Zayn legt beide Füße auf den Sitz neben mir und stützt seinen Ellenbogen auf die Salatschüssel in seinem Arm, während er teilnahmslos irgendetwas auf sein Handy eintippt. Die U-Bahn ist wie immer voll, aber nicht voll genug um stehen zu müssen. Wir sitzen auf einem Viererplatz. Ich sehe mich um und erhasche Harrys Blick, der auf mir ruht. Er lächelt und ich lächele zurück.
„Hier steht, dass Kraken einen Lieblingsarm haben. Ist das nicht krass? Das ist wie bei Links- und Rechtshändern, bloß dass sie acht Arme haben." Zayn murmelt vor sich hin ohne aufzusehen und ich grinse gegen das Fenster. Harry hebt bloß die Brauen.
„Er liest wieder irgendwelches unnützes Wissen", flüstere ich ihm zu.
„Stellt euch vor ihr habt acht Arme, wovon einer so ist wie eure rechte Hand und die sieben anderen so wie eure linke Hand. Ich krieg schon ne Krise, wenn ich mit der linken Hand meine Bierflasche halten muss." Als wäre das sein Stichwort, beugt sich Zayn runter und greift in die Plastiktüte, die wir eben beim Kiosk mitgenommen haben. Er holt ein Bier heraus und öffnet es mit einem Feuerzeug.
„Gut, dass Kraken keine Bierflaschen halten müssen", meint Harry.
„Ja, oder? Ein Glück."
„Warum schleppst du immer noch Feuerzeuge mit dir rum?", will ich wissen.
Zayn zuckt mit den Schultern und nimmt einen Schluck, lässt die Flasche dann rumgehen. „Zum Bier öffnen, siehst du doch. Oder falls ich mal eine Kerze anzünden muss. Oder falls mich ein hübsches Mädchen auf der Straße nach Feuer fragt. Oder falls ich etwas in Brand setzen muss."
„Oder falls du spontan einen peinlichen Brief schreibst, den du danach unbedingt verbrennen musst", schlägt Harry vor, nimmt einen Schluck aus der Flasche und reicht sie dann mir.
„Du verstehst mich, Styles." Zayn grinst ihn an. „Wenn ich ein Kraken wäre und Louis und du meine Arme, wärst du mein Lieblingsarm."
Harry lacht und ich schnaube. „Wow."
Zayn grinst und legt einen Arm um Harrys Schulter wodurch die Salatschüssel beinahe von seinem Schoß rutscht. „Willst du immer noch nicht wissen, wo wir hinfahren?"
„Ich weiß wo wir hinfahren", erwidert Harry. Zayn runzelt die Stirn und sieht mich an.
„Hast du es ihm erzählt?"
Ich schüttele den Kopf und Harry verdreht lachend die Augen. „Sag mal, hast du jeden Tag der letzten Woche gepennt, als du uns von dieser Party erzählt hast? Wo sonst könnten wir Freitagabend hinfahren?"
Zayn verzieht enttäuscht das Gesicht und schiebt seine Unterlippe vor. „Gut kombiniert."
Ich sehe die beiden an wie sie herumalbern und grinse. Nichts kann mich heute wieder in die miese Laune von vorhin zurückziehen. Heute will ich einfach mit meinen Freunden zusammensein und alles andere verschiebe ich auf morgen.
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Gigis Haus ist groß und erinnert mich an eines dieser typischen amerikanischen Familienhäuser, was wahrscheinlich an der hölzernen Veranda liegt. Anders als amerikanische Familienhäuser ist in diesem Fall jedoch nicht nur die Fassade beeindruckend sondern auch das, was sich drinnen befindet. Zayn hat nicht übertrieben, als er meinte, dass sie Geld haben.
Wir bleiben alle drei dicht beieinander wie scheue Kinder, die zum ersten Mal alleine einen Spielplatz betreten, was vor allem an Zayn liegt. Zayn, der normalerweise völlig unbeeindruckt in einen Raum marschiert und sich nicht die Bohne dafür interessiert, was irgendeine unwichtige Person in der hinteren linken Ecke über ihn denken könnte, sieht sich immer wieder nach uns um, um sicherzugehen, dass wir noch da sind.
„Kein Wunder, dass Gigi uns eingeladen hat, um ihm Beistand zu leisten", flüstere ich Harry zu. „Hast du ihn schonmal so nervös gesehen?"
„Klar. Er ist immer so, wenn er richtig verknallt ist. In der Grundschule gab es ein Mädchen, das hieß –" Harry kommt nicht weiter mit seiner Geschichte, weil sich uns plötzlich ein großer Mann in den Weg stellt, gerade als wir durch die Tür wollen.
„Namen?", fragt er. Ich blinzele verwirrt. Es gibt hier nicht ernsthaft einen Türsteher, der kontrolliert, wer rein und rausgeht?
Zayn räuspert sich und schafft es, völlig cool zu klingen. „Zayn Malik."
Der Mann lässt seinen Blick über einen Zettel in seiner Hand schweifen. „Plus zwei Freunde, hm?" Er sieht uns prüfend an, nickt kurz und lässt uns durch. Wir tauschen ungläubige Blicke aus. Plötzlich fühle ich mich in meiner Jeansjacke, dem T-Shirt, das ich seit zwei Tagen trage und der schwarzen Chino falsch gekleidet. Die Plastiktüte vom Kiosk macht es auch nicht viel besser. Wir ducken uns an dem Mann vorbei und erreichen endlich den breiten Flur, in dem sich die ersten Menschen unter einem großen Kronleuchter tummeln, reden und Bier trinken. Eine seltsame Mischung aus R&B und Drum 'n' Bass dringt uns entgegen. Das flackernde Licht, das aus einem Raum rechts kommt, deutet verheißungsvoll auf Disko.
„Also dann", seufzt Zayn, leert in einem Schluck sein Bier, das er zurück in die Tüte legt (was man alles an Pfand verdienen kann, sollte nicht unterschätzt werden) und schreitet in den Raum.
Wir brauchen geschlagene zehn Minuten, um Gigi zu finden. Das Wohnzimmer scheint in einen zweiten Flur überzugehen, der zu noch mehr Zimmern führt, in denen große Sofas oder Sitzsäcke stehen. Wir laufen so lange hin und her, dass ich irgendwann nicht mehr weiß, ob wir immer noch neue Räume erkunden oder schon wieder am Anfang sind. Als wir schließlich Gigi entdecken, wirkt Zayn so erleichtert, dass es kurz so aussieht, als würde er ihr um den Hals fallen. Stattdessen umarmen sie sich brüderlich wie zuvor und mittlerweile ist es wirklich schmerzhaft diesen beiden hoffnungslosen Fällen dabei zuzusehen. Zayn drückt mir die Salatschüssel in die Hand und winkt ab, so als wollte er uns verscheuchen. Unser Job, ihn heile zu seinem Ziel zu bringen, ist damit getan.
Ich grinse Harry an. „Lust, das Buffet zu plündern?"
Zu zweit suchen wir die Küche. Weil jeder einzelne Raum mit Menschen vollgestopft ist, die auf ein „Entschuldigung, darf ich mal durch?", überhaupt nicht reagieren, müssen wir uns schließlich durchboxen, schubsen und drängeln. Ich bin leicht aus der Puste, als wir endlich vor dem Buffettisch stehen.
Harry ist aus Platzmangel dicht neben mir und steckt seinen Finger in einen Dip, um ihn zu probieren. Er grinst mich an. „Also ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich hab echt Hunger."
Wir schieben einige der Schalen zur Seite, damit Zayns Salatschüssel Platz hat, schnappen uns Teller und beladen sie mit so viel Zeug wie darauf passt. Dann greifen wir uns jeder ein Bier und versuchen einen freien Platz zu finden, was sich als ziemlich schwierig herausstellt. Ich fühle mich seltsam lebendig, was noch nicht am Alkohol liegt, vielmehr daran, dass ich von unglaublich vielen, unglaublich betrunkenen Leuten in meinem Alter umgeben bin, dass laute Musik läuft und ich einfach viel zu lange nicht mehr aus meinem Trott gekommen bin. Plötzlich kommt mir eine ziemlich dämliche Idee. „Unter den Tisch?", schlage ich vor. Harry lacht und folgt meinem Blick unter den Buffettisch, unter dem wir vollends verschwinden könnten, weil uns durch die vielen Beine und Körper eh niemand sehen würde.
„Wir können Zayn nicht so blamieren", gibt Harry zu bedenken, aber ich sehe in seinen Augen, dass er meine Idee insgeheim ziemlich gut findet.
„Komm schon." Unbemerkt knien wir uns hin und rutschen mitsamt den Flaschen und dem Essen unter den Tisch. Harry lacht die ganze Zeit und auch ich kann es mir nicht verkneifen. Wir müssen etwas gebeugt sitzen, aber ansonsten ist es ein guter Ort für ein Picknick. Eigentlich nicht viel anders als zu zweit zu Hause auf dem Sofa. Bloß, dass es endlos viel zu Essen gibt.
Ich lege den Teller auf meinen Schoß und greife nach der Bierflasche. „Auf das gratis Essen und die Getränke?", schlage ich vor. Harry prostet mir grinsend zu, sodass unsere Flaschen laut gegeneinander klirren. Wir trinken einen großen Schluck. „Also, wie war das in der Grundschule, mit dem Mädchen, in das Zayn verknallt war ...?"
Harry erzählt. Als er mit der Geschichte fertig ist, haben wir unser Bier leer getrunken. Harry beugt sich leicht vor und versucht, blind mit der Hand oben auf dem Tisch nach neuen Flaschen zu greifen und ich muss bei dem Gedanken lachen, wie es für die Leute am Buffettisch aussehen muss, wenn plötzlich eine Hand von unten auftaucht. „Alter", brüllt ein Mädchen von oben. „Sag doch, was du brauchst. Bier?"
„Ja bitte. Zwei", ruft Harry zurück und muss sich ganz klar das Lachen verkneifen. Das Mädchen scheint sich über unsere Position überhaupt nicht zu wundern, sie ist wahrscheinlich ganz anderes von Partys gewöhnt. Sie drückt ihm zwei Bier in die Hand, die er erstaunlicherweise beide halten kann und zu uns unter den Tisch zieht.
„Danke", grinse ich und wieder stoßen wir an. Wir spekulieren eine Weile, wie es Zayn wohl geht und ob er uns braucht. Schließlich lehnen wir uns an die Wand und beobachten die Beine, die vor uns durch den Raum huschen. Ich bin froh, hier und nicht dort zu sein und habe keine sonderlich große Lust, mich in das Geschehen zu mischen, auch wenn dort ziemlich hübsche Mädchen rumlaufen, die – wer weiß – vielleicht einen so gammeligen Typen wie mich sogar ganz aufregend finden könnten. Aber das hier gerade genügt mir völlig. Nach dem dritten Bier werden wir etwas mutiger.
„Entschuldigung", ruft Harry höflich gegen die Musik und tippt gegen ein Bein in enger Jeans, das direkt vor dem Buffettisch steht. Verwirrt beugt sich ein Mann zu uns runter.
„Was macht ihr denn da unten? Es gibt oben auch Räume zum Vögeln, ihr braucht euch hier nicht verstecken –"
Harry unterbricht ihn, während ich rot anlaufe. „Wir hätten gerne zwei Bier. Kannst du sie uns runterreichen?", fragt er mit einem charmanten Lächeln.
Der Mann lacht kopfschüttelnd. „Klar." Er reicht sie uns und Harry bedankt sich. Der Mann sieht uns noch eine Weile lang an. „Also vögelt ihr nicht?"
Harry sieht mich gespielt verwirrt an. „Ich glaube, gerade sieht es nicht danach aus, nein, oder was meinst du, Louis?"
Ich bin nicht schlagfertig genug, um gelassen zu antworten, aber der Mann unterbricht mich ohnehin mit einem Lachen. Er sieht Harry interessiert an. Erst jetzt fällt mir auf, wie eng seine Jeans wirklich sind und wie er Harry mit seinen braunen Augen fixiert. „Gut zu wissen. Ich gehe mal wieder zurück ins Wohnzimmer, aber ihr könnt gerne nachkommen."
Er sagt zwar ihr, meint aber ganz offensichtlich nur Harry. Es ist ein sehr eindeutiges Angebot. „Danke", lächelt Harry mit der üblich gelassenen Höflichkeit. Als der Mann verschwindet, dreht er sich zu mir um und reicht mir das Bier. Ich sehe ihn nachdenklich an.
„Willst du nicht mit ihm mitgehen?", frage ich.
Harry runzelt die Stirn. „Warum sollte ich?"
Ich zucke mit den Achseln und trinke. Ich merke, dass ich jetzt genug angetrunken bin, um das Bier richtig lecker zu finden. Eine eher gefährliche Entwicklung. „Ist vielleicht weniger langweilig als hier."
„Ich bin gerne hier." Er sieht mich an während er trinkt, sein Blick aufrichtig. Ich erwidere den Blick. Und plötzlich, so wie wenn man eine Matheaufgabe versteht und sich die Puzzleteile im Kopf endlich zusammenfügen, erscheint es mir glasklar, dass Harry auf mich steht. Warum sonst sollte er lieber mit mir unter einem Tisch sitzen und Bier trinken als oben mit einem hübschen Typen rumzumachen? Und das ist okay, schätze ich, wenn er auf mich steht. Es ändern nichts an meinem Vorhaben, meine Heterosexualität als einzige Sexualität auszuleben. Es macht es nicht schwerer, zumindest nicht, wenn er nicht irgendetwas versucht ... Er braucht mich. Wahrscheinlich ist er der einzige Mensch auf der Welt, der mich braucht. Und das fühlt sich gut an, besser, als sich irgendetwas in den letzten Monaten angefühlt hat. Ich sehe ihn an und muss lächeln. Er lächelt zurück, aufrichtig und warm. Ich mag ihn wirklich sehr gern und ich könnte mir niemanden vorstellen, mit dem ich mir lieber ein Zimmer teilen würde. Mein Bauch fühlt sich plötzlich sehr warm an.
Ich richte mich auf und stoße mich dabei an der Tischplatte. „Autsch", lache ich, spüre, wie mir etwas schwindelig wird, aber ich lasse mich nicht von meinem Vorhaben abbringen, sondern rutsche instinktiv weiter an Harry ran, bis ich ihn in eine Umarmung ziehen kann. Er lacht überrascht, lässt mich aber machen. „Womit habe ich das verdient?", fragt er.
„Dafür, dass du uns Bier besorgt hast", nuschele ich und drücke ihn fest. Sein Körper ist warm an meinem, sein Atem heiß an meinem Hals und weil wir durch den Tisch nicht aufrecht sitzen können, muss ich mich halb über ihn beugen, um mich nicht zu stoßen. Ich weiß nicht, was mich dazu reitet, ich glaube, ich bin ihm einfach dankbar, dass er mich braucht und dankbar, dass er hier mit mir sitzt und allgemein dankbar und vor allem spüre ich langsam den Alkohol in meinem Kopf. Mein Körper fühlt sich erschöpft an und ich schließe die Augen, spüre seine Finger durch meine Haare streichen. Ich bilde mir sogar ein, seinen Herzschlag an meiner Brust zu spüren. Genießt er das gerade? Mache ich ihm Hoffnungen? Ich löse mich von ihm um seinen Blick zu deuten. Er sieht mich ganz ruhig an, ein leichtes Lächeln auf den Lippen, seine Hand in meinem Nacken. „Danke", nuschele ich.
„Für das Bier?", fragt er amüsiert.
„Ja."
Er lacht und ich muss auch grinsen. Mit einem Seufzen richte ich mich wieder halbwegs auf und starre auf die Beine, die sich in dem Gedränge vor uns immer noch vermehren. Wir schweigen eine ganze Weile. Irgendwann räuspert sich Harry.
„Also ... wollen wir uns mehr Bier holen und dann mal nachsehen, was die Tanzfläche zu bieten hat?", fragt er und stößt mir freundschaftlich in die Schulter.
„Okay. Aber ich kann nicht tanzen."
„Jeder kann tanzen."
Wir lassen die leeren Flaschen und die Teller liegen, holen uns neue Getränke und boxen uns durch. „Warte, ich muss pinkeln", murmelt er mir zu und weil ich auch pinkeln muss, stellen wir uns an die Schlange an. Zwischendurch drängeln sich immer mehr Leute vor, weshalb Harry und ich uns schließlich zu zweit einschließen, um die Meute abzuhalten. Ich wasche mir das Gesicht und spüre, dass ich jetzt, wo ich nicht mehr sitze, doch angetrunkener bin als ich gedacht habe. Nicht wirklich betrunken, aber schon so, dass ich mir nicht mehr so viele Gedanken mache. Als Harry fertig ist, tauschen wir Plätze und grinsen uns danach im Spiegel an, beide den selben, albernen Ausdruck im Gesicht.
„ALTER ICH MUSS PISSEN!", brüllt jemand durch die Tür und hämmert dagegen. Harry und ich müssen lachen und erlösen den Mann, indem wir die Tür aufschließen. Er sieht uns genervt an. „Hat man euch nicht beigebracht, dass man zum Ficken nicht ins Bad geht, wenn hier dreißig Leute stehen, die pissen müssen?"
Harry schnaubt nur kopfschüttelnd und zieht mich an der Hand aus dem Raum und durch den Flur. Ich spüre die Röte in meinem Gesicht. Wir sind kaum drei Stunden hier und es haben schon zwei Typen angedeutet, dass Harry und ich schwul wären. Plötzlich werde ich mir Harrys Hand in meiner überdeutlich bewusst. Ich stolpere hinter ihm her und befinde mich im nächsten Moment inmitten tanzender Körper.
„Siehst du Zayn irgendwo?", brüllt Harry mir im Versuch zu, gegen die Musik anzukommen. Er hält immer noch meine Hand, wahrscheinlich hätten wir uns sonst in dem Tumult schon verloren. Ich recke meinen Kopf und sehe mich suchend um.
„Nein."
Er ruft etwas und ich verstehe ihn nicht, deshalb kommt er näher und beugt sich zu meinem Ohr. „Die Musik ist grausam, oder?"
Ich nicke. „Also doch nicht tanzen?", frage ich hoffnungsvoll.
Er hebt eine Braue und macht dann etwas, das wie „Pff!" aussieht. Im nächsten Moment beginnt er sich zu bewegen. Völlig albern und ausgelassen wirft er seine Arme in die Luft, wodurch er beinahe einer Frau die Brille von der Nase schlägt, und wippt übertrieben entgegen dem Takt. Ich muss lachen und er grinst mich herausfordernd an. Dieser Junge kennt wirklich überhaupt keine Scham.
Na gut, denke ich. Ich kopiere seine fragwürdigen Tanzmoves nicht, sondern bewege mich so normal und unauffällig wie nur möglich.
Harry beugt sich zu mir, damit ich ihn verstehe. „Von wegen du kannst nicht tanzen."
Ich deute mit einer Kopfbewegung auf seinen zappelnden Körper. „Von wegen jeder kann tanzen."
„Hey!", ruft er empört und lacht. „Ich kann auch anders."
Ich runzele die Stirn. „Ich bezweifle es. Ich werde dich niemals mehr ernst nehmen können und immer wenn du feiern gehst, werde ich mir vorstellen, wie du genauso tanzt und damit versuchst, irgendwelche verrückten Typen zu verführen."
Harry lacht laut und schüttelt mit dem Kopf. „Fürs Verführen habe ich eine andere Taktik."
„Achja?"
Er grinst und ich grinse und merke erst viel zu spät, dass das gerade wie eine Einladung klang. Oder vielleicht weiß ich es schon, als ich es sage und will einfach testen, wie er reagiert, ob er reagiert. Er verlangsamt seine albernen Bewegungen und sieht mich an, das herausfordernde Grinsen jetzt gemischt mit einer Spur Unsicherheit. Schließlich geht er einen Schritt auf mich zu. „Ernsthaft?", fragt er.
Ich zucke mit den Schultern, weiß nicht wirklich, wonach er fragt oder was ich antworten soll. Er hebt seine Arme, hält inne, wahrscheinlich, um mir Zeit zu geben, ihn aufzuhalten, und legt sie dann doch sehr zielstrebig auf meine Hüfte. Er hebt fragend eine Braue und ich muss lachen. „Ich werd schon keinen Anfall kriegen", sage ich und er lächelt.
„Ich will dir bloß nicht zu nahe treten."
„Tust du nicht", sage ich. Zumindest glaube ich das. Ich muss daran denken, was er neulich gesagt hat, dass Händchenhalten für mich okay ist, und dass wir die anderen Sachen auch noch austesten könnten. Es war nur ein Witz von ihm aber irgendwie ist es gerade genau das und ich glaube, das weiß er auch. Aber jetzt gerade kann ich mich nicht darauf konzentrieren, was ich von der ganzen Sache halte, sondern bin davon abgelenkt, was Harry macht. Ihm ist eine Haarsträhne ins Gesicht gefallen und sein Blick auf meinem Gesicht ist intensiver als sonst. Ich habe keinen Zweifel mehr daran, dass er auf mich steht. Er sieht mich an, als wollte er etwas wie Ablehnung in meinem Gesicht finden und da ich jede Kontrolle über meine Mimik verloren habe, weiß ich nicht, was er findet, aber er rutscht etwas näher, bis unsere Körper sich berühren, immer noch im Takt der Musik langsam hin und her wippend.
Er schenkt mir ein Lächeln, das ich erwidere. „So etwa", meint er.
„Hm?"
„So verführe ich die Typen."
„Ah." Ich lache und er grinst, aber ich sehe ganz deutlich, was er will. Und das ist okay, denke ich. Es ist okay. Es ist okay. Es ist okay. Es ist nur, dass ich ...
Dass ich mich nicht darauf einlassen kann. Mit solchen Gedanken und allgemein mit Männern und deshalb ist es vielleicht nicht die allerbeste Idee, das hier zuzulassen. Vor allem, weil ich spüre, wie mein Körper reagiert. Harry drückt sein Becken ein Stück an mich und ich sehe an dem Flackern in seinen Augen, dass er mehr machen würde, wenn ich es zulasse. Ich muss schlucken. Ich kann es Harry nicht verübeln, schließlich waren meine Signale schon gerade ziemlich zweideutig, aber am Ende springt trotzdem für keinen von uns etwas dabei heraus, weil ich das einfach nicht kann.
Ich löse den Blickkontakt und versuche, die Hitze in meinem Körper loszuwerden, einen kühlen Kopf zu bekommen. Ich will wieder unschuldig mit Harry unter dem Tisch sitzen. Das hier ist nicht das, was ich will. Das hier ist, was Harry will, obwohl er so unerreichbar ist und genau das macht es noch schwerer für mich.
Ich lege meine Hand auf seine und löse sie vorsichtig von meiner Hüfte. Sofort hört Harry auf. „Alles okay?", fragt er.
„Ja ... Bloß ... Ich glaube, das reicht."
Er verzieht das Gesicht. „So schlimm?"
Ich kann ihn nicht ansehen und sehe stattdessen an ihm vorbei und jetzt, wo ich etwas Abstand gewonnen habe und darüber nachdenke, hoffe ich, dass uns niemand beobachtet hat. Das hier sind alles Gigis Freunde, also müssen auch Leute aus der Uni dabei sein. Frustriert fahre ich mir durch die Haare und merke, wie der Alkohol meine Unsicherheit nur noch stärker macht. „Tut mir leid", murmele ich, weil mir nichts besseres einfällt.
„Bei mir musst du dich nicht entschuldigen, mir kann es gleich sein ..."
Jetzt sehe ich ihn doch an und ziehe unwillkürlich die Brauen zusammen. Er ist es doch, der das hier will. „Dir ist es egal?", frage ich direkt.
„Ich freue mich für dich, wenn du besser damit klar kommst, aber es ist okay, wenn du noch nicht so weit bist."
Ich sehe ihn an und habe plötzlich überhaupt keine Lust mehr, darüber zu reden. Das ganze hier hat nichts damit zu tun, wie viel Körperkontakt mit einem Mann ich aushalte, ich wollte einfach nur testen, was ertun würde. Es geht hier nicht um mich, es geht um ihn. Es geht darum, dass er mich will. Warum tut er jetzt so, als würde es ihn gar nichts angehen? Warum gibt er es nicht einfach zu? Er benutzt mein Problem mit Körperkontakt als Vorwand dafür, warum das hier passiert und plötzlich kommt mir das alles wahnsinnig albern vor. „Ich werde niemals soweit sein", höre ich mich sagen. „Ich habe damit abgeschlossen. Es ist nichts, was sich verändert. Ich will einfach nicht." Die Worte sprudeln patziger aus mir heraus, als ich es geplant habe.
Harry blinzelt verwirrt. „Okay, tut mir leid, ich wollte nicht ..."
Ich sehe an ihm vorbei und versuche, meine Wut zu dämmen. Ich weiß ja nicht mal, worauf ich genau wütend bin. Wir sagen nichts, stehen uns einfach nur wortlos in der tanzenden Meute gegenüber. Ich kratze mir über meinen nackten Arm und seufze. „Da hinten steht dieser Typ", sage ich schließlich.
„Was?" Harry starrt mich an.
„Der Kerl, der dich vorhin angemacht hat."
Harry folgt meinem Blick und sieht dann wieder mich an. „Okay?"
„Vielleicht gefällt dem ja dein Tanz", sage ich und merke, dass ich keine wirkliche Kontrolle mehr über meine Worte habe. Ich starre in die Menge und kann deshalb auch nicht sagen, wie er reagiert. Aber er sagt nichts, und das ist gut, weil ich nicht mehr reden will. Ich seufze einmal tief und murmele „Ich gehe Zayn suchen", so leise, dass er es wahrscheinlich nicht versteht. Dann dränge ich mich an ihm vorbei in die Menge. Mein Körper fühlt sich ungewöhnlich heiß an.
Ich suche Zayn gefühlte Ewigkeiten. Mein Zeitgefühl ist verschwommen. Ich finde mich in der Küche wieder, dann im Bad, dann wieder auf der Tanzfläche. Schließlich entdecke ich Gigi, die an der Kloschlange steht. „Wo ist Zayn?", frage ich sie und sie dreht sich zu mir um.
„Hey. Bist du wieder besoffen?" Sie lächelt voller Mitleid und deutet neben sich, wo Zayn steht, einen Energiedrink in der Hand. Oh.
„Hey Mann." Er grinst, offensichtlich gut gelaunt.
„Ich glaube, ich gehe nachhause. Wollte nur Bescheid sagen."
„Warum? Wo ist Harry?"
„Keine Ahnung."
„Dann nimm ihn mit. Er hat weder Handy noch Schlüssel und ich bleibe sicher noch ein paar Stunden."
Ich spüre, wie meine Unsicherheit sich in Frustration umwandelt und seufze genervt. „Warum meint jeder, dass ich Harry irgendwo mit hinnehmen muss?", fahre ich ihn an.
Zayn hebt die Brauen. „Vielleicht solltest du dich oben in eines der Betten legen und erstmal deinen Rausch ausschlafen."
„Ich gehe nachhause, Zayn."
„Aber Harry –"
„Harry ist kein Baby mehr. Er findet schon irgendeinen Kerl, bei dem er pennen kann."
„Sag mal, warum bist du so scheiße drauf?"
Ich antworte nicht, schnaufe nur und wende mich ab. Ich dränge mich an den Menschen vorbei, auf direktem Weg nach draußen. Die kalte Nacht drückt mir entgegen. Mein Körper ist vor Wut angespannt. Ein Teil von mir will zurückgehen und sich bei Harry entschuldigen, ein anderer Teil will so weit weg wie möglich. Ich bin nicht betrunken genug, um mir einzureden, dass ich auf Harry und nicht auf mich selbst wütend bin, und gerade deshalb komme ich mir so kindisch und albern vor.
Ich laufe die Treppen der Veranda herunter und schlage den Weg in Richtung Stadt ein. Ich will zu Fuß gehen, auch wenn das die ganze Nacht dauert, will meinen Kopf frei kriegen oder mir vielleicht an irgendeinem Kiosk noch ein Bier kaufen. Noch viel lieber würde ich einfach wieder zurückgehen, aber ich komme mir ohnehin schon dämlich genug vor. Morgen früh entschuldige ich mich, ganz bestimmt.
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you are a home that I want to grow up in
FanfictionLouis' Leben stellt sich auf den Kopf, als unerwartet ein fremder Junge in seinem Zimmer einzieht und sich ab jetzt ein Bett mit ihm teilen soll. Dass Louis Jungs eigentlich mag, aber niemals etwas mit ihnen anfangen würde, erleichtert die Sache nic...