„Louis. Louis."
Ich zucke zusammen, als etwas vor mir auf den Tisch knallt. „Was?", rufe ich etwas zu laut.
„Hast du nicht geschlafen?" Zayn steht vor mir. Er trägt ein weißes T-Shirt und die Art von Jogginghose, die gerade so an der Grenze zwischen lässig und gammelig steht, dass ich für ein paar Sekunden überlege, ob er damit rausgehen will oder darin geschlafen hat.
Als ich mich dafür entschieden habe, dass mir das im Grunde egal ist, gähne ich in mein Müsli. „Kaum", sage ich. Ich sehe auf den Plastikbecher, den Zayn eben so schwungvoll vor mir auf den Tisch gestellt hat, und beobachte, wie er ihn mit Kaffee füllt und dann einen Deckel darauf befestigt. Kurz wirft er mir einen Blick zu, der deutlich macht, dass er liebend gern einen Kommentar loswerden würde wie Hat Harry dich zu lange wach gehalten?, aber anscheinend hat er genauso wenig Lust wie ich, heute mit mir zu diskutieren. Nach unserer Auseinandersetzung gestern ist er scheinbar vorsichtiger. Obwohl ich es bin, der vorsichtiger sein muss. Ich muss mir irgendetwas ausdenken, um Zayn zu besänftigen. Und wenn ich zwei Stunden auf dem Sofa sitze und demonstrativ in irgendein wahlloses Unibuch starre.
Jetzt schweigt Zayn und die daraus resultierende Stille überbrücken wir, indem ich weiter mein Müsli kaue und er sich ein Brot schmiert und ich bin froh darüber, weil ich wirklich verdammt müde bin.
Es ist nicht so, als hätte ich gestern nicht einschlafen können. Im Gegenteil. Harrys Aktion hat mich sehr schnell in einen sehr guten Schlaf versetzt. Aber trotzdem bin ich um kurz nach fünf wieder wach gewesen. Ich bin mir nicht sicher, was genau daran Schuld ist: die Stimme in meinem Kopf, die mich daran erinnern will, dass ich verdammt nochmal nicht schlafen sondern meinen Kram erledigen soll, oder die Gedanken an Harry und ... seinen Mund. Was er mit seinem Mund gemacht hat, das war ...
Ich spüre, wie meine Gedanken sehr schnell in die Richtung abrutschen, und weil ich nicht will, dass das hier unter Aufsicht in der Küche passiert, blinzele ich und sehe wieder auf. Zayn packt sein Brot jetzt in Alufolie und verstaut alles in seinem Rucksack. Ich sehe auf die Uhr. Die ersten Vorlesungen beginnen bald. Die Bahn müsste in etwa zwanzig Minuten kommen. Jetzt wo ich eh schon wach bin, könnte ich eigentlich auch gleich dafür Sorgen, dass Zayn mir nicht wegen dem Lernen im Nacken sitzt ...
„Wartest du noch kurz? Ich komme mit", entscheide ich kurzerhand, schiebe mir den letzten Löffel in den Mund, bevor ich die Schüssel neben die Spüle lege, wo sie sich zwar nicht von alleine abwaschen wird, aber mit Sicherheit ein paar Stunden auf mich wartet.
„Seit wann hast du so früh Vorlesungen?"
„Hab ich nicht." Ich wische mir mit dem Handrücken Krümel vom Mund und trinke den letzten Schluck von meinem Kaffee. „Ich bin zum lernen verabredet", rutscht es aus meinem Mund, so überzeugend, dass ich es selbst glauben würde. „Mit ein paar Jungs."
„Oh." Zayn hebt die Brauen. „Cool. Für welchen Kurs?"
Ich nenne den erstbesten Kurs, der mir einfällt. Dann füge ich ein paar Details hinzu, um es glaubwürdiger zu machen. Es sprudelt ganz automatisch aus mir heraus. „Dieser große Blonde ist dabei, den kennst du auch. Jakob oder so, du weißt schon."
„Mhm." Zayn scheinen die Details nicht weiter zu interessieren. Aber er glaubt mir und damit wird er zumindest vorerst besänftigt sein. Trotzdem verspüre ich nicht das kleinste bisschen Freude. „Cool." Er grinst. „Dann mach dich mal fertig, du Streber."
Ich gehe zurück ins Schlafzimmer, leise, damit Harry nicht aufwacht. Gerade als ich ein Notizbuch in meinen Rucksack schiebe (nicht, dass ich es brauchen würde), höre ich ein Brummen aus seiner Richtung. Erst denke ich, dass er im Schlaf Geräusche macht, aber dann kann ich aus seinem Genuschel doch Worte heraushören. „... wieder ins Bett."
Ich muss grinsen und drehe mich zu ihm um. Harry hat die Beine um unsere Decke geschlungen. Die zweite Decke, die wir nicht benutzen, liegt zusammengeknüllt am Fußende. Sein Gesicht ist halb im Kissen versteckt, seine Locken fallen in seine Stirn und er sieht mich mit einem Auge schlaftrunken an. „Ich würde gern", sage ich leise, gehe auf ihn zu uns setze mich an die Bettkante, um ihm eine Strähne aus der Stirn zu streichen.
Er brummt wieder etwas und greift in meinen Nacken, um mich an sich zu ziehen. Ich spüre das Kribbeln in der unteren Magengegend, als er mich küsst. Seine Lippen sind warm, die Bewegung langsam und der Drang, wieder zu ihm ins Bett zu klettern, kaum auszuhalten.
Wir küssen uns sanft, aber mit offenen Mündern, so lange, bis Harry einen unruhigen, frustrierten Ton von sich gibt, und Anstalten macht, sein Bein um meine Hüfte zu legen und mich auf sich zu ziehen. Ich muss lachen und greife nach seinem Oberschenkel, um ihn zurück auf die Matratze zu drücken. „Ich muss los."
Er seufzt. „Wohin?"
„In die Uni."
„Wann bist du wieder da?"
„So in einer Stunde. Wartest du auf mich?"
Er nickt und jetzt liegt ein Grinsen auf seinen Lippen. Er hebt seinen Oberkörper, um mich nochmal zu küssen und meine Hand liegt noch immer auf seinem Bein. Erst als ich sie ein Stück seinen Oberschenkel hochschiebe, fällt mir wieder ein, dass er nackt ist und bloß von der Bettdecke verdeckt wird. Ich weiß nicht, ob die Sache gestern Nacht mich übersensibel gemacht hat, aber mein Körper reagiert und ich löse mich endgültig von ihm, weil ich Angst habe, sonst nicht loszukommen.
„Eine Stunde", flüstere ich. „Geh ja nicht weg." Er lächelt und ich küsse ihn ein allerletztes Mal, bevor ich aufstehe und mich beeile, damit Zayn nicht länger warten muss.
///
„Ihre Freundinnen haben mich gestern schon wieder so angeguckt. Das ist, als würden die alle etwas wissen, das ich nicht weiß und hinter meinem Rücken darüber tuscheln. Ich wette, sie hat irgendeinen Mist über mich erzählt. Dass ich scheiße küsse, oder so. Gott, ich hasse Mädchen. Louis? Hörst du mir zu?"
Ich blinzele. „Ja", sage ich schnell. „Äh, von wem redest du?"
Er zieht die Brauen zusammen. „Rate mal."
Ich versuche zu denken, aber das einzige, was in meinem Kopf auftaucht, ist Harry, der im Bett auf mich wartet. Erst nach ein paar Sekunden Tagträumerei, fällt mir wieder ein, dass Zayn auf eine Antwort wartet. Das Problem ist bloß, dass ich ihm von Anfang an nicht zugehört hab. „Sorry, ich bin ... echt müde."
„Was ist heute los mit dir? Und warum grinst du so dämlich durch die Gegend?"
„Was?" Ich fasse mir an den Mund, als könnte ich daran meinen Ausdruck abtasten.
Zayn schnaubt und schüttelt den Kopf. „Wir müssen gleich aussteigen, du Träumer. Hey guck mal, ich glaube da hinten ist dieser Jakob, mit dem du verabredet bist."
Ich folge Zayns Blick und sehe den großen, blonden Jungen an der anderen Tür der U-Bahn stehen. „Oh", sage ich. Ausgerechnet – Die Bahn hält, es piept, und die Türen gehen auf. Wir gehen durch das Gedrängel. Ich bin plötzlich angespannt, obwohl es dafür eigentlich gar keinen Grund gibt. Als ich mich umdrehe und sehe, dass dieser Jakob jetzt direkt hinter Zayn ist, überkommt mich ein Schauder und ich sehe schnell wieder geradeaus. Es war verdammt dumm, einen Menschen den wir beide kennen, zu meiner Lüge hinzuzudichten. Aber andererseits, was soll schon passieren? Zayn wird nicht ausgerechnet heute meinen, ein sozialer Mensch sein zu müssen, und mit ihm ein Gespräch anfangen. Und selbst wenn, er wird ihn wohl nicht direkt fragen: Hey, stimmt es eigentlich, dass du heute mit Louis zum Lernen verabredet bist?
Trotzdem bin ich nervös und halte den Kopf gesenkt. Etwa zehn Meter vor dem Unigebäude, überholt Jakob schließlich und rauscht an mir vorbei. Erleichtert stoße ich die Luft aus, die ich angehalten habe.
„Ganz schön unfreundlich, dafür, dass ihr verabredet seid", murmelt Zayn.
„Wahrscheinlich hat er mich nicht gesehen."
Wir laufen zusammen zum Hauptgebäude und bleiben vor Zayns Vorlesungssaal stehen. Dort verabschieden wir uns und ich sehe auf mein Handy, bloß um etwas länger als nötig vor der Tür stehen bleiben zu können und sicher zu gehen, dass Zayn sich hinsetzt und nicht auf die Idee kommt, gleich wieder rauszukommen. Dann gehe ich die Treppen hoch, setze mich auf einen Stuhl neben einem Getränkeautomaten und atme erleichtert aus. Es war wirklich dumm, Zayn einen Namen zu nennen. Jakob hätte bei ihm in der Vorlesung sitzen können, oder so. Dafür, dass ich angeblich ein super Lügner bin, war das echt eine Niete.
Während ich sitze und warte, beruhige ich mich langsam wieder. Noch ein paar Minuten will ich hier bleiben, bis ich ganz sicher bin, dass Zayn nicht wieder kommt und dann kann ich zurück nachhause zu Harry. Harry, der sich wahrscheinlich immer noch im Bett räkelt. Vielleicht ist er wieder eingeschlafen. Ich muss unwillkürlich grinsen.
Ich denke immer noch an ihn, als ich fünf Minuten später die Treppe wieder runtergehe. Der Gang ist jetzt leer und die Türen geschlossen. Ich mache meine Weg durch das Gebäude, ziehe meinen Rucksack etwas enger und trete raus. In den letzten Minuten hat sich der Himmel etwas erhellt. Es ist ein warmer Tag, dafür dass wir Herbst haben und es noch so früh ist. In der Raucherecke sehe ich Jakob mit ein paar Leuten stehen, aber diesmal verunsichert es mich nicht, weil ich jetzt nichts mehr zu befürchten habe. Er hebt kurz zum Gruß die Hand, als er mich sieht und ich nicke ihm zu und gehe weiter. Danach passiert alles ganz schnell. Hinter mir höre ich eine Gruppe Menschen, die sich nähert. Ein paar Mädchen laufen an mir vorbei und ich höre ihre Stimmen in mein Ohr dringen. Sie beschweren sich über irgendwas. „... hätte auch mal eine Mail schreiben können, dass es ausfällt."
Ich gehe weiter, den Blick starr auf den Boden gerichtet. Ich ziehe meine Schultern etwas an. Die Paranoia schleicht sich wieder in mir hoch und ich beginne, auf mich einzureden, um ruhig zu bleiben. Sei nicht albern, Louis. Hier finden zig Vorlesungen gleichzeitig statt, niemand sagt, dass es ausgerechnet die von Zayn ist, die ausfällt. Niemand sagt, dass er gerade hinter dir steht oder gleich auf dich zuläuft, oder –
„Louis?" Mein Herz setzt ein paar Schläge aus. Ich gehe unbeirrt weiter und tue so, als hätte ich die Stimme nicht gehört. Ich höre Schritte hinter mir und spüre den starken Impuls, loszurennen, ein natürlich Fluchtinstinkt, aber das könnte ich noch weniger erklären. „Hey, bist du taub?"
Ich kann nicht anders. Ich muss stehen bleiben. Zayn erreicht mich und legt mir eine Hand auf die Schulter. „Hi", sage ich, mein Herz hämmert und ich versuche zu grinsen, was sich mehr so anfühlt, als würde ich eine Grimasse ziehen. „Ist dein Kurs ausgefallen?"
„Jap." Er seufzt. „Der Kerl hätte ruhig mal ne Mail schreiben können, dann hätte ich länger geschlafen."
„Wusste gestern vielleicht noch nicht, dass er heute krank ist."
„Mhm." Zayn sieht zurück zum Unigebäude. „Und du?"
„Jakob hat unser Treffen vergessen", sage ich so ruhig und deutlich ich kann. Trotzdem kommt meine Antwort viel zu schnell. Ich weiß in diesem Moment nicht, wie man richtig spricht, wo man die Pausen setzt, welche Tonlage natürlich ist. "Und ... jetzt hat er schon was anderes vor."
Zayn hebt die Brauen. „Ernsthaft? Was fürn Arsch. Ich sag doch, dass er unfreundlich ist."
Ich kann nur nicken. Zayn sieht sich kurz auf dem Gelände um und scheint mehr an den Mädchen interessiert zu sein, die gerade um eine Ecke gehen, als daran, dass ich mich vielleicht merkwürdig verhalte. Er murmelt etwas, das klingt wie „Ich glaube, das waren wieder ihre Freundinnen", dann schüttelt er den Kopf und sieht wieder zu mir. „Also, gehen wir?"
„Ja." Zayn setzt zum Gehen an und ich spüre, wie sich mein Magen zusammen zieht. Er glaubt mir einfach so. Kurz habe ich wirklich gedacht, dass jetzt alles vorbei ist. Aber er glaubt mir. Und trotzdem. Irgendwo in den letzten Sekunden scheine ich die Kontrolle über meinen Körper verloren zu haben und auch wenn jetzt alles wieder okay ist und ich nichts zu befürchten habe, will sie nicht zu mir zurückkommen.
Zayn merkt, dass ich mich nicht bewege. „Kommst du?"
Ich nicke, aber ich kann meine Mimik nicht kontrollieren. Es ist das selbe Gefühl, wie wenn man zu viel getrunken hat und merkt, dass man gerade Dinge tut oder sagt, die man gar nicht will. Ich weiche Zayns Blick aus und sehe dann doch wieder hin und denke dabei die ganze Zeit: Hör auf. Sei nicht so auffällig. Er glaubt dir doch.
Aber Zayn merkt, dass etwas nicht stimmt. Er sieht mich an und sein Blick macht mich noch nervöser. Die Tatsache, dass er nicht darauf kommt, was los ist, sondern mir glaubt, macht es nur noch schlimmer. Er runzelt die Stirn. „Was ist los?"
„Nichts."
„Du wirkst total nervös."
Ich sage nichts. Am liebsten würde ich mich umdrehen und gehen, weil ich mich mit Sicherheit verraten werde, wenn wir hier weiter so rumstehen. „Gehen wir?", wiederhole ich seine Frage von eben, aber Zayn rührt sich nicht und auch ich kann mich immer noch nicht von der Stelle bewegen. Ich fühle mich zittrig und ertappt und nicht im Stande, zu lügen. Die Panik steigt in mir auf und mit jeder Sekunde, in der wir hier stehen, wird es schlimmer. In meinem Hals bildet sich ein Kloß, der größer wird, bis ich das Gefühl habe, würgen zu müssen. Ich fasse mir an den Mund und mir wird klar, dass mein Herz rast.
„Louis. Hey, was ist?" Ich zucke zusammen, als seine Hand meinen Arm berührt.
„Ich will gehen." Meine Stimme zittert und ich gehe einen Schritt zurück, sehe überall hin, nur nicht zu Zayn. Ich kann meine Hände nicht still halten und schiebe sie ihn meine Hosentasche.
„Willst du dich hinsetzen?" Da ist Sorge in seiner Stimme und ich glaube, sowas habe ich noch nie darin gehört. Es macht die Sache nicht besser. Er ist der letzte, der sich jetzt im mich sorgen sollte. Ich bin ein verdammter Idiot. Nicht nur deshalb, weil ich mich gerade mit meinem Verhalten unglaublich verdächtig mache, sondern vor allem, weil Zayn nichts von all dem verdient hat, was ich in den letzten Monaten abgezogen habe.
„Ich würde gerne gehen", sage ich mit wackliger Stimme. „Du kannst hier bleiben, wenn du nicht mitwillst."
Zayn schnaubt. „Davon träumst du."
Ich setze mich in Bewegung. Zayn folgt mir. Ich will nachhause, aber der Gedanke an die U-Bahn versetzt mir ein Übelgefühl. Ich höre Zayns Schritte hinter mir und werde ihn wahrscheinlich nicht los, ganz egal wie lange ich laufe. Trotzdem schlage ich den Weg nachhause ein. Nach ein paar Minuten, in denen ich zwanghaft versuche, ruhig ein und aus zu atmen, beruhige ich mich etwas. Ich bin froh, dass Zayn hinter mir ist und mein Gesicht nicht sieht. Vielleicht ist es okay. Vielleicht kann ich die Situation noch retten. Ich kann ihm einfach sagen, dass ich eine Panikattacke hatte und selbst nicht weiß, warum. Ich muss nicht auffliegen. Noch nicht. Zumindest wenn ich mich nicht weiter wie ein verdächtiger Volltrottel benehme.
Nach einigen Metern steuere ich auf eine Bank zu und setze mich. Zayn ist neben mir, ich sehe ihn aus dem Augenwinkel. Ich hole einmal tief Luft und räuspere mich. „Ähm. Sorry wegen eben", sage ich. Kurz lache ich über meine eigene Dummheit. „Ich fühle mich komisch."
„Das sieht man", sagt Zayn. Er setzt sich neben mich und wartet auf eine Begründung.
Ich räuspere mich nochmal und wische meine schweißigen Hände an meiner Jeans ab. „Also ..." Und dann klappt es plötzlich doch wieder mit dem Lügen, auch wenn die Worte auf meiner Zunge so bitter schmecken. „Ich glaube, das ist der Stress wegen den Klausuren. Und ... nachdem Jakob eben unser Lerntreffen abgesagt hat, hat mich das unnötig fertig gemacht. Weil ich dieses Treffen echt gebraucht hätte, um den Stoff nachzuholen. Keine Ahnung, bin einfach ein bisschen durchgedreht. Du solltest das eigentlich nicht sehen."
Zayn sieht mich ausdruckslos an. Ich weiß nicht, ob er mir glaubt. Irgendwo in mir wünschte ich, er würde es nicht tun. „Okay", sagt er nach einer Weile. „Das verstehe ich." Ich atme aus und reibe mir mit der flachen Hand über die Stirn. Als er weiterredet, fällt es mir schwer, ihn anzusehen. „Also war das so eine Art Panikattacke?"
Ich nicke.
„Hast du das öfter?"
„Nein", sage ich, bloß weil er sich verdammt nochmal keine Sorgen machen soll.
Er schweigt wieder kurz. „Okay. Louis, hör zu. Du musst dir keine Sorgen machen. Du musst dich nur aufraffen, deinen Arsch hochkriegen und lernen. Ich hab dir doch nicht ohne Grund angeboten, dass wir das zusammen machen. Ich meine, es ist scheiße offensichtlich, dass dich das überfordert, aber du bist ja so stur und willst es nicht zugeben."
Ich kaue auf der Innenseite meiner Wange herum. Das ganze wendet sich in eine Richtung, die mich erleichtern sollte. Zayn macht es mir gerade verdammt einfach. Er glaubt mir alles und denkt sogar, zu verstehen, was in meinem Kopf vorgeht. Dabei weiß er nichts.
„Und außerdem ..." Er räuspert sich und plötzlich sieht er verlegen aus und ich habe das Gefühl, dass es ihm schwer fällt, nett zu sein. „Ich würde dich nicht rausschmeißen, klar? Also egal, wie viele Semester du machst. Ich setzt dich nicht auf die Straße oder so, auch wenn ich das manchmal sage. Dafür musst du's schon richtig verbocken."
Ich schlucke schwer. Ich hasse das. Alles. Zayn hat die Brauen zusammengezogen und sieht finster gegen eine Hauswand, wahrscheinlich um nicht zu nett zu wirken. Am liebsten würde ich ihn umarmen. Gleichzeitig ist es kaum auszuhalten. Es ist nicht mal neun Uhr am Morgen und wir sitzen auf einer Bank in irgendeinem Wohnviertel und ich kann das nicht. Ich kann nichts sagen. Zayn warten einige Sekunden auf meine Antwort. Irgendwann wird ihm die Stille zu unangenehm.
„Also. Kommst du jetzt mit nachhause? Wir können direkt mit dem Lernen anfangen. Ich wär auf jeden Fall dabei."
Ich sehe auf den Boden. Auf der anderen Straßenseite versucht eine Taube, einen Krümel von der Bordsteinkante zu picken. Die Sonne ist noch etwas wärmer geworden. Ich denke an Harry, der immer noch im Bett liegt und sich vielleicht fragt, wo ich bleibe. Ich sehe ihn vor mir, wie er sich müde auf der Matratze umdreht, die Decke zwischen seinen Schenkeln und auf die Uhr sieht. Und mir wird klar, dass es zu spät ist. Zayn steht auf und endlich sehe ich wieder hoch.
„Kommst du?", fragt er nochmal, diesmal etwas ungeduldiger.
„Ich glaube nicht", sage ich. Ich glaube, dass ich heute überhaupt nicht mehr nachhause zurück kann. „Zayn?"
Er sieht fragend auf. Er macht sich Sorgen um mich und selbst jetzt, wo ich mich so seltsam verhalte, glaubt er mir.
„Ich muss dir noch was sagen."
Er zuckt nicht mal mit den Wimpern. „Okay. Spuck's aus."
Ich hole tief Luft und beginne zu reden.
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you are a home that I want to grow up in
FanfictionLouis' Leben stellt sich auf den Kopf, als unerwartet ein fremder Junge in seinem Zimmer einzieht und sich ab jetzt ein Bett mit ihm teilen soll. Dass Louis Jungs eigentlich mag, aber niemals etwas mit ihnen anfangen würde, erleichtert die Sache nic...