Kapitel 5

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Daniel

Am Abend musste ich feststellen, dass so ein ganzer Tag mit zwei kleinen Kindern durchaus anstrengend sein konnte. Es war nicht so, dass ich nie einen Tag mit Kindern verbracht hatte - ich hatte drei jüngere Schwestern - aber es war etwas anderes, wenn man auch der Verantwortliche war. Wenn es keine Eltern gab, die man im Notfall anrufen konnte. Ich begriff immer noch nicht so richtig, dass die beiden wirklich meine Kinder waren. Mein Fleisch und Blut. Es war einerseits ein wunderschönes Gefühl, aber auf der anderen Seite auch beängstigend.

Die eigentliche Herausforderung des Tages stand jedoch noch an. Ich hatte für diesen Abend Annie eingeladen. Ich musste es ihr einfach erzählen. Sie hatte es nicht verdient, dass ich es ihr noch länger verheimlichte. Ich wollte endlich reinen Tisch machen, auch wenn ich die Vorstellung hasste, ihr das zu sagen. Sie war eine so tolle Frau. Eigentlich war der Plan gewesen, dass ich mit ihr den Rest meines Lebens zusammen verbringen würde. Wir wollten heiraten und eine Familie gründen, doch ich hatte die Befürchtung, dass dieses Vorhaben nicht mehr in die Realität umgesetzt werden würde.

Ich hörte, wie sie die Tür aufschloss. Annie wohnte zwar nicht hier, doch sie hatte einen Schlüssel und ging hier ein und aus, wenn sie mal in der Stadt war. Sie war erst heute angereist, weil sie in Manchester, wo sie Marketing studierte, noch Prüfungen gehabt hatte. Ironischerweise wohnte sie in der gleichen Stadt wie Marlie.

„Hey Schatz!“, sagte sie, als sie zu mir ins Wohnzimmer kam. Sie umarmte mich und gab mir einen leidenschaftlichen Begrüßungskuss. Wir hatten uns immerhin drei Wochen nicht gesehen. Ich genoss es, ihre Nähe zu spüren, doch mein Körper verkrampfte sich automatisch, denn ich wusste, dass es wohl der letzte Kuss war, den sie mir geben würde.

„Na, hattest du eine gute Fahrt hierher?“, erkundigte ich mich und versuchte möglichst normal zu klingen, während ich innerlich vor Nervosität fast wahnsinnig wurde.

 „Die Bahnfahrt war die Hölle“, begann sie. „Hinter mir saßen zwei quengelnde Gören, die ununterbrochen gebrüllt haben und meinten gegen meinen Sitz treten zu müssen“, berichtete sie genervt.

„Oh“, war alles, was ich dazu sagte.

„Wie war dein Tag so?“, fragte sie nichtsahnend.

Das war wohl der Moment. Es war Zeit mit der Wahrheit herauszurücken. Ich schaffte es kaum ihr in die Augen zu sehen. Sie lächelte mich so unschuldig an. Meine Hände wurden schwitzig und mein Pulsschlag merklich schneller. Ich atmete noch einmal tief ein.

„Es gibt etwas, über das wir dringend reden müssen“, sagte ich ernst.

Augenblicklich spürte ich auch bei ihr eine gewisse Anspannung. Ihre Gesichtszüge wurden härter und ihr Blick war angsterfüllt auf mich gerichtet.

„Setz dich lieber!“, wies ich sie an.

Sie blieb stehen.

„Willst du mit mir Schluss machen?“, fragte sie nun direkt und mit einer Traurigkeit, die mir jetzt schon in der Seele wehtat.

„Nein, das will ich nicht“, sagte ich sofort. Ich wollte alles, nur das nicht. „Aber ich habe die Befürchtung, dass es darauf hinauslaufen wird“, gestand ich ganz offen.

„Du hast mich betrogen, oder?“, spekulierte sie nun.

„Nein!“, fuhr ich dazwischen, bevor die den Gedanken fortführen konnte. Ich würde sie nie betrügen. Das war nicht meine Art. „Wirklich nicht!“, beteuerte ich.

Augenblicklich wirkte sie erleichtert und entspannter. Sie sah mich nun jedoch besorgt an und setzte sich auf das Sofa. Annie nahm meine Hand und zog mich zu sich, sodass wir jetzt dich nebeneinander saßen.

Regentanz - Piper Award EntryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt