28.

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Je mehr Tage vergehen, desto unsicherer bin ich mir, worauf ich eigentlich warte. Werde ich merken, wenn es Zeit ist, in die Wohnung zurückzukehren? Bleibe ich hier, bis es mir ausdrücklich erlaubt wird? Bis sich jemand bei mir meldet?

Als ich am Tag nach dem Telefonat mit meiner Mutter vom Frühstück wieder das dunkle Hostel betrete, und mich an einem französischen Paar vorbeidrängele, um im Treppenhaus zu verschwinden, ruft mich eine Stimme zurück. „Louis? Herr Tomlinson?"

Ich drehe mich zur Rezeption um. Die Frau vom ersten Tag, Harrys Bekannte, lächelt mir entgegen und schiebt ihre Brille von der Nase, um sie sich auf die Haare zu setzen. Ich hebe fragend die Brauen und sie macht mir deutlich, dass sie mir etwas sagen will, also drängele ich mich ein zweites Mal an dem Paar vorbei und trete an die Rezeption.

„Hey", sagt sie. „Ich habe hier gestern etwas unter dem Tresen gefunden, was dich interessieren dürfte." Sie hält ein kleines Stück Papier zwischen Daumen und Zeigefinger. „Es muss von einer Kollegin kommen und runtergefallen sein."

Ich runzele die Stirn. Auf dem Papier ist etwas mit blauem Kugelschreiber gekritzelt, das ich von hier unmöglich erkennen kann. „Was ist das?"

„Eine Nachricht an dich. Hier steht, dass Harry mehrmals angerufen hat, und dich sprechen wollte. Leider hat er keine Rückrufnummer durchgegeben ..."

Ich spüre, wie mein Inneres sich vor Erleichterung entspannt und ein Stück der Hilflosigkeit von mir fällt, die mich seit Tagen belagert. Ich kann nicht anders als sie anzulächeln. „Oh", sage ich. „Ja, er hat kein Handy. Wahrscheinlich hat er von einer Telefonzelle angerufen, oder so."

„Dann wird er es sicher bald nochmal versuchen." Sie mustert mich und scheint ganz offensichtlich viele Fragen zu haben. Aber sie stellt sie nicht, und das rechne ich ihr hoch an. Allein die Tatsache, dass ich mit Harry zusammenwohne, aber gerade scheinbar grundlos in einem Hostel übernachte, muss sie wundern. Und dass ich mich jetzt so über seinen Anruf freue – wenn man die Umstände nicht kennt, muss es so wirken, als hätte Harry mich rausgeworfen.

„Sag mir bitte Bescheid, wenn er nochmal anruft. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit."

„Klar, mache ich."

Obwohl ich gestern mehr geschafft habe, als im ganzen letzten Jahr, wünschte ich, das Hostel nie verlassen zu haben. Wenn ich hier geblieben wäre, hätte man mich früher über die Anrufe informiert. Ich hätte schon längst mit Harry reden können. Wer weiß, wann er angerufen hat. Wenn der Zettel unter dem Tresen lag, hätte das schon vor Tagen gewesen sein können ... Ich will gerade gehen, bis mir noch etwas einfällt. „Oh, kannst du ihm meine Handynummer durchgeben, falls ich nicht da bin, wenn er anruft?"

Ihr Blick sagt: Warum hat dein eigener Freund deine Handynummer nicht?, aber sie fragt nicht nach. Sie reicht mir nur einen Stift und Zettel und ich notiere meine Nummer.

„Und falls du gerade nicht arbeitest, wenn er anruft–"

„Dann sage ich vorher meinen Kollegen Bescheid, dass sie darauf achten sollen." Sie lacht. „Keine Sorge, Louis. Ich hänge hier einen Zettel für alle hin, dass sie, falls Harry nochmal anruft, dich eigenhändig aus deinem Zimmer zerren, und falls du nicht da bist, ihm deine Nummer geben sollen. Er wird dich schon erreichen, dafür sorgen wir." Sie zwinkert mir zu und ich spüre, dass sie sich über mich lustig macht. Ich werde rot.

„Danke", sage ich. „Ich will ihn nur nicht wieder verpassen."

„Wirst du nicht!", versichert sie mir.

Ich nicke und danke ihr nochmal, bevor ich mich auf den Weg in mein Zimmer mache. So sehr ich mich auch ärgere, Harry verpasst zu haben, freue ich mich auch wahnsinnig, dass er angerufen hat. Keine Ahnung, was ich gedacht hab, aber dass er sich in den letzten fünf Tagen nicht bei mir gemeldet hat, hat mich schon beunruhigt. Auch wenn ich die Zeit allein definitiv gebraucht habe. Ich will mit ihm reden. Ihm erzählen, dass ich jetzt offiziell kein Student mehr bin. Ihm zeigen, dass ich mich bessern kann.

Unruhig laufe ich im Zimmer herum und suche nach etwas zu tun. Ich rufe Zayn noch ein paar Mal an, mittlerweile ich es wie ein Ritual geworden, aber er ignoriert mich nach wie vor. Schließlich krame ich den mittlerweile ziemlich stark geplünderten Sack mit Geld von unter dem Bett hervor und beginne, es zu zählen. Wenn ich die letzten Nächte für das Zimmer abziehe, habe ich nicht mehr viel übrig. Vielleicht reicht es noch für zwei Nächte, aber auch nur, wenn ich es schaffe, pro Tag unter 5£ für Essen auszugeben.

Es wird dreizehn Uhr. Dann vierzehn. Harry lässt sich Zeit. Ich weiß nichts, mit mir anzufangen, stehe immer wieder auf und lege mich dann doch wieder hin. Ich surfe im Internet, scrolle durch alle möglichen sozialen Medien, um mich abzulenken. Ich spiele immer wieder mit dem Gedanken, runterzugehen, und zu fragen, ob er schon angerufen hat. Aber das ist Unsinn. Sie würde mir Bescheid sagen. Die Unfähigkeit, irgendetwas zu tun oder irgendwo hinzugehen, ist nervenauftreibend. Es wird fünfzehn Uhr. Sechzehn. Schließlich liege ich einfach nur so da und döse ein.

Ich liege auf dem Bauch im Bett, den Kopf seitlich im Kissen vergraben, als mich endlich ein Geräusch aus meinem leichten Schlaf reißt. Schritte. Sie sind erst leise und ich glaube, mich zu irren, aber dann höre ich eine weibliche Stimme und bin mir ganz sicher, dass die Treppe zu meinem Zimmer quietscht. Sofort stehe ich auf. Sie redet und scheint vor meiner Tür stehen zu bleiben und redet immer noch und als ich voller Ungeduld die Tür öffne, steht sie seelenruhig in der Türschwelle, ein Telefon am Ohr, und sieht kaum überrascht aus, mich zu sehen.

„... der Chef immer noch genauso drauf. Ich glaub, dem wäre alles scheißegal, selbst wenn wir den Laden in den Bankrott treiben. Kümmert den nicht. Manchmal glaub ich, der besitzt den Laden hier nur, um Geld zu verlieren. Wie heißt das, was die Drogendealer machen? Geldwäsche? Ja, genau ..." Sie lacht über etwas, das Harry am anderen Ende der Leitung sagt. Ihre Augen huschen immer wieder über mein Gesicht, und auf meinen fragenden Blick nickt sie nur. Ich beobachte sie geschlagene zwei Minuten beim Telefonieren, bis sie endlich Erbarmen hat. „Übrigens dreht dein Freund glaube ich durch, wenn ich ihn nicht gleich ans Telefon lasse. Er guckt mich schon so an." Sie zwinkert mir zu. „Okay, Harry. Lass dich bald mal wieder blicken, ja? Wir vermissen dich. Ich geb ihn dir jetzt. Ja, ich dich auch. Okay, ciao."

Sie legt das Telefon in meine erwartenden Hände und ich flüstere ein Danke. Sie schenkt mir noch ein Lächeln, bevor wir die Tür zwischen uns schließen. Aufregung und Freude breiten sich in mir aus, als ich endlich das Telefon an mein Ohr lege und mich an die geschlossene Tür lehne.

Ich höre es am anderen Ende der Leitung knistern. Ich warte einige Sekunden, bis ich es wage, zu sprechen. Ich räuspere mich. „Hi", sage ich erwartungsvoll.

„Hey Louis", kommt es gut gelaunt zurück und das Vertraute in Harrys tiefer Stimme erfüllt mich mit so viel Glück, dass ich breit grinsen muss. Erst jetzt merke ich, wie schnell man sich an einen Menschen gewöhnen kann. Vor allem, wenn man sich monatelang mit ihm ein Zimmer teilt. Es fühlt sich an, als hätte ich seine Stimme seit Wochen nicht gehört.

„Wie geht es dir?", frage ich mit belegter Stimme.

„Ganz gut. Die Sonne scheint", sagt er, als würde das irgendetwas beantworten.

Ich lache. „Tut sie das?"

„Ja, und wie! Sag nicht, du hockst die ganze Zeit im Zimmer und wartest auf meinen Anruf. Ein Vögelchen hat mir nämlich sowas in der Art zugezwitschert. Wie geht es dir, Louis?"

„Gut", bringe ich heraus. „Sehr gut." So viel liegt mir auf der Zunge. Ich habe mein Studium abgebrochen. Aber ich will es ihm lieber persönlich sagen. Stattdessen sage ich: „Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken" und nachdem wir sein Befinden und mein Befinden geklärt haben, füge ich hinzu: „Wie geht es Zayn?"

„Keine Ahnung." Harry schnaubt. „Ich habe mittlerweile das Gefühl, überhaupt keine Mitbewohner mehr zu haben. Du bist weg, und Zayn ... ist so gut wie nie da. Und wenn er da ist, dann nicht allein."

Ich runzele die Stirn. „Was soll das heißen?"

„Ich höre die ganze Zeit Frauenstimmen aus seinem Zimmer."

Für einen Moment bin ich sprachlos. Ich hätte darauf wetten können, dass Zayn den ganzen Tag allein in seinem Zimmer verbringt und wütenden Rap hört, mich verflucht, mit Groll meine Anrufe wegdrückt und sich vielleicht ab und zu betrinkt. Aber definitiv nicht, dass er Frauen in unsere Wohnung einlädt. „Weißt du, wer es ist?"

„Ich bin mir nicht sicher."

„Gigi?"

Harry lacht. „Keine Ahnung, Louis."

Ich verdrehe gespielt genervt die Augen. „Du bist eine miserable Tratschtante. Von wo rufst du an?"

„Von einer Telefonzelle neben unserer Wohnung."

Ich grinse. „So altmodisch."

Er schnaubt. „Hätte ich nicht anrufen sollen?"

„Doch." Mein Grinsen wird zu einem Lächeln. „Ich will dich sehen."

„Kommst du zurück?"

„Ich weiß nicht. Darf ich?"

Während Harry auf seine Antwort warten lässt, gehe ich durch das Zimmer und setze mich an den Tisch. Ich werfe einen Blick auf meine Sachen. Fast alles, was ich hier habe, befindet sich in meinem Rucksack. Ich könnte jetzt sofort abreisen. In die nächste U-Bahn steigen. Ich könnte in einer halben Stunde da sein. Harry holt Luft. „Ich kann nicht einschätzen, was Zayn denkt. Er hat kaum mit mir geredet. Aber wie gesagt, ich glaube nicht, dass er dich rausschmeißen würde. Das passt nicht zu ihm. Hast du dich nochmal bei ihm entschuldigt?"

„Ich rufe ihn so etwa dreißig Mal am Tag an, aber er geht nicht ran."

„Oh." Harry räuspert sich. Ich stelle ihn mir vor, wie er in der engen Telefonzelle steht und grübelt. Wieder lässt er auf seine Antwort warten. Es ist, als würde er mir am liebsten jetzt sofort am Telefon eine Lösung auf all meine Probleme liefern. Aber das kann er nicht, natürlich nicht. „Ich kann das nicht für dich entscheiden, Louis. Ich würde mich freuen, wenn du wiederkommst. Aber ich will mich nicht zwischen Zayn und dich stellen."

„Das sollst du auch nicht." Und das soll er wirklich nicht. Wir wird jetzt erst klar, dass ich insgeheim schon auf Harrys Anruf gehofft hatte, weil ich wollte, dass er mir sagt, wann ich zurückkommen kann. Aber es stimmt, dass er das nicht kann. Er hat überhaupt nichts damit zu tun. Zayn ist der einzige, der mir die Entscheidung abnehmen kann. Und da er sich weigert, muss ich wohl oder übel selbst die Lage einschätzen. „Okay", sage ich, laut überlegend. „Ich will nicht einfach so bei euch reinschneien und ihn damit konfrontieren, dass ich wieder da bin. Ich will nichts ohne seine Einwilligung bestimmen." Ich räuspere mich. Ich überlege. Nach einer Weile sage ich: „Ich komme heute Abend vorbei. Nicht, um zu bleiben, sondern um mit Zayn zu reden."

„Okay", sagt Harry. „Das klingt nach einem Plan."

Wir reden noch etwa zehn Minuten. Harry will wissen, was ich die letzten Tage gemacht habe und ich erzähle es ihm detailgetreu. Ich gebe ihm meine Handynummer, damit er im Notfall nicht wieder im Hostel anrufen muss. Schließlich klopft es an meine Tür und mir wird klar, dass ich das Telefon nicht ewig in Anspruch nehmen und die Leitung blockieren kann. „Ich muss Schluss machen, Harry."

„Drängelt Suzanna?" Ich öffne meine Zimmertür und die Frau von unten lehnt genau wie eben im Türrahmen und sieht mich mit gehobenen Brauen an.

„Ja", sage ich und grinse. „Sie drängelt."

Suzanna schnaubt und ich nuschele Harry ein „Bis nachher" zu, woraufhin er ein „Ich freue mich auf dich" erwidert. Wir legen auf. Dann gebe ich Suzanna das Telefon zurück.

„Danke", sage ich. „Wirklich."

„Jederzeit", sagt sie nur und geht wieder runter um ihre Arbeit fortzusetzen. Ich schließe die Tür und werfe mich auf das Bett. Mein Ohr glüht noch von dem Telefonat. Ich starre gegen die Decke. Es macht keinen Sinn, noch mehr Tage zu warten. Ich muss es wenigstens versuchen. Mit einem Seufzen drehe ich mich auf die Seite und schließe die Augen. Ich liege eine Weile so herum, bis mir plötzlich einfällt, was ich die ganze Zeit vergessen habe.

Harrys Vater. Wir hatten uns vorgenommen, ihn am Donnerstag zusammen anzurufen. Donnerstag ist schon längst vorbei und ich habe es ab der Sekunde vergessen, als Zayn vor der Uni meine Lügen entlarvt hat. Es scheint jetzt ewig her zu sein, aber so wie ich Harry kenne, wird er die Sache nicht aufgeschoben haben. Er wird ihn angerufen haben und ich Idiot frage ihn nicht mal danach. Soviel zum Thema, ich werde jetzt ein besserer Freund.

Ich will ihn nochmal anrufen und nachfragen, aber er steht bestimmt nicht mehr in der Telefonzelle. Es muss bis heute Abend warten. Ich verdränge das schlechte Gewissen und fische mein Handy hervor, rufe Zayn mal wieder an mit der gewohnten Reaktion. Dann schreibe ich ihm eine Nachricht.

Komme nachher vorbei zum reden. So um 20 Uhr. Hoffe, du bist dann da.

Ich schicke die Nachricht ab. Er soll sich wenigstens darauf einstellen können. Und bis dahin habe ich noch genug Zeit, mir zu überlegen, wie ich meinen Arsch retten kann. Ich seufze wieder und rolle mich zusammen. Ich will einfach alles so schnell wie möglich hinter mich bringen. Ich will, dass alles wieder normal ist. Eine zweite Chance. Und diesmal will ich alles besser machen.


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Obwohl die Aussicht besteht, dass ich das Geld für eine weitere Nacht nicht brauchen werde, wage ich es nicht, mehr als nötig auszugeben. Ich kaufe mir ein paar Sandwiches und eine kleine Suppe beim Imbiss nebenan, weil es mittlerweile kälter geworden ist und ich etwas Warmes gut vertragen kann. Ich esse beides wie automatisch auf einem Barhocker am Fenster. Ich schmecke kaum etwas. Danach gehe ich ins Hostel zurück. Ich dusche warm und lange und wasche mich gründlich.

Es ist neunzehn Uhr, als ich beginne, die zwei kleinen Zimmer nach persönlichen Gegenständen abzusuchen und alles einzupacken. Mein Rucksack ist jetzt viel leichter als an dem Tag, an dem ich gekommen bin, weil die meisten Münzen weg sind. Ich verbringe noch einige Minuten damit, das Zimmer so herzurichten, als habe ich nie hier drin gewohnt. Ich sehe nicht einmal zurück, als ich gehe. Es kann gut sein, dass ich nachher wiederkomme. Aber es muss nicht. Unten an der Rezeption zahle ich für die letzten Nächte.

„Du gehst?", fragt Suzanna überrascht.

„Vielleicht", sage ich vage. „Ich muss das heute Abend klären. Wenn alles gut läuft, siehst du mich nie wieder."

Sie grinst. „Okay?" Ich muss zugeben, dass das alles für sie unglaublich seltsam klingt. Als ich mir vorstelle, was wahrscheinlich durch ihren Kopf geht, muss ich lachen.

„Harry hat damit nichts zu tun, falls du das denkst. Es ist nicht so, dass wir uns gestritten haben und er mich rausgeworfen hat und jetzt überlegt, mich wieder reinzulassen, wenn ich mich benehme, oder so", informiere ich sie deshalb, obwohl sie immer noch nicht gefragt hat. „Es ist ein bisschen komplizierter. Wir haben noch einen Mitbewohner. Ein guter Freund. Ich hab's verbockt und ihn wütend gemacht, und jetzt will ich es wieder gerade biegen."

Suzanna sieht überrascht aus, dass ihre unausgesprochenen Fragen doch noch beantwortet werden, aber auch froh darüber. „Okay. Dann wünsche ich dir viel Glück, Louis, dass dein Freund dir verzeiht." Sie lächelt. Bevor ich gehe, kommt sie hinter ihrem Tresen hervor und umarmt mich. Ich grinse gegen ihre Haare. „Grüß Harry von mir. Und pass gut auf ihn auf."

„Versprochen." Ich muss lachen, als sie mich nochmal drückt. Harry hat sehr nette Freunde und es beruhigt mich zu wissen, dass er damals in einer so turbulenten Zeit Menschen um sich hatte, denen er nicht egal war.

Wir verabschieden uns und ich winke noch einmal, bevor ich das Hostel verlasse. Dann mache ich mich auf den Weg durch die Dämmerung zu einer Wohnung, in der ich meinen Platz wiederfinden möchte.

Ich fahre einen Umweg, um nicht zu früh zu sein. In der U-Bahn klingelt plötzlich mein Handy. Ich will dran gehen, aber in dem Moment sinken die Netz-Balken und der Anruf stirbt ab. Ich runzele die Stirn. Es war eine Nummer, die ich nicht kenne. Unter der Erdoberfläche ist es sinnlos, zurückzurufen, also warte ich, bis ich wieder oben bin. Ich versuche es mehrmals, aber niemand geht dran. Stattdessen bekomme ich nach und nach immer mehr Meldungen, dass irgendjemand mehrmals versucht hat, mich zu erreichen, während ich in der U-Bahn war. Ich versuche immer wieder die Nummer zu wählen, den gesamten Nachhauseweg über. Nichts tut sich.

Als ich schließlich um kurz vor acht unsere Straße erreiche, gebe ich es auf. Ich schiebe mein Handy zurück in meine Jackentasche und hole tief Luft. Mein Herz klopft ungewöhnlich schnell. Ich weiß nicht, was ich erwarte, aber ich will es jetzt gleich hinter mich bringen. Ich will nicht erst Zeit mit Harry verbringen, so sehr ich ihn auch vermisse. Ich will das mit Zayn jetzt klären, solange ich dazu die nötige Kraft habe. Zayn weiß, dass ich auf dem Weg bin. Meine Nachricht ist auf jeden Fall bei ihm angekommen. Selbst wenn er gerade Besuch hat, werde ich ihn sicher für ein paar Minuten ausleihen können.

Ich höre ein seltsames, dumpfes Geräusch als ich mich dem Haus nähere. Erst als ich vor der Tür stehe, kann ich es identifizieren. Einer unserer Nachbarn scheint eine Party zu feiern und den Bass weit aufgedreht zu haben. Ich will meinen Schlüssel hervorholen, bis mir einfällt, dass ich ihn Harry gegeben habe. Also klingele ich. Ich warte unruhig. Ein Windstoß drückt gegen mich und als ich zurück in den Himmel sehe, erkenne ich trotz der Dämmerung dunkle Gewitterwolken. Wieder kommt ein Windstoß, als wollte er mich von der Tür wegzerren. Stur klingele ich wieder und wieder und erst als ich mich gegen die Tür lehne, merke ich, dass sie die ganze Zeit ein Stück geöffnet war. Verwundert gehe ich rein. Hier ist die Musik deutlich lauter. Ich gehe die Treppen hoch und ziehe meine Jacke enger. Die Musik schwingt in meinen Ohren, als ich vor unserer Tür stehe. Es wirkt fast so, als würde die Musik ... ich runzele die Stirn und versichere mich am Klingelschild, dass das wirklich unsere Tür ist. Hat Zayn so verdammt laut Musik angemacht, um mein Klingeln nicht zu hören? Ich lache humorlos. Was soll das? In der ganzen Zeit, in der wir zusammen sind, haben wir nie eine Party veranstaltet, warum sollte – ?

Verwirrt klingele ich wieder. Es ist ein unwirklicher Moment. Von der stillen Einsamkeit der letzten Tage komme ich zu meinem Zuhause zurück, und es empfängt mich mit ohrenbetäubendem Lärm. Ich klingele wieder. Ich klopfe. Ich schlage meine Fäuste gegen die Tür. Ich rufe. Endlich geht die Tür auf. Vor mir steht ein fremder, blonder Typ, der aussieht, als wäre er einem Modemagazin entsprungen. Er streicht seine langen Haare zurück und grinst mich schief an. „Hey, komm rein." Als er die Tür weiter öffnet, erkenne ich den Ernst der Lage. Die Wohnung, die ich einmal meine genannt habe, ist mit Menschen vollgestopft. Sie drängen sich aneinander. Sie tanzen. Das Licht flackert bedrohlich und wieder sehe ich auf die Klingel, um noch einmal zu checken, dass das hier wirklich die richtige Tür ist. Alles in mir sträubt sich da reinzugehen. Aber irgendwo dadrin ist Harry. Und irgendwo dadrin ist Zayn. Also betrete ich die Wohnung und schließe die Tür hinter mir.

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