32.

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„Louis, du bist betrunken." Es ist Harrys Stimme, rau und leise. Sein Atem streicht über meine Lippen, die immer wieder seinen Mund suchen, während ich ihn gegen die Tür drücke.

„Du auch." Mein Kopf rauscht, meine Sinne verschwimmen. Ein Kopfschmerz zieht sich durch meinen Schädel und drückt von innen gegen meine Stirn, aber ich ignoriere ihn.

„Lass uns wenigstens irgendwas vor die Tür stellen, damit niemand reinkommt." Das ist ein sehr guter Punkt. Ich löse mich schwer atmend von ihm. Harry sieht mich an, sein Mund und seine Wangen gerötet und sein Blick ohne richtigen Fokus. Er will etwas sagen aber ich schüttele den Kopf.

„Ich will nicht darüber reden."

In unserem Zustand stellen wir uns etwas dämlich an bei dem Versuch, die Tür zu blockieren. Nach einigen Fehlversuchen greifen wir nach dem Schreibtischstuhl, der zum Glück genauso hoch ist, dass die Lehne direkt unter die Türklinke geklemmt werden kann. Unkoordiniert und mit wackeligen Beinen testen wir unsere Vorrichtung. „Das hätten wir vorhin schon machen sollen", murmelt Harry. „Und uns das ganze Drama ersparen."

Mir ist wahnsinnig heiß, jetzt noch mehr von der körperlichen Anstrengung. Und ich habe verdammten Durst. Ich ziehe mir mein T-Shirt über den Kopf und werfe es in eine Ecke. Unser Zimmer ist mit Partyspuren überseht, leere Flaschen und Teller, in den Blumentöpfen liegen Zigaretten. Ich ignoriere die aufsteigende Wut und schiebe die Flaschen lieblos vom Bett. Sie landen scheppernd auf dem Boden, aber es ist mir egal. Auch Harry scheint es in seinem Zustand nicht zu kümmern. Ich finde eine Wodkaflasche, in der noch ein kleiner Rest ist und schlucke ihn hinunter. Er brennt in meinem Hals. Unruhig setze ich mich auf die Bettkante. Harry steht im Raum und sieht mich an. Ich räuspere mich. „Kannst du ...", beginne ich und merke, wie verloren ich wirklich klinge. „Kannst du herkommen?"

Harry zögert nicht. Er steigt über die Unordnung auf dem Boden, kommt auf mich zu und ich empfange ihn mit meinen Händen, ziehe ihn an mich, sodass er zwischen meinen Beinen zum Stehen kommt. Ich presse mein Gesicht in seinen Bauch und er schlingt seine Arme um meinen Kopf. Eine Weile bleiben wir so und ich atme ihn einfach nur ein. Seine Hände streichen sachte durch meine Haare. Er ist sanft. So verdammt sanft. Ich weiß nicht, womit ich diese Sanftheit verdient habe. Wahrscheinlich habe ich das nicht.

Als ich mich nach hinten auf die Matratze sinken lasse, folgt er mir. Er setzt sich auf mein Becken und sieht mich an, seine Hände gleiten über meine nackte Brust. Er sieht aus, als wollte er etwas sagen, aber hält sich zurück. Ich will nicht reden. Ich glaube, dass mir das bisschen Wodka eben nicht gut getan hat. Es war nur ein Schluck, aber ich habe das Gefühl, damit eine Grenze überschritten zu haben. Auch wenn ich nicht darüber reden will, spielt sich das Geschehene immer wieder in meinem Kopf ab. Zayns Worte haben meine Gedanken erobert, in ihnen ist nichts anderes mehr. Du bist sogar zu feige, um Kerle zu ficken, obwohl du eigentlich Bock drauf hättest. Es stimmt. Wut durchströmt mich, als ich an die Gesichter der anderen denke. Er hat mich vor allen anderen geoutet. Er hat genau das gesagt, was mich am meisten verletzen würde. Ich atme tief ein und aus, um den Anflug der Panik loszuwerden. Harry sieht mich schweigend an. Harry ... mein einziger Ausweg aus dieser Scham.

Ich greife nach dem Bund seines T-Shirts und ziehe es ihm über den Kopf. Er beugt sich zu mir runter und unsere Lippen treffen sich und noch immer ist er sanft. Die Wut in meiner Brust breitet sich in meine Muskeln aus und letztendlich ist sie es, die mich dazu bringt, mehr Kraft anzuwenden und uns mit einem Ruck herumzudrehen, Harry auf die Matratze zu drücken und meine Lippen auf die Haut an seinem Hals zu legen.

„Woah ..." Er lacht aber seine Stimme bricht sich in einem Keuchen, als ich meine Hand sehr zielstrebig in den Bund seiner Jeans schiebe. Ich denke gar nicht daran, dass ich weder ihn, noch irgendeinen anderen Mann, jemals berührt habe. Ich tue es einfach. Harry hilft mir, indem er den Knopf seiner Jeans öffnet und sie herunter schiebt. Ich sauge an der Haut an seinem Hals, habe eine Hand in seinem Nacken, die andere über der Schwellung in seinen Boxershorts. Harry kickt sich ungeschickt die Jeans von den Füßen und legt dann ein Bein um meine Hüfte, um mich näher zu ziehen. Auch er will jetzt nicht mehr reden. Ich löse mich kurz von seinem Hals, nur um ihn anzusehen. Seine Augen sind geschlossen, sein Mund leicht geöffnet und mit jeder Bewegung meiner Hand stößt er leise seinen Atem aus.

Der Anblick regt etwas in mir und plötzlich fühlt es sich so an, als könnte ich es nicht mehr lange aushalten. Ein unruhiges, frustriertes Brummen rutscht aus meiner Kehle, während ich von ihm ablasse, um mir selbst die Hose auszuziehen. Harry versteht sofort und hilft mir. Ich nehme nicht mehr alles war, es ist, als würden Schritte zwischen unseren Bewegungen ohne mich stattfinden, einfach passieren. In einem Moment habe ich meine Jeans an, im nächsten liegt sie auf dem Boden. Es braucht nur ein paar wenige Augenaufschläge, bis wir nackt sind, bis wir keuchend übereinander liegen und unsere Körper aneinander spüren.

Dann ist da doch wieder ein Anflug an Nervosität. Aber Nervosität spüren nur feige Menschen, und die einzige Art, damit umzugehen ist, die Dinge trotzdem zu tun. Ich lege meinen Mund auf Harrys und küsse ihn fest. Er hält mich mit beiden Armen fest an sich gedrückt. Von außerhalb unseres Zimmers klingt noch immer Musik. „Harry", sage ich und denke an Zayn, lasse seinen Satz immer und immer wieder durch meinen Kopf schießen. Zu feige um Kerle zu ficken. Die Blicke der anderen. Und meine einzige Lösung. Harrys nackter Körper ist weich und warm und ich lege meine Hand auf seinen Oberschenkel, ziehe ihn nach außen um mich dazwischen zu legen. Sofort legt er seine Beine um meine Hüfte. Unsere Atem rasen gegeneinander, und ganz kurz löse ich den Kuss, um zu sagen: „Ich will mit dir schlafen."

Ich sehe nicht in Harrys Gesicht, um seine Reaktion abzulesen. Kurz hält er inne, dann rutscht seine Hand wieder über meinen Rücken und er öffnet seine Lippen, um mich fester zu küssen. Ich spüre ihn direkt an meinem Körper und ich spüre, dass er genauso erregt ist wie ich. Endlich ist er nicht mehr sanft. Ich keuche, als ich seine Zunge in meinem Mund spüre und er seine Hüfte meiner entgegen drückt. Mit einem Ruck dreht er uns herum und versucht mit einer Hand seinen Rucksack zu erreichen, der auf dem Boden neben dem Bett steht. „Kondome", murmelt er und ich lockere meinen Griff, lasse ihm nur so viel Freiraum, dass er gerade so seinen Rucksack erreicht. Es ist dieser kurze Moment, in dem wir uns voneinander lösen und einen Blick in das Gesicht des anderen erhaschen. Und er innehält.

Ich sehe zurück. Mein Atem rast. „Was?", frage ich, als er sich nicht mehr regt.

Harry sitzt halb auf mir, nackt, seine Haut glüht, sein Gesicht ist rot und er sieht verdammt heiß aus. Aber selbst in meinem betrunkenen Zustand sehe ich, dass etwas nicht stimmt. Er verwirft den Versuch, den Rucksack zu erreichen und wendet sich wieder ganz mir zu. Er sitzt breitbeinig auf meiner Hüfte und ich spüre meine Erektion gegen seinen Po drücken. Ich muss mich zusammenreißen, ruhig zu bleiben.

„Was ist?", frage ich wieder.

Er zögert. „Ich glaube, wir sollten das nicht tun."

„Warum nicht?"

Sein Blick wird wieder weicher und ich mag das nicht, ich will nicht reden und ich will nicht nachdenken. Ich will einfach nur fühlen und vergessen. „Weil du wütend bist. Du kannst mich nicht mal richtig ansehen."

Erst jetzt bemerke ich, dass mein Blick immer wieder seinem Gesicht ausweicht. Auch merke ich, wie angespannt ich bin. Ich merke, wie fest mein Griff an seiner Hüfte ist. Als ich ihn instinktiv loslasse, sehe ich, wie sich dort, wo meine Finger lagen, weiße Punkte auf seiner Haut bilden. Ich sehe zu, wie sie nach einigen Sekunden verschwinden. Plötzlich habe ich einen Kloß im Hals.

„Wir können miteinander schlafen, aber nur, wenn du es willst und nicht, weil du dich provoziert fühlst."

Seine Worte sind wie ein Stechen in meiner Brust, weil ich mich so ertappt fühle. Und das macht diese verfluchte Scham nur noch größer. „Ich will es wirklich", widerspreche ich.

Harry beugt sich etwas vor um mir durch die Haare zu streichen. Ich weiß nicht, wie er es schafft, noch so rational zu sein, nach all dem, was wir getrunken haben. Er versucht offensichtlich ruhig zu sprechen, um mir nicht das Gefühl zu geben, dass er mich vor den Kopf stößt, aber genauso fühle ich mich. „Du willst es Zayn heimzahlen oder dir selbst irgendwas beweisen ... Aber du willst nicht mit mir schlafen."

Ich verziehe meine Miene und will mich zurückziehen. Harry merkt es und rutscht von mir runter, um mich freizugeben. Er sieht mich an, aber ich weiche seinem Blick aus. „Ich bin es wirklich satt, dass Leute meinen, besser darüber Bescheid zu wissen, mit wem ich schlafen will und mit wem nicht", sage ich, wütender als ich eigentlich will. Der Alkohol bringt nur diese eine Emotion hervor und es ist schwer, dagegen anzukommen. Nach all den Jahren nehme ich endlich den Mut zusammen und will es tun, und dann werde ich abgelehnt. Plötzlich fühle ich mich nackt und entblößt. Ich greife nach der Bettdecke. Ich weiß, dass es gerade um viel mehr geht, aber alles, was in meinem Kopf ankommt, ist das Harry nicht mit mir schlafen will. Er hat schon mit so vielen Männern geschlafen. Warum nicht mit mir? „Was ist denn schon dabei?", frage ich, als könnten diese Worte mir meinen Stolz zurückholen.

Harry zieht die Brauen zusammen. Keine Ahnung wieso, aber plötzlich sieht auch er aus, als hätte man ihn vor den Kopf gestoßen. Mein Magen dreht sich um. Toll, sind also jetzt alle Menschen auf der Welt sauer auf mich? Er zieht sich zurück und sucht nach seinen Klamotten. „Keine Ahnung", sagt er, findet seine Boxershorts und zieht sie sich über. „Scheinbar gar nichts."

Seine Stimme klingt genauso bitter wie ich mich fühle. Ich weiß nicht, wie die Stimmung plötzlich so kippen konnte. Ich weiß nicht, warum wir plötzlich streiten. Harry schweigt und starrt gegen die Wand und ich könnte meine Worte nicht stoppen, selbst wenn ich wollte. „Ja, scheinbar nicht."

Wir sitzen nur so da. Von drüben kommt noch immer der Bass. Die Luft ist stickig von all den Menschen, die in den letzten Stunden hier in unserem Zimmer gesessen, geraucht, getrunken, getanzt haben. Und genauso fremd wie sich unser Zimmer anfühlt, so komme ich mir vor, während ich Harry ansehe. Wir schweigen eine halbe Ewigkeit. Vielleicht, wenn wir schneller nüchtern werden würden. Vielleicht würden wir dann nicht noch einen drauf setzen müssen.

„Ich hab mit meinem Vater telefoniert", sagt Harry völlig zusammenhangslos, als ich schon denke, dass nichts mehr kommt. Ich sehe ihn mit zusammengezogenen Brauen an. Das ist es. Was ich Harry die ganze Zeit fragen wollte, als ich noch nüchtern war. Ich schweige, zu wütend, um etwas zu sagen. „Ich hab ihm von dir erzählt und er hat gesagt, dass er darüber nachdenken muss. Seitdem hat er sich nicht mehr gemeldet."

In diesem Moment kommt es mir verdammt dämlich vor. Dass Harry mir das jetzt erzählt, als könnte ich noch vernünftig auf so eine Aussage reagieren. Natürlich kann ich das nicht. Ich kann mich nur noch beschissener fühlen. „Was hast du ihm gesagt?", frage ich.

Harry sieht mich nur kurz an, dann wieder die Wand. „Was ... wir haben."

Mein Gehirn ist überfordert und nachzudenken ist keine Option. Das einzige, was ich aus seiner Aussage entnehme, ist dass er etwas Privates, ein Geheimnis zwischen ihm und mir, einer anderen Person erzählt hat. Ist das irgendwie so ein Ding? Louis gegen seinen Willen outen? Ich beiße die Zähne zusammen. Es macht mich wütend, wie traurig Harry aussieht, obwohl er sich das ganz offensichtlich selbst zuzuschreiben hat. Anstatt es mir auch nur eine Sekunde durch den Kopf gehen zu lassen, fallen die Worte ungehalten aus meinem Mund.

„Was soll das heißen?", frage ich. „Was haben wir denn?" Ich warte seine Antwort gar nicht ab, sondern füge in vorwurfsvollem Ton hinzu: „Du weißt doch, wie dein Vater letztes Mal reagiert hat.Vielleicht solltest du ihm dann nicht auch noch von etwas erzählen, das gar nichts Richtiges ist."

Es sind Worte, die meinen Stolz retten sollen. Doch danach fühle ich mich noch mieser als vorher. Harry sagt nichts mehr. Er sieht schweigend die Wand an. Und ich warte auch nicht mehr darauf, dass irgendjemand von uns den Mund aufmacht, um dem anderen noch mehr an den Kopf zu werfen. Stattdessen lege ich mich hin, rutschte an die Wand und ziehe die Decke über mich. Danach warte ich. Es dauert einige Minuten, bis Harry sich regt. Ich höre, wie er aufsteht, das Licht ausmacht und sich mit einigem Abstand neben mich legt. Er nimmt die zweite Decke, die wir sonst nie benutzt haben, die jetzt scheinbar doch endlich zu etwas gut ist. Alles dreht sich um mich und ich habe in dieser Nacht keine Zeit mehr, irgendetwas zu bereuen, weil die Müdigkeit und Erschöpfung des Tages mich sofort in die Dunkelheit ziehen. Reue ist etwas, das erst am Morgen kommt.

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