolute Funkstille zwischen uns geherrscht. Glücklich sah Annie definitiv nicht aus. Sie sah müde und geschafft aus. Ich wusste nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte.

„Wie geht’s dir?“, erkundigte ich mich.

Wahrscheinlich waren die letzten Wochen auch für sie nicht leicht gewesen. Immerhin war unsere dreijährige Beziehung geendet. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Marlie vor der Tür gestanden hatte, war unser Leben perfekt gewesen. Auch für sie war eine Welt zusammengebrochen. Annie zog eine Augenbraue hoch.

„Das fragst du mich? Die Frage ist, wie geht es dir?“

Sie kam zu mir herüber und umarmte mich freundschaftlich. Ich war überrascht, wie gut es mir tat umarmt zu werden. Es fühlte sich an, als wüsste sie ganz genau, was ich in letzter Zeit hatte durchmachen müssen. Sechs Wochen hatten wir keinen Kontakt mehr gehabt. Sechs Wochen, in denen sich mein Leben um 180 Grad gedreht hatte. Sechs Wochen, in denen ich durch die Hölle gegangen war.

Regentanz - Piper Award EntryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt