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Das Klingeln eines Telefon dröhnt laut in meinem Kopf. Warum? Es ist mitten in der Nacht. Wer ruft mich mitten in der Nacht an? Ich habe Kopfschmerzen und mir tut alles weh. Langsam setze ich mich auf. Fuck warum tut mir der Hintern so weh? Was ist gestern passiert? Nach gefühlten Stunden ertaste ich mein Telefon. Das Display ist schwarz, aber irgendwo klingelt es. Ich höre das Geräusch. Plötzlich verstummt es und ich starre irritiert auf das schwarze Etwas in meiner Hand.

Krampfhaft versuche ich mich zu erinnern. Wo bin ich? In einem Bett. Ja aber in welchem Bett? Das Zimmer ist mir fremd. Es ist ein Hotelzimmer, eindeutig. Ich erinnere mich an den Flug nach Vegas und den Grund dafür. Auch das ich in einer Bar versuchte meinen Kummer zu ertränken. An einen Mann mit schwarzen Haaren und wunderschönen blauen Augen. Und ab da wird alles dunkel. Wieviel habe ich getrunken, das ich mich nicht mehr an den restlichen Abend erinnere? Es war wohl keine so gute Idee, einfach Hals über Kopf die Stadt zu verlassen.

Aber es musste sein. Ich war kurz davor durchzudrehen. Und das alles nur wegen ihm. Julian.
Wir kennen uns seit sechs Jahren. Während des College waren wir Teamkameraden. Wir wurden Freunde und bald darauf ein Paar. Unsere Beziehung basierte immer auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt. Offenheit und Ehrlichkeit ist mir wichtig. Geheimnisse zerstören eine Beziehung. Ich habe Julian vertraut. Aber er missbrauchte dieses Vertrauen.

Es gab eine Zeit in meinem Leben, da glaubte ich an die wahre Liebe. Meine Eltern waren immer mein großes Vorbild. Sie waren Seelenverwandte. Aber als meine Mutter schwer krank wurde, zerbrach ihre Liebe. Am Anfang war Dad für Mum da. Er war ihre Stütze, der Lichtblick am dunklen Horizont. Zusammen wollten sie es schaffen. Kurz vor ihrem Tod verschwand mein Vater einfach. Er ließ uns allein, ohne ein Wort der Erklärung oder des Abschieds. Er ging und kehrte nicht zurück.

Mum hörte nie auf daran zu glauben, dass er wieder zu uns zurück kommen würde. Aber dem war nicht so. Er ließ uns alleine und Mum starb ohne sich von ihm verabschieden zu können. Ihrer großen und einzigen Liebe. Es brach ihr das Herz und ich verstand nicht, warum er das getan hatte. Mum vertraute ihm, er versprach ihr bis zum Schluß an ihrer Seite zu bleiben. Aber dieses Versprechen hielt mein Vater nicht ein.

Julian wusste früh von meiner Mutter und auch, wie sehr mich der Verlust meines Vaters belastete. Den frühen Tod meiner Mutter konnte ich gut verarbeiten. Sie musste nicht mehr länger leiden. Und das war mir Trost genug. Ich ließ die Trauer zu und auch den Schmerz. Weinte und schrie und lachte über jede glückliche Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit. Sie war eine herzensgute Frau und immer für mich da. Ebenso wie für meinen Vater.

Ihre Liebe zueinander war stark. Aber was bringen Gefühle, wenn man doch nur verletzt wird? Lange habe ich mich zurückgezogen, ließ niemanden wirklich an mich heran. Gefühle machen uns schwach. Und wer schwach ist, wird verletzt. Julian wusste immer, dass er derjenige von uns beiden ist, der bedingungslos liebt. Ich ließ mich auf ihn ein, liebte ihn vielleicht sogar. Aber ich sagte ihm auch ehrlich, dass ich mich nicht fest binden würde. Nie im Leben.

Eine Zeit lang lief es gut. Aber sein Wunsch nach einem geregelten Leben wurde immer stärker. Ein paar Mal fragte er mich nach meiner Meinung zu einer Hochzeit. Jedes Mal bekam er die gleiche Antwort. Nein. Das verletzte ihn, aber mir war es egal. In den letzten Wochen verhielt Julian sich merkwürdig. Er schlief schlecht und hatte eindeutig Geheimnisse vor mir. Ich sprach ihn darauf an. Aber jedes Mal versicherte er mir, dass es nichts besonderes gäbe. Viel Arbeit, viel Stress, wenig Schlaf.

Ich glaubte ihm. Auch wenn mein Unterbewusstsein mich anschrie die Augen aufzumachen. Und gestern fiel das Kartenhaus, welches er errichtet hatte, in sich zusammen. Im festen Glauben daran, auf ein romantisches Date entführt zu werden, fand ich mich in einer Kirche wieder. Dort sollte eine Hochzeit stattfinden. Und ich war der Bräutigam.
Julian strahlte über das ganze Gesicht und ich konnte ihn einfach nur ungläubig anstarren.

Und plötzlich ergab alles einen Sinn. Seine Schlafstörungen, die Unruhe, die heimlichen Telefonate, angeblich mit einem Kollegen. Meine gesamte Enttäuschung über seine Tat, der Vertrauensbruch verwandelte sich in Worte. Es war mir egal, dass seine Familie und unsere Freunde meinen Ausbruch mitbekamen. Ich war sauer und enttäuscht. Mit hochrotem Kopf und zu Fäusten geballten Händen stand ich in der Kirche und schleuderte ihm verletzende Worte entgegen. Wütend verließ ich die Kirche, setzte mich in das nächstbeste Taxi und fuhr zum Flughafen.

Und jetzt sitze ich in einem fremden Bett und kann mich kaum an etwas erinnern. Schwarze Haare, blauen Augen und Elvis. Das ist alles. Ansonsten herrscht Dunkelheit in meinem Kopf. Ich streiche mir erschöpft über das Gesicht und schrecke auf. Kaltes Metall an warmer Haut. Ich trage nie Schmuck. Ungläubig starre ich auf meine linke Hand. Warum trage ich einen Ring?

Zögerlich wende ich meinen Kopf und blicke auf die andere Hälfte des Bettes. Gebannt starre ich auf den Rücken eines Mannes mit schwarzen Haaren. Das Bild von Elvis flitzt durch meine Gedanken und ich schlucke trocken. Was ist bloß passiert? Ich betrachte den Körper neben mir und mein Herz schlägt ein paar Takte schneller als normal. Breite Schultern, die Rückenmuskulatur deutlich ausgeprägt und helle makellose Haut. Sein rabenschwarzes Haar glänzt und die Sonne wirft ein sanftes Licht auf seinen Körper. Meine Fingerspitzen beginnen zu kribbeln. Ein Gefühl des Erinnerns legt sich über mich. Mein Körper erinnert sich an diesen Mann. Aber ich kenne ihn nicht.

"Jace, ich habe Kopfschmerzen." ertönt seine Stimme. Sämtliches Blut wandert von meinem Herzen zu meinem Penis. Diese Stimme. Verschlafen, rau, kratzig. Ein tiefer Bass. Genau die Art, die ich an einem Mann liebe. Schwerfällig setzt er sich auf und hält sich den anscheinend schmerzenden Kopf. Die Decke rutscht von seinem Körper und legt den Rest von ihm frei. Ich ziehe scharf die Luft ein. Fuck.

Ruckartig dreht er den Kopf und ich erschrecke leicht. Blaue Augen. Schwarze Haare. Ist er der Mann aus der Bar? Mit leicht geöffnetem Mund starrt er mich an und ich habe vergessen wie man redet. Er ist wirklich schön. Seine Haare liegen wild auf seinem Kopf und wieder kribbelt es in meinen Fingerspitzen. Ich weiß, dass seine Haare wunderbar weich sind und er leise stöhnt, wenn man an den Spitzen zieht. Aber woher weiß ich das?

Wieder ertönt das nervige Klingeln eines Telefons. Noch immer blicken wir uns fest in die Augen und ich sehe seine Hand die sich hebt, das Telefon an sein Ohr presst und die andere Hand, die durch seine Haare streift. Und an eben dieser Hand glitzert ein silberner Ring. Der gleiche wie an meinem Finger.

What happened in Vegas - Plötzlich verheiratetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt