Four | Kenneths Attacke | IV

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PoV. Leo:

Scott Harvey.

Ich dachte, ich würde ihn kennen. Durch seine Posts. Seine Online-Präsenz. Die Wahrheit ist jedoch: ich kenne ihn überhaupt nicht. Ich habe ihn erst jetzt kennengelernt. Ein erst charmanter Junge, welcher aber eigentlich genau so ist wie alle anderen Alphas auch. Meine Träume sagen mir die Wahrheit. Doch was mich am meisten aufregt, ist dass er vor meinen Eltern so lieb und nett zu mir ist, doch als ich ihn heute mit zur Schule genommen und ihm seine Klasse gezeigt habe, hat er mich durchgehend ignoriert. Nicht ein Wort war ich Seiner würdig.

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als mich eine Papierkugel am Hinterkopf trifft. Genervt drehe ich mich um und sehe in die feixenden Gesichter meiner Mitschüler aus der letzten Reihe. Giggelnd sehen sie mich an und beobachten meine Reaktion. Seufzend hebe ich jene Papierkugel auf, und falte den Zettel auseinander. Auf diesem erkennt man ein Strichmännchen, welches vor einem weiteren, größerem Strichmännchen kniet. Natürlich tun die beiden dabei unanständige Dinge, und sie wurden sogar mit den Symbolen für Alpha und Omega betitelt. 

Säuerlich zerknülle ich den Zettel in mehrere Teile, ehe ich aufstehe und die Überreste in den Papierkorb schmeiße. Hinter mir höre ich die letzte Reihe, die sich vor Lachen nicht mehr einkriegt. Alles was von Boltersbach darauf erwidert wird ist nur ein gelangweiltes "Etwas mehr Ruhe bitte". Mich hätte er für so eine Aktion direkt auf den Flur verbannt. Genervt lasse ich mich wieder auf meinen Platz fallen und sehe wieder nach draußen. Wiese muss denn ausgerechnet mein Leben so scheiße sein? Bin ich mit meinem Sekundar-Geschlecht nicht gestraft genug? 

Das Klingeln reißt mich aus meinen Selbstmitleid-Gedanken, und ich verlasse hastig das Klassenzimmer. Auf dem Flur treffe ich auf niemand anderen als Kenneth, welcher gekonnt meinen Arm aus der Menge abfängt und mich zu seiner Gruppe schleift. "Schaut mal, wen ich hier habe!", ruft er aus, und die Clique an Elftklässlern pfeift anerkennend.  "Lass mich los!", fauche ich Kenneth gewannt an, welcher kurz tatsächlich etwas überrascht wirkt. Schnell fängt er sich aber wieder und drückt mich gekonnt gegen die Wand.

Verzweifelt versuche ich, seinem Griff zu entkommen. Seine Gruppe scharrt sich erneut um mich und kommentiert Kenneths Verhalten mit Gelächter und Anfeuerungen. Ich spüre, wie mir meine Tasche abgenommen wird. Kurz danach höre ich, wie erneut sämtliche Materialien darin auf dem Boden verstreut werden. Ich schließe die Augen und schlucke es herunter. Erneut. Etwas Anderes bleibt mir schließlich auch nicht übrig. "Ich glaube, unserem lieben Omega gefällt das nicht so", wispert Kenneth in mein Ohr, doch ich sage nichts. "Ich höre dich nicht! Gefällt es dir?", wiederholt er dann lauter und drückt mich fester an die Wand. Hastig nicke ich, doch er entfernt seinen Druck nicht.

Auf einmal dringen ungewöhnlich laute Stimmen an mein Ohr. Auch Kenneth scheint es bemerkt zu haben, denn er und seine Gruppe schauen ebenfalls zum anderen Ende des Flurs. Mein Sichtfeld ist durch die Wand etwas begrenzt, trotzdem erkenne ich die dichte Menschenansammlung in dem üblichen Getümmel des Flurs. Die Menge bewegt sich auf uns zu in Richtung Ausgang zum Schulhof. Immer wieder dringen Worte wie "Scott", und "Harvey" an mein Ohr. Kenneth scheint komplett verblüfft von dem Trubel zu sein, der sich sonst immer um ihn scharrt, denn er lockert seinen Griff während er zu der Menge rüber schaut.

Als die Gruppe um Scott bei uns vorbei kommt, und sich immer noch niemand für Kenneth interessiert, nutze ich meine Chance. Mit einem gezielten Stoß schubse ich Kenneth von mir weg, schnappe mir meine Halbvolle Tasche und verschwinde dann in der dichten Menschenmasse. In diesem Moment liebe ich mich dafür, dass ich etwas kleiner bin. Geschickt wusle ich mich durch die vielen Körper hindurch zur Eingangshalle und dann durch die Glastüre in Richtung Freiheit. Ich sprinte über den Asphalt in Richtung meiner üblichen Ecke. Immer wieder werfe ich panische Blicke über meine Schulter aus Angst, dass mich Kenneth weiter verfolgt.

Different Worlds 🔁 | BoyxBoy OmegaverseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt