Kapitel 9

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Kapitel 9


Hiral


Als ob ich neben mir stand und mich selbst beobachtete, so kam mir der Abend vor. Vor allem während meiner eigenen Versteigerung.

Ich wusste, dass Sex im Spiel war und dass ich einen fremden dienen müsste. Ich wusste ungefähr, was mich erwartete. Jedenfalls dachte ich, dass ich es wusste. Bis zu dem Moment als Miss Mona den anwesenden potentiellen Bietern erklärte, welche Möglichkeiten ihnen offen standen.

Das Leben in dieser Welt war nicht schön. Niemand wollte hier wirklich leben und trotzdem waren die Straßen gefüllt mit denen, die doch keine andere Wahl hatten, als hier zu sein.

Pandit war ein grausamer Mann, aber trotzdem lebten wir unter seine Kontrolle.

Wir lebten. Mehr gab es aber auch zu unsere Existenz nicht zu sagen.

Er hatte mir bis jetzt viel zugemutet. Es erschreckte mich, dass es offensichtlich immer noch eine Steigerung gab.

Ich zitterte am ganzen Körper, als man mich von der Tanzfläche führte und mich in einen fensterlosen Raum führte, wo ich auf meinen neuen Besitzer wartete. Wie viele Nächte würde ich wohl bei ihm bleiben müssen? Würde er mir wehtun? Würde er sehr grausam sein? Ich öffnete meine Handinnenfläche und streichelte mit meinem Finger über den Buchstaben N.

Als ich getanzt hatte, war ich frei. Die Männer sah ich nicht und nahm sie auch nicht wahr. Da war nur ein Gesicht, das ich mir vorstellte und für ihn tanzte ich mir die Seele aus dem Leib. In meiner Vorstellung konnte er mich sehen und verstand, was ich ihm sagen wollte.

Ich hatte nie bei den Guptas getanzt. Ihnen nie gezeigt was ich konnte. Noch nicht mal heimlich in meinen Raum, wo mich niemand sehen konnte, traute ich mich, meine sogenannte Gabe zu offenbaren. So hatte das Pandit immer genannt, obwohl ich mein Tanzen nicht wirklich eine Gabe nannte. Es war nur etwas, worin ich gut war.

Bei den Guptas spielte mein Tanzen kaum eine Rolle in meinem Leben. Pandit hatte mir sogar ausdrücklich verboten, bei den Guptas zu tanzen. Zu groß war die Angst, sie würden erfahren, wer ich wirklich war.

Meine Augen verließen Nikhils Buchstaben und landeten auf meinem Kleid. Sofort erinnerte ich mich an etwas, dass ich vergessen wollte. Es war die Zeit, bevor ich zu den Guptas kam. Die Zeit in der mir meine Unschuld und der Glaube an das Gute genommen worden war. Ich wurde in diese Erinnerung gezogen und konnte mich ihr nicht entziehen.

*

Die Tür der Kiste in der mich man eingesperrt hatte, öffnete sich und ein neues Gesicht begegnete mir. Es dauerte einige Sekunden bis ich die Person deutlicher sehen konnte denn wenn man lange Zeit in der Dunkelheit verbrachte, dauerte es bis sich die Augen an Licht gewöhnen konnten.

Ich hatte Angst vor dem was mich erwartete, denn es müssten böse Menschen sein, die kleine Kinder sowas antaten wie mir und den anderen die mit mir gefangen waren.

Die Frau lächelte und signalisierte mir mit ihrer Hand zu ihr zu kommen. Sofort füllten sich meine Augen mit Tränen und ich wusste nicht wieso, aber ihr freundliches Gesicht brachte alle versteckten Gefühle hervor. All meine Zweifel und Skepsis wurden innerhalb von Sekunden aufgelöst, einfach weil sie mich angelächelt hatte.

Sobald ich vor ihr stand fragte ich.

>>Ist mein Papa da? Oder meine Mama? Haben sie mich gefunden? Bitte, bring mich zu meinen Eltern. Ich verspreche, ich werde gut sein. Ich werde auf dem Feld helfen und nicht nach einer Pupe fragen. Ich will keine Spielsachen. Ich brauche sie nicht. Alles was ich will, ist nach Hause zu meiner Familie zu gehen.<<

Spark, Bastards of India (Book 4)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt