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Ist das sein Ernst? Habe ich mich verhört? Verliere ich den Verstand? Was geschieht hier?
"Was soll das?" frage ich Ragnor. Dieser legt seine Hand beruhigend auf meinen Arm und schüttelt leicht den Kopf.
"Was hat das zu bedeuten?" frage ich aufgebracht.
"Beruhige dich Magnus. Das bedeutet lediglich, dass du ein Jahr verheiratet bleibst. Mehr nicht. Nach diesem Jahr wird die Scheidung offiziell vollzogen und ihr könnt getrennte Wege gehen." höre ich ihn sagen und nicke unmerklich mit dem Kopf.

"Okay. Dann sehe ich Alec in einem Jahr hier wieder." Erleichtert atme ich auf, aber der Richter ist noch nicht fertig. Sein Räuspern schallt laut durch den Raum.
"Sie beide..." Er zeigt mit dem Finger erst auf Alec, dann auf mich. Seine dunklen müden Augen bohren sich in meine. Ich schlucke schwer, irgendetwas sagt mir, dass das noch nicht alles war.
"Sie beide werden in diesem Jahr zusammen leben. Genauso wie Ehepartner es machen." Das ist ein Scherz. Es muss ein Scherz sein. Ist das sein Ernst? Empört und mit offenem Mund starre ich ihn an. Es ist sein Ernst. Fuck.

"Ich sehe Sie in einem Jahr meine Herren. Die Verhandlung ist geschlossen." Das Schlagen des Richterhammers auf die kleine runde Holzscheibe besiegelt seine Worte. Das Urteil ist gefallen. Wir sind nach wie vor verheiratet. Ein ganzes Jahr. Wir sollen zusammen leben. Wohnen? Was meint der Richter damit? Wie stellt er sich das vor? Alec ist ein Fremder. Soll ich mit einem Fremden zusammen leben? Das kann ich nicht. Ich war noch nicht mal bereit Julian so weit in mein Leben zu lassen. Und ihn kannte ich immerhin sechs Jahre.

"Magnus?" Ragnors Stimme und eine Berührung an meinem Arm holt mich aus meinen Gedanken. Verwirrt schaue ich den älteren Mann an. Er lächelt leicht, aber der Ausdruck seiner Augen zeigt mir, dass er besorgt ist.
"Die Verhandlung ist beendet. Wir müssen den Saal verlassen." Mechanisch nicke ich und stehe auf. Meine Beine tragen mich nach draußen, über die langen Flure, die Stufen hinab und vor das Gerichtsgebäude. Warme Luft schlägt mir entgegen, das nervtötende Geräusch der Hupen von ungeduldigen Taxifahrern, wild durcheinander redenden Passanten, der Lärm einer zu großen hektischen Stadt. Und ich mittendrin.

"Du bist ganz blass. Geht es dir nicht gut?" höre ich die tiefe Stimme von Alec. Die Gedanken in meinem Kopf überschlagen sich.
"Nein. Mir ist etwas unwohl." sag ich leise. Es ist nicht gelogen, mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen. Der Gedanke, mit einem fremden Mann das nächste Jahr zusammen zu leben, drückt mir die Luft ab.
Aber auch diesmal gilt es, die Fassung zu bewahren. Was bringt es mir jetzt den Verstand zu verlieren? Gar nichts. Ich bin trotzdem noch immer verheiratet.

"Was machen wir jetzt?" sag ich und registriere plötzlich, dass wir nicht alleine sind. Alec steht vor mir und neben ihm Jace, sein Bruder. Hinter Jace sehe ich Simon, er lächelt mir freundlich zu und hält die dunkelhaarige Schönheit die ich auf Alecs Display sah im Arm. Simons Verlobte? Alecs Schwester, die Ähnlichkeit ist erstaunlich. Sie alle sind hier um Alec zu unterstützen. Ich bin allein. Meine Unterstützung ist Ragnor. Alecs Anwältin sieht mich misstrauisch an. Ihren Namen habe ich bereits wieder vergessen.

Die Art wie sie Alec ansieht, ihn immer wieder beiläufig am Arm oder der Schulter berührt zeigt mir, dass sie sich gut kennen müssen. Angewidert verzieh ich mein Gesicht als ich das Lächeln auf ihren zu roten Lippen und das Funkeln ihrer viel zu stark geschminkten Augen sehe. Sie befeuchtet ihre Lippen und schiebt sich eine Strähne ihrer eindeutig blondierten Haare hinter die Ohren. Mein Herz setzt ein paar Schläge aus, als sich ein Gedanke in meinem Kopf formt. Flirtet sie mit meinem Mann? Was interessiert es mich? Alec kann flirten mit wem er will. Und dennoch kann ich nicht leugnen, dass mir der Gedanke an Alec mit dieser Frau sehr missfällt.

Seine Familie steht geschlossen hinter ihm und ich fühle mich gerade sehr einsam. Raphael und Andrew sind beide nicht in der Stadt. Sie bedauerten es, nicht für mich da sein zu können. Ich habe es noch mit den Worten: "Das ist eine Sache von fünf Minuten. Macht euch keine Sorgen." abgetan. Wer konnte auch ahnen, dass es so endet? Das ich nach wie vor verheiratet bin und ab heute einen neuen Mitbewohner habe.

"Ich werde auf keinen Fall ausziehen." sage ich überzeugt.
"Du hättest auch nicht bei uns einziehen können. Wir teilen uns eine kleine Wohnung." antwortet Jace und verschränkt seine Arme vor der breiten Brust. "Außerdem ist es die Gelegenheit meine Freundin zu bitten bei mir einzuziehen."
"Willst du das überhaupt Magnus?" fragt Alec sorgenvoll.
"Nein. Natürlich nicht." Alecs Miene wirkt noch trauriger als vor zwei Sekunden. Meine schnippische Antwort scheint ihn getroffen zu haben.
"Aber da wir keine andere Lösung haben..." Theatralisch breite ich die Arme aus. "... bist du wohl mein neuer Mitbewohner. Zumindest auf Zeit."

"Ihr solltet das nicht hier auf der Straße besprechen." raunt Ragnor darauf hin in mein Ohr. Er hat recht, hier ist der falsche Ort für solch ein Gespräch. Und wir sollten über einige Dinge reden.
"Lass uns zu mir fahren. Wenn du Zeit hast." sag ich an Alec gewandt.
"Klar. Ich habe heute frei." antwortet er. Wir verabschieden uns von den anderen, ich verspreche Ragnor mich bei ihm zu melden und ordere ein Taxi für Alec und mich. Die Fahrt verläuft schweigend und mit jedem Meter dichter an mein Zuhause werde ich unruhiger.

Denn auf halber Strecke wurde mir klar, ich weiß nicht ob Julian seine Sachen geholt hat. Ist er zurückgekehrt in seine Wohnung oder hat er eine Belagerung meines Hauses begonnen? Die letzten Tage habe ich bei Raphael und Andrew auf der Couch verbracht. Nicht gerade bequem, aber machbar.
"Schöne Gegend. Ruhig." sagt Alec.
"Hmhm. Sehr schön." antworte ich gedankenverloren und bemerke erst das wir am Ziel sind, als die Tür auf meiner Seite geöffnet wird. Leicht irritiert blicke ich hoch und direkt in Alecs Gesicht.

Ein leichtes Lächeln umspielt seinen Mund. Gerade will ich den Fahrer bezahlen als dieser auf Alec deutet.
"Ich war so frei. Du hast die Hotelrechnung übernommen." sagt er und dankend steige ich aus dem Wagen.
Mit zittrigen Fingern stecke ich den Schlüssel in das Schloß und atme einmal tief durch. Irgendwie ist das alles wie in einem schlechten Film. Schnell drehe ich den Schlüssel und stelle fest, dass die Tür verschlossen war. Also sitzt Julian nicht wartend auf meinem Sofa. Erleichtert betrete ich das Haus. Die Schlüssel werfe ich in die Schale auf der Anrichte und entledige mich meiner Jacke und den Schuhen. Diese landen laut polternd in der nächsten Ecke und die Jacke landet auf dem Sessel.

Mein Weg führt mich geradewegs in die Küche, ich hole zwei Gläser und eine Flasche Wasser. Zurück bei Alec bleibe ich stehen und beobachte seine Reaktion auf meine Einrichtung. Er steht im Wohnbereich und sieht sich interessiert um. In seinen Händen hält er meine Jacke und gebannt starrt er auf die Wand neben der Terassentür.
"Wow. Das sind aber viele Bücher." sagt er leise.
"Und ich habe jedes davon gelesen." sag ich laut und Alec macht vor Schreck einen kleinen Hüpfer.
"So schreckhaft?" Spöttisch zieh ich eine Augenbraue nach oben.
"Eigentlich nicht. Aber du schleichst dich an wie eine Katze."
"Gewöhn dich dran. Du wohnst jetzt hier." antworte ich sarkastisch.

What happened in Vegas - Plötzlich verheiratetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt