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Andrew Underhill-Santiago ist seit drei Jahren verheiratet. Am Tag seiner Hochzeit mit Raphael Santiago trug er einen nachtschwarzen Single-Button Smoking mit geweitetem Schalkragen und seidenbesetzten Paspeltaschen. Aber Andrew wäre nicht Andrew, wenn er nicht im Herrenausstatter gestanden und die Stirn in besorgniserregenden Falten gelegen hätte. Andrew Underhill-Santiago ist einer der Menschen, die sich wahnsinnig schlecht entscheiden können. Wir verbrachten gefühlte Stunden damit das Für und Wider eines schwarzen Smokings zu diskutieren. Landeten schließlich bei einem nachtblauen mit schwarzem Kragen und nach einer weiteren Diskussionsrunde besaß Andrew zwei baugleiche Smoking in unterschiedlichen Farben.

Wie so oft hat Raphael Recht behalten und der blaue Smoking sitzt wie eine zweite Haut.
"Du siehst gut aus." sagt Raphael und sieht mich lächelnd über den Spiegel hinweg an.
"Er sieht heiß aus. Das blau steht dir viel besser als mir." entgegnet Andrew mit funkelnden Augen und einem verschmitzten Lächeln.
"Ich will Alec nicht blamieren. Das war eine beschissene Idee." sage ich leise und öffne den Knopf um das Jacket von meinen Schultern zu schieben.

"Was machst du da?" fragt Andrew aufgebracht und steht plötzlich vor mir, schiebt das Jacket wieder über meine Schultern und schließt den Knopf. Mit gekonnten Handgriffen zubbelt er an der Fliege herum und sieht mich danach zufrieden an.
"Du siehst großartig aus. Und Alec wird sich freuen das du da bist." Natürlich habe ich meinen zwei besten Freunden alles über den Kuss und den Spaziergang im Regen erzählen müssen. Auch die seltsame Begegnung von heute Morgen ließ ich nicht aus. Beide schwiegen und nach einer Weile ging Raphael wortlos in ihr gemeinsames Schlafzimmer und nun stehe ich in diesem atemberaubenden Smoking und frage mich, was ich hier eigentlich mache.

Kopf aus, Herz an. Magnus Lightwood ist kein Feigling. Ich bin einfach nur Gast auf einer Hochzeit. Niemand weiß das ich komme. Fuck. Welche Blamage steht mir bevor unangemeldet auf der Hochzeit der Schwester meines Las-Vegas-Ehemannes zu erscheinen? Sie wissen nicht das ich komme.
"Alec weiß gar nicht das ich komme. Wenn er mich gerne dabei hätte, dann hätte er sicherlich gefragt. Alec ist ein direkter Mensch. Ich kann da nicht hin." Zweifel. Jede Menge Zweifel und auch Angst vergiftet meine Gedanken. Warum denke ich so?

Ich habe keine Zeit darüber nachzudenken. Andrew packt mein Handgelenk und zieht mich mit zur Tür und schnappt sich im vorbeigehen noch seine Autoschlüssel.
"Bis später Liebling. Ich fahre Magnus zur Location. Und ich sorge dafür, dass er auch da bleibt." ruft Andrew und ich höre Raphael noch lachen. Der eine oder andere dumme Spruch liegt ihm sicherlich schon auf der Zunge, aber die Tür ist bereits lautstark hinter uns ins Schloß gefallen. Andrew ist groß und kräftig und ich nur halb so willenlos wie ich wirke. Ungeachtet meinen Zweifeln genieße ich die Führung durch Andrew und entspanne mich sichtlich als wir im Wagen sitzen.

Ich höre einfach stumm zu wie Andrew mir erzählt, dass die Frau meines Bosses die neue beste Freundin meines Mannes ist. Alec hat zwar erwähnt, dass er sich bereits Gedanken wegen der Pergola gemacht hat, jedoch nicht, dass die beiden so eng miteinander sind. Und Mrs Wayland hat ihm auch die Adresse von Andrews Praxis gegeben. Andrew liest mir gerade die Leviten, dass ich Alec auf dem Sofa schlafen lasse und er sich jetzt um die malträtierten Muskeln meines Mannes kümmern muss. Dabei wären Alec diese Schmerzen mit einem vernünftigen Bett und einer orthopädischen Matratze erspart geblieben.

Andrew kann sehr weit ausholen wenn er einmal im Rausch ist und erst recht, wenn es um seinen Job geht. Medizinische Fachbegriffe, Musculus trapezius, Musculus rectus capitis posterior major, Fascia nuchae sind nur einige wenige. Ich schalte einfach ab und lehne meine Stirn an das kalte Glas der Scheibe. Die Nervosität macht sich schleichend breit und je weiter wir fahren, umso schlimmer wird es. Andrew fährt zielstrebig durch die vollen Straßen. So viele Autos, glänzende Blechlawinen und unzählige Menschen die versuchen noch während der Grünphase die große Straße zu überqueren. Menschen jeden Alters, Männer und Frauen mit Kindern an der Hand, ein älterer Herr mit einem schwarzen Hund an der pinkfarbenen Leine, gestresste Manager und über all dem der wolkenlose blaue Himmel mit einer strahlend hellen Sonne. Es ist der perfekte Tag für eine Hochzeit und ich hoffe, dass er durch mein plötzliches Auftauchen nicht im Chaos endet.

Die Fahrt dauerte ewig, gefühlte zwanzig Stunden und ein anderer Kontinent später biegt Andrew in die Einfahrt zu einem schicken kleinen Landhotel ein. Das herrschaftliche Gebäude aus braunem Stein und Weinranken an der Fassade begrüßt uns und hinterlässt sofort ein warmes Gefühl in meiner Brust. Eine weißgekieste Auffahrt, gesäumt von schmalen Hecken und wunderschön blühenden Rosenbüschen. Ihr Duft liegt wunderbar süß in der Luft und ich atme einmal tief durch als ich den Wagen verlasse und eine leichte Brise durch meine Haare fährt. Die Sonne wärmt mein Gesicht, eine frische Brise kitzelt meine Haut und das Herz schlägt bis zum Hals als ich realisiere, dass es jetzt kein Zurück mehr gibt. Meine Hand umklammert den oberen Rand der Autotür, das kalte Metall drückt sich fest in meine Handinnenfläche. Die andere Hand zittert leicht. Vor mir steht ein Mann mit blauen Augen und schwarzen Haaren. Sein Gesicht spricht Bände. Er ist alles andere als erfreut mich zu sehen.

What happened in Vegas - Plötzlich verheiratetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt