Wir halten den Atmen an. Harry legt einen Finger an meine Lippen, wie um mir zu verstehen zu geben, leise zu sein. Mein Blick huscht zwischen seinen Augen hin und her. Noch immer liege ich auf ihm, aber die Leidenschaft ist genauso schnell von uns gewichen, wie sie gekommen ist. Zayn ist so nah, dass wir seinem Gespräch lauschen können.
„... dass du deine Wohnung angeboten hast", sagt jemand, den ich nicht kenne. „Wohnst du hier eigentlich allein?"
Zayn muss nur ein einziges Wort sagen, das reicht völlig aus, um zu hören, wie betrunken er ist. „Nein." Seine Stimme klingt, als hätte er Mühe, seine Lippen voneinander zu trennen und seine Stimmmuskeln anzuspannen.
Harry hebt die Brauen, er hat es auch gehört. Vorsichtig klettere ich von ihm runter, spüre die Hitze noch überall in meinem Körper, aber der kurze Moment der Zweisamkeit ist vorbei und mir wird wieder bewusst, dass wir hier unten im Staub sitzen, dass ich betrunken bin und dass ich so langsam Kopfschmerzen bekomme.
Zayns Gesprächspartner scheint sehr daran interessiert, die Konversation aufrecht zu erhalten und merkt scheinbar nicht, dass Zayn nur einsilbige Antworten gibt. „Eure Wohnung hat etwas Minimalistisches an sich, was? Die Anlage muss echt alt sein, stehst du auf Retro?"
Harry presst die Lippen zusammen um nicht zu lachen und auch ich muss grinsen. Wäre Zayn nüchtern, hätte er spätestens jetzt das Weite gesucht. „Nein", sagt er bloß wieder. Der andere setzt wieder zum Sprechen an, doch diesmal scheint Zayn noch mehr hinzufügen zu wollen. „Neue Anlagen kosten scheißviel Geld und für Geld müssen normale Menschen arbeiten", sagt er säuerlich. Mein Grinsen wird breiter. Zayn hasst reiche Menschen und Gigis Freunde sehen allesamt so aus, als wären sie reich. Der Typ mit dem Zayn da gerade spricht, ist bestimmt keine Ausnahme. Wenn Zayn betrunken genug ist, um einen Vortrag über Kapitalismus und die Kluft zwischen Arm und Reich zu halten, kann das hier ziemlich unterhaltsam werden. Stattdessen sagt er: „Und dann sind da noch die Scheißparasiten, die auf meine Kosten leben."
Jetzt presst Harry seine Lippen zusammen, aber nicht mehr, um sich das Lachen zu verkneifen. Wir wissen beide, dass wir damit gemeint sind. Ich damit gemeint bin. Ich spüre, wie mir mein Herz in die Hose rutscht. Zayn klingt so voller Wut, dass ich das Gefühl habe, es niemals wieder gut machen zu können.
Der andere scheint Zayn nicht wirklich folgen zu können. „Oh, ihr habt ihr eine Schädlingsplage?", fragt er und klingt ein bisschen angeekelt.
„Und was für eine!"
„Sag mal, wer war eigentlich dieser Typ vorhin? Wollte der Streit?"
„Was fürn Typ?"
„Der, der so dringend mit dir reden wollte."
Mein Herz schlägt unregelmäßig. Ich spüre Harrys Hand, die nach meiner sucht und sie findet. Er drückt sie leicht. Ich starre auf die Rückenlehne des Sofas und warte unruhig darauf, dass Zayn antwortet. Nach Grinsen ist mir jetzt definitiv nicht mehr zumute.
„Ach, der ist egal", weicht Zayn aus und ich hoffe, dass sie das Thema wechseln, dass sie über die Einrichtung reden oder von mir aus über ein paar Gäste lästern, aber plötzlich überlegt es sich Zayn doch anders, als wittere er die Chance, endlich mal ein bisschen Dampf abzulassen. „Der hat hier mal gewohnt und will jetzt zurückkommen, nachdem er ne Menge Scheiße gebaut hat."
Der Kerl lacht und ich höre, wie sie beide aus ihren Flaschen trinken. „Miese Mitbewohner, was? Das kenne ich. Lästig, wenn man sie nicht loswird, aber an so einem Mietvertrag lässt sich nur schwer rütteln."
Zayn macht ein abfälliges Geräusch. „Mietvertrag ... Schön wärs. Er hat die ganzen Monate auf meine Kosten gelebt. Während ich jeden Scheißtag zu Arbeit gefahren bin, saß der nur hier rum und hat Däumchen gedreht, mein Essen gegessen und meine Stromkosten in die Höhe getrieben." Dann, etwas leiser fügt er hinzu: „Parasit."
Ich höre das Geräusch eines Feuerzeugs. Die Luft um uns herum ist ohnehin schon stickig, aber jetzt erreicht eine neue Tabakwolke meine Nase. Ich verziehe das Gesicht. Ich bin so wütend, dass mein Kiefer weh tut, weil ich meine Zähne so sehr aufeinanderpresse. Ich weiß, dass Zayn verdammt betrunken ist. So betrunken, dass er seine Worte nicht mehr filtern kann und seine Wut das Sprechen übernimmt. Aber so wie er das sagt, klingt es, als würde er wirklich so denken.
Harry streicht beruhigend über meinen Handrücken aber es bringt nichts. Wenn Zayn mich so hasst, soll er es mir gefälligst ins Gesicht sagen.
„Warum hast du ihn dann hier wohnen lassen?", fragt der andere und ich spüre, wie sehr ich mich vor der Antwort fürchte. Zu recht.
„Weil er mir was vorgemacht hat. Von vorne bis hinten hat er mir was vorgelogen." Seine Worte sind vom Alkohol laut und ungehalten. Er leiert leicht, während er spricht. „Hat mir vorgegaukelt, er würde was auf die Reihe kriegen." Er schnauft. „Hat so getan, als wäre er mein Freund."
„Klingt nicht danach, als wäre er das gewesen."
„Nein", sagt Zayn trocken. „Das war er nicht."
Selbst Harry, der die ganze Zeit über so ruhig war, hat die Brauen verzogen und sieht mich unsicher an. Er legt einen Arm um mich und will mir etwas ins Ohr sagen, vielleicht damit ich den Worten nicht mehr zuhören muss, aber ich drücke ihn weg. „Er meint es nicht so", flüstert Harry.
Ich schüttele mit dem Kopf. Ich kann mich nicht mehr kontrollieren und weiß nicht wohin mit der Wut, mit der Verzweiflung. Ich weiß nicht, ob ich Zayn anschreien will oder losheulen. Aber ich weiß, dass ich hier nicht weiter rumsitzen und nichts tun will.
Es muss verdammt seltsam aussehen, wenn auf einer Party plötzlich aus dem Nichts ein Typ hinter einem Sofa hervorkommt, die Haare zerstreut, die Wangen rot, die Klamotten staubig, ein halbleeres Bier in der Hand, und einem Blick im Gesicht, als wollte er jemanden umbringen. Ich merke, dass ich kaum noch Kontrolle über das habe, was ich sage. Es ist als wäre es gar nicht ich, der hier steht, sondern jemand anders. Jemand, der nicht mehr Zayns Freund ist und nur hier hergekommen ist, um Stress zu machen.
Zayn ist so verwirrt, dass er mich für einen Moment direkt ansieht, obwohl er den ganzen Abend über meinen Blick gemieden hat. Auch der Kerl neben ihm, der seiner Kleidung nach zu urteilen wirklich ziemlich wohlhabend aussieht, starrt mich an. Er ist der erste, der etwas sagt. „Was zur Hölle ..."
Zayn, der ganz offensichtlich nicht zugeben will, dass ihn das gerade aus der Fassung gebracht hat, setzt schnell wieder seine eiserne Miene auf. Er sieht mich wütend an, als wäre es ihm scheißegal, dass ich das gerade alles mitgehört habe.
Ich weiß immer noch nicht, was ich eigentlich sagen will, aber mein Mund erledigt das Sprechen von ganz alleine. „Sag's mir gefälligst ins Gesicht und nicht hinter meinem Rücken", zische ich. „Das ist verdammt feige."
Zayn hebt spöttisch beide Augenbrauen. „Feige?" Ich sehe ihm an, wie sehr ihn dieses Wort ärgert und kann förmlich spüren, wie er zum Angriff ausholt. „Ich bin nicht derjenige, der sich hinter einem verdammten Sofa versteckt und andere Leute belauscht." Seine Augen weiten sich, als Harry neben mir auftaucht. Ich glaube, dass es jetzt ruhiger im Raum ist. Hat jemand die Musik leiser gedreht, um uns zuzuhören? „Ach", sagt Zayn. „Du auch hier? Hat dir Louis schon alles gebeichtet oder soll ich es tun?"
Harry verdreht die Augen. „Du bist betrunken, Zayn."
Zayn wirkt umso aggressiver. „Ja, vielleicht bin ich das." Er dreht sich so auf dem Sofa herum, dass er uns direkt ansieht. „Aber immerhin bin ich kein Lügner. Hat er dir alles gebeichtet?", drängt er Harry.
„Ja, hat er. Lass es gut sein, ihr könnt morgen in Ruhe reden."
„Warum denn morgen? Louis wollte doch vorhin so dringend reden. Na dann, ich höre."
Ich weiß, dass es keine gute Idee ist in diesem Zustand. Ich leere mein Bier, mein Kopf schmerzt jetzt stärker. Ich fühle mich völlig benebelt aber gleichzeitig merke ich, dass ich mich beinahe widerstandslos von Zayns Worten provozieren lasse. Ich vergesse, worüber ich eigentlich mit ihm reden wollte. An Entschuldigungen ist nicht mehr zu denken. „Feige ist, wenn man sich um einem Gespräch auszuweichen einen Haufen Leute in die Wohnung holt, die man in Wirklichkeit total lächerlich findet", kontere ich mit einem kurzen Seitenblick auf den Kerl neben Zayn, der meine Wut eigentlich überhaupt nicht verdient hat.
Zayn holt tief Luft. „Denkst du alles dreht sich um dich? Bist du deshalb hier? Um noch einen drauf zu setzen?"
„Lass gut sein, Zayn", murmelt Harry und zieht an meinem Arm, um mich zum Gehen zu bewegen.
„Warum du ihn auch noch verteidigst, verstehe ich am wenigsten, Harry."
Ich bemerke, dass das Getränk in Zayns Hand gar kein Bier ist, sondern Schnaps. Er nimmt einen Schluck und drückt seine Zigarette, die beinahe abgebrannt ist, in einer leeren Flasche auf dem Couchtisch aus. Dann steht er auf und sieht mich direkt an. Ich komme mir verdammt blöd vor, wie ich hier hinter dem Sofa stehe und ich weiß, noch bevor Zayn beginnt zu reden, dass das hier nicht gut enden kann.
„Ich sage es dir gern ins Gesicht, Louis. Du bist nicht mehr mein Freund. Freunde lügen sich nicht über Monate an. Ich hab keine Lust, mir deine Entschuldigungen anzuhören, und weißt du warum? Weil jedes Scheißwort aus deinem Mund gelogen ist. Deine Worte haben einfach keinen Wert mehr, verstehst du? Also komm nicht in meine Wohnung und nenn mich feige, während du zu blöd dafür bist, auch nur eine einzige Sache in deinem Leben richtig zu machen. Es ist ja nicht nur, dass du zu feige bist, die Wahrheit zu sagen. Du bist zu feige, Entscheidungen zu treffen. Zu feige, um etwas ernst zu nehmen. Zu feige, um etwas durchzuziehen oder dich auf etwas festzulegen." Er nimmt noch einen Schluck und als er den nächsten Satz sagt, sehen seine schwarzen Augen direkt in meine. „Du bist sogar zu feige um Kerle zu ficken, obwohl du eigentlich Bock drauf hättest."
Ich spüre, wie mir die Hitze ins Gesicht schießt. Alle Geschichtszüge entgleiten mir. Ich starre Zayn an. Es ist, als würde sich meine Wahrnehmung verschieben. Plötzlich sehe ich sie, die anderen im Zimmer, der Haufen fremder Menschen, der unser Gespräch belauscht und jedes Wort mithört. Ich sehe von Gesicht zu Gesicht und dabei steigt die Panik immer weiter in mir hoch. Panik und Wut.
„Das war echt zu viel, Zayn", zischt Harry. Er sieht wütend aus. Ich habe ihn noch nie wütend gesehen. Geschickt stützt er sich an der Lehne ab und steigt über das Sofa. Dann greift er nach meinem Arm und zieht an mir. Ohne etwas zu sagen, folge ich ihm und lasse mich von ihm aus dem Zimmer zerren. Mein Herz rast, mein Kopf dröhnt und ich kann nicht richtig atmen. Es ist, als würde jemand meinen Hals zudrücken. Ich höre, wie die Musik im Zimmer wieder lauter wird und wie Harry seinen Arm um mich legt. Ich spüre den Instinkt, ihn wegzustoßen, damit niemand etwas falsches denkt. Ich habe das Gefühl, dass hunderte Augenpaare auf uns liegen, auf Harrys Hand auf meiner Schulter.
Aber ihn wegzustoßen, würde Zayns Worten nur Recht geben. Harry wegzustoßen, ist wie wenn ich sagen würde: Ja, du hast Recht. Ich bin zu feige. Ich halt's nicht mal aus, wenn ein Kerl in der Öffentlichkeit seinen Scheißarm um mich legt.
„Das hätte er nicht tun dürfen vor so vielen Menschen", murmelt Harry in meine Haare, während ich die Wand anstarre. Er zieht mich durch die Wohnung in unser Zimmer, das durch den Trubel ausnahmsweise leer ist. Er zieht die Tür zu. Wir stehen im schwachen Licht und ich versuche, mich zu beruhigen. Ein- und auszuatmen. Harrys Augen ruhen auf mir.
In meinem betrunkenen Zustand sehe ich nur zwei Möglichkeiten, mit der Scham und der Entblößung von Zayns Worten umzugehen: Ich kann sie auf mir sitzen lassen und nichts tun. Oder ich kann seinen Worten die Wahrheit entnehmen. Wenn sie nicht mehr wahr sind, dann können sie mir auch nichts anhaben. Also recke ich meinen Kopf Harry entgegen und suche seinen Mund mit meinem.
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you are a home that I want to grow up in
FanficLouis' Leben stellt sich auf den Kopf, als unerwartet ein fremder Junge in seinem Zimmer einzieht und sich ab jetzt ein Bett mit ihm teilen soll. Dass Louis Jungs eigentlich mag, aber niemals etwas mit ihnen anfangen würde, erleichtert die Sache nic...