Kapitel 26

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Daniel

Zwei Stunden lang durchlöcherte mich Steve mit Fragen. Auf einige konnte ich antworten, auf andere nicht. Mit jeder Minute wurde ich unruhiger. Bei dem ganzen Aufgebot an Einsatzkräften müssten sie Alex doch schon längst gefunden haben. Ich glaubte mittlerweile nicht mehr daran, dass er hier irgendwo war. Im Radio und in lokalen Nachrichtensendern wurde bereits über ihn berichtet und sein Foto gezeigt beziehungsweise seine Beschreibung durchgegeben. Wenn er irgendwo in London war, dann hätte man ihn schon längst finden müssen. Jeden Quadratzentimeter hatte man nach Alex im Bahnhof abgesucht, doch außer seiner Mütze hatte man nichts mehr gefunden.

Als ich endlich mit Steves Fragen fertig war, rief ich Annie an.

„Habt ihr ihn?“, fragte sie sofort hoffnungsvoll.

„Nein. Sie suchen immer noch. Ich wollte einfach nur fragen, wie es Emma geht.“

„Sie hat sich etwas beruhigt, aber man merkt ihr an, dass sie echt fertig ist. Sie fragt ständig nach euch beiden.“

„Ich drehe hier bald durch. Ich fühl mich so nutzlos. Ich will irgendetwas tun.“

„Ich weiß. Geht mir auch so!“

„Annie, tu mir einen Gefallen und versuche dich nicht zu sehr aufzuregen. Ich weiß, dass es schwer ist, aber Stress ist für dich im Augenblick alles andere als gut.“

„Ich weiß, aber wie soll ich denn ruhig bleiben, wenn dein Sohn verschwunden ist? Zumal es überall in den Nachrichten ist. Glaub mir, wenn Emma nicht hier wäre, dann würde ich bei dir sein und dir beistehen!“

„Das weiß ich doch! Du bist mir eine riesige Hilfe, dass du auf sie aufpasst.“

„Deine Mutter hat übrigens vor einer halben Stunde angerufen.“

Was? Das war nicht gut. Ich hatte es bewusst meiner Mutter verschwiegen. Ich wollte nicht, dass sie durch die gleiche Hölle ging wie ich.

„Weiß sie es?“

„Nein, sie wollte einfach nur fragen, ob es mit den Kindern und mir besser läuft. Ich habe es ihr nichts von Alexs Verschwinden gesagt. Aber vielleicht solltest du es bald sagen. Ich schätze, dass sie heute Abend auch landesweit über sein Verschwinden berichten werden. Deine Familie sollte das nicht über die Nachrichten erfahren!“

Ja, da hatte sie zwar Recht, aber ich brachte das einfach nicht übers Herz. Ich fühlte mich eh schon wie ein totaler Versager. Immerhin war mir mein eigenes Kind weggelaufen, weil es sich Zuhause nicht wohlfühlte. Ich konnte das einfach nicht meinen Eltern und schon gar nicht meinen Schwestern sagen.

„Soll ich das übernehmen?“, fragte Annie schließlich, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

„Das kann ich von dir nicht verlangen!“

„Daniel, ich mache das für dich! Mir fällt hier eh die Decke auf den Kopf. So habe ich wenigstens das Gefühl irgendetwas Sinnvolles zu tun. Du machst gerade schon genug durch.“

Ich fühlte mich schlecht, dass ich nicht den Mut besaß es selber zu tun, doch ich war unglaublich dankbar, dass sie mir das abnahm.

„Danke, dass du das machst. Bitte sag ihnen, dass sie mich erst einmal nicht anrufen sollen. Ich kann das im Augenblick einfach nicht.“

„Ja, ich schreib dir dann, wie es gelaufen ist, okay?“

„Ja und ich melde mich, sobald es etwas Neues gibt.“

„Ist gut. Ich liebe dich!“

„Ich dich auch und sag’ Emma bitte, dass ich sie auch lieb habe und alles gut werden wird!“

Regentanz - Piper Award EntryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt