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Angekommen in Blue Heaven führt unser erster Weg direkt in das Zentrum des kleinen Küstenortes. Vor der Messe, die Ragnor jedes Weihnachten besucht und anschließend einen Abend mit dem Pfarrer verbringt, besuchen wir den Kunsthandwerkermarkt um die letzten Geschenke zu erhaschen oder einen kurzen Plausch mit alteingesessenen Anwohnern zu halten. Auch wenn ich nicht oft hier bin, so kenne ich doch den einen oder anderen Ladenbesitzer dieses besonderen Ortes. Wie zum Beispiel Lucy und ihren Mann Mike. Die beiden betreiben das kleine Cafe direkt neben der Buchhandlung. Hier gibt es den besten Schokoladenkuchen den ich je gegessen habe und neben Kaffee so schwarz und kräftig wie die dunkelste Nacht immer ein liebes Wort von Lucy und einen kräftigen Handschlag von Mike. Mein Lieblingsplatz ist  neben dem Strand mit tosenden Wellen, die kleine Buchhandlung welche von einer älteren sehr freundlichen Dame geführt wird. Charlotte hat gefühlt 135 Jahre auf der Lebenslinie und ist mit ihrer herzlichen Art und den lockeren Sprüchen alles andere als kurz vor der Urne.

In der Mitte des Platzes steht wie jedes Jahr ein überdimensional großer Weihnachtsbaum. Das dichte dunkelgrüne Nadelwerk der Tanne wird umrahmt von unzähligen Lichtern die hell und sanft in der dunklen Nacht erstrahlen. Große rote und goldene Kugeln hängen neben roten Schleifen aus flauschigem Samt und rot weiß gestreiften Zuckerstangen. Ein stimmiges Bild, eine Symmetrie aus Farben und Formen. Leise dringen die Klänge einer weihnachtlichen Melodie herüber und der Geruch von gebrannten Mandeln und heißem Punsch kitzelt meine Geschmacksknospen. Leichter Schneefall und klirrende Kälte runden das Bild eines perfekten Weihnachtsabends ab.

Ragnor geht plappernd neben mir her. Er spricht über die verschiedensten Dinge, aber nur Bruchstücke gelangen an mein Ohr. Zum Abendessen Lamm, ein neues Schloß für die Vordertür eingebaut, der Feinkostladen an der Ecke wurde geschlossen. Ich höre ihm nur halbherzig zu und brumme gelegentlich zustimmend. Denn in Gedanken bin ich bei Alec und dem heutigen Morgen. Es war das erste Mal seit sechs Monaten, dass ich befürchtete alleine aufzuwachen. Wenn Alec früh aufsteht und zur Arbeit geht, dann wache ich auch allein auf. Aber diesmal fühlte es sich anders an. Nach meinem emotionalen Tief in der vergangenen Nacht und der Sicherheit seiner starken Arme hätte es mich sehr enttäuscht, wenn er nicht neben mir gelegen hätte.

Der darauffolgende Sex war phänomenal und das Hoch auf dem ich mich befand wie immer gigantisch. Denn Alec schafft es jedes Mal, dass ich mit einem Fingerschnipsen seinerseits alles um mich herum vergesse und nur noch seine weichen Lippen auf meinen und seinen harten Schwanz in mir spüren möchte. Aber nach einem Hoch folgt auch immer ein Tief. Der Fall kommt plötzlich, unerwartet und heftig. Niemand ist darauf vorbereitet. Der Schmerz des Aufpralls raubt dir den Atem und die blauen Flecken sind nicht nur auf der Haut, sondern auch auf der Seele zu sehen.

Eine Weile schon stehe ich hier an einem kleinen Stand mit handgefertigten Schmuckstücken. Der dunkelblaue Samt lässt das Silber der Anhänger und Ketten strahlen. Jedes Jahr verkauft der Künstler seine Stücke und bei jedem Besuch des Marktes komme ich hier her und lasse meinen Blick über die verschiedensten Dinge gleiten. Oft kaufe ich einen Ring für Raphael oder eine Kleinigkeit für Andrew. Bis auf Ragnor habe ich sonst niemanden den ich beschenken könnte. Doch dieses Jahr ist es anders. Dieses Jahr denke ich beim Anblick der Ringe nicht an Raphael oder Andrew wenn mich der silberglänzende Tunnel so verführerisch anblitzt. Ich denke an Alec und das er nie Schmuck trägt. Eigentlich schade. Denn diese beiden breiten Ringe aus Palladium durchzogen mit einer feiner geschwungen Linie aus wunderschönem Gold wären die perfekten Eheringe für Alec und mich. Langsam streichen meine Fingerspitzen über das kalte Metall. Alecs Worte, leise geflüstert in mein Ohr drängen sich in meine Gedanken.

Und schon beginnt mein Herz damit einen Sprint zu starten und das laute Klopfen ist über den ganzen Marktplatz und die Klänge der Stillen Nacht hinweg zu hören.
Mein Plan am Morgen einfach zu verschwinden wurde von Alec und seinen Händen auf meinem Körper vereitelt. Leise sollte mein Abgang sein, lautlos und unabwendbar. Doch es kam anders und die Erinnerung an das was geschah holt mich gnadenlos ein. Ich atme viel zu schnell und mein Kopf projiziert Bilder vor meinem inneren Auge. Die Stimme von Alec, seine stille Bitte. Meine Zurückweisung und sein von Traurigkeit getrübter Blick.

What happened in Vegas - Plötzlich verheiratetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt