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Schweigend legen wir den Rest des Weges in unser Zuhause zurück. Der kalte Wind fährt durch unsere Haare, zerzaust das Gebilde auf Alecs Kopf noch mehr und die kleinen Schneeflocken tanzen unermüdlich um uns herum. Leise fallen dicke Flocken aus dem dunklen Himmel und bedecken die Welt mit ihrem weißen Glanz. Ich mag den Schnee. Er hat etwas reines und friedliches. Wie er aus dem Himmel fällt, gefrorenes Wasser in Form von Sternen die einem Ruhe und Frieden versprechen. Schnee fällt leise, Regen laut. Und die Stille zwischen Alec und mir ist es, die gerade tonnenschwer auf meinen Schultern lastet.
"Warum sprichst du nie über deine Eltern?" fragt Alec und plötzlich ist es laut um uns herum. Sehr laut. Denn seine Stimme zerreißt die Stille und auch der eiserne Kokon der mein gebrochenes Herz schützt bekommt feine Risse.

"Weil ich nicht will." antworte ich trotzig und setze wieder schweigend meinen Weg fort. Mir ist durchaus bewusst, dass ich mich wie ein bockiges Kind verhalte das keine Zuckerwatte beim Besuch im Central Park Zoo bekommt. Aber gerade könnte es mir nicht egaler sein. Wir hatten einen wirklich bezaubernden Abend und die Erinnerung an eine so schwere Zeit in meinem jungen Leben reißt mir fast den Boden unter den Füßen weg. Ausgerechnet heute. Ausgerechnet an Weihnachten. Es ist so schon eine schwere Zeit, denn in den nächsten Tagen wird das Gefühl von Vermissen unendlich groß sein.
So wie jedes Jahr. Jedes Jahr seit fast zehn Jahren.

Alec sagt nichts mehr. Er hält auch nicht mehr meine Hand. Stattdessen geht er mit ein paar Schritten Abstand hinter mir her. Es fühlt sich so falsch an. Das alles. Kalt und leer. Ich vermisse die Wärme seiner Haut und das regelmäßige Drücken meiner Hand um zu signalisieren, dass Alec für mich da ist. Das er an meiner Seite steht und mich auffängt wenn ich drohe zu fallen. Die Stufen zur Haustür erklimme ich mit schweren Beinen und bevor ich den kleinen silbernen Schlüssel in das Schloß gleiten lasse, blicke ich über meine Schulter und sehe Alec am unteren Ende der Treppe stehen. Auf einmal schlägt mein Herz schneller, das stetige gleichmäßige Klopfen in meiner Brust verwandelt sich nur einen Sekundenbruchteil später in heftiges Trommeln. Das Blut rauscht in meinen Ohren und gerade jetzt wünsche ich mir nichts sehnlicher als Alec der meine Hand hält. Ich bekomme kaum Luft und eine dunkle Vorahnung schleicht leise aus der Dunkelheit heran, um sich breit grinsend auf mich zu stürzen.

Aus müden Augen sieht Alec zu mir hinauf und ich höre die Stimmen in seinem Kopf die leise flüstern. 'Er stößt dich von sich... Jedesmal. Du bist dumm... Er ist sprunghaft... Dramaqueen... Nie weiß er was er will... Er wird dir immer wieder weh tun... Er tut dir nicht gut... Er ist es nicht wert... Geh Alec... Geh und kehre nicht zurück... Du findest eine neue Liebe... Eine bessere... Einen Mann der dich zu schätzen weiß...'
Ich sehe es in seinem Blick und gerade ist der Gedanke heute Nacht alleine schlafen zu müssen unerträglich.
"Ich fand den Abend mit dir sehr schön Magnus." sagt Alec. Ich nicke.
"Ja. Das geht mir genauso." antworte ich leise und sehe mit Entsetzen, wie Alec sich umdreht und mit den Händen tief in den Manteltaschen vergraben von mir fort geht. Das Buch klemmt unter seinem Arm und der Kragen des schwarzen dicken Wollmantel versucht die eisigen Finger des Winters von seiner reinen Haut fern zu halten. Die Silhouette seines Körpers wird immer kleiner und ich bin wie erstarrt. Mit der einen Hand auf der Klinke und der anderen die schlaff an meinem Arm hängt, aber vor Traurigkeit unaufhörlich zittert sehe ich ihm nach. Nein. Das ist nicht richtig. Warum tut er das? Wo geht er hin? Was habe ich getan?

"Alec." flüstere ich und weiß, dass er mich nicht hört. Zu leise ist meine Stimme. Zu weit ist er bereits entfernt. Ein kleiner schwarzer Punkt in der dunklen Nacht. Erhellt von winzig kleinen Schneeflocken die auf meiner vor Kälte gereizten Haut unangenehm schmerzen. Aber das blende ich aus. Stattdessen begrüße ich den Schmerz wie einen alten Freund und lasse ihn Platz nehmen in dieser von dunklen Wolken umgebenen Welt. Ich weiß nicht wie lange ich hier stehe, mit der Hand auf der Klinke und Leere in meinem Herzen. Meine Finger sind fast taub und bitterer Schmerz schießt durch jede Nervenzelle in meinem Körper. Das glatte Metall der Türklinke ist eisig und verstärkt die Kälteimpulse. Mein Kopf versucht mir zu signalisieren, dass es genug ist. Genug der Qual, genug des Schmerzes. Die Kälte der Dezembernacht frisst sich durch meine Kleidung und die Haut. Durchdringt Muskeln und Sehnen und legt sich schmerzend auf jeden einzelnen Knochen. Ich zittere und meine Zähne schlagen in einem gleichmäßigen Takt aufeinander.

What happened in Vegas - Plötzlich verheiratetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt