Berlin

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Mein lauter Wecker riss mich aus meinen Träumen. Heute war Freitag, was Arbeit bedeutete. Schon seit ich ein kleines Kind war, wollte ich zur Polizei und dieser Traum ist vor einem Jahr in Erfüllung gegangen. Das einzige woran mein Vergangensheits-Ich wohl nicht gedacht hatte, war wohl die Arbeitszeiten.

Ich zog mir murrend einen schwarzen Pullover über und versuchte mich in enge Jeans zu quetschen. Aufstehen war nicht gerade der Schritt meiner Morgenroutine, den ich am liebsten hatte. Müde schlich ich durch meine Wohnung Richtung Küche, mit einem Hungergefühl, was mich drohte umzubringen.

Das Nutellaglas, welches ich vor ein paar Tagen erst gekauft hatte, lächelte mich an und so gab ich meinen Gelüsten nach Süßem nach. Ich strich mir ein Nutella Brötchen und legte das schokoladenbeschmierte Messer zur Seite. "Fuck", war wohl das erste Wort, welches das Tageslicht dieses Morgens erblicken sollte. Meine Jeans war voll mit Nutella von dem Messer das ich anscheinend unbemerkt an die Kante der Arbeitsfläche gelegt hatte. Die Uhr an meinem Handgelenk zeigte Viertel vor sechs an, also dringendst Zeit, um sich auf den Weg zu machen.

Gerade noch die Straßenbahn erwischt, fuhr ich zur Dienststelle. Der Stress, sich in letzter Minute umzuziehen, hatte mich anscheinend aufgeweckt, denn ich fühlte mich wacher als sonst. Der DGL begrüßte mich mit einem: "Morgn". Wenigstens war ich nicht der Einzige Morgenmuffel auf der Wache. "Du und Sören, ihr fahrt heute.", berichtete er mir ohne Umschweife. Seine Direktheit wirkte auf mich anfangs unsympathisch, aber je länger ich auf dieser Wache arbeitete desto mehr merkte ich, wie toll es war, morgens nicht direkt mit Smalltalk bombardiert  zu werden.

Sören kam direkt nach mir durch die Milchglastür und unser Dienstgruppenleiter wiederholte noch einmal, was er vorhin zu mir gesagt hatte. Wir legten unsere Taschen in die Spinde im Spindraum und machten uns auf den Weg. Die Streife verlief ungewöhnlich ruhig für eine Großstadt. Somit hatten Sören und ich Zeit über Gott und die Welt zu sprechen. "Ich hab gehört Alissa hat das Kind bekommen.", sagte ich schmunzelnd, meinen Blick auf die Straße gerichtet. "Ja, es war ein Auf und Ab der Gefühle für gute 3 Stunden.", seufzte mein Kollege lächelnd. Da seine Frau das Kind etwas zu früh bekam, musste Sören diese Woche noch arbeiten, bis er ins Papamonat wechseln konnte. Ich gratulierte ihm noch, als ein Funkspruch uns unterbrach. "Fahrt schnell in die Flurunken Straße, Melderin ist Vorort und meldet einen Einbruch." Sören nahm das Funkgerät und antwortete: "Verstanden." Perfekt. Das war meine Straße.


Ich drückte das Gaspedal und aktivierte die Signallichter. Es wäre eine Lüge, wenn ich sage, dass ich keine Euphorie verspüre bei dem Anblick der Autos, die schnell ausweichten, um uns Platz zu machen. Bei einer Kurve bog ich ab und erblickte direkt eine Frau vor dem Eingang zu meinem Wohnbau. Sie versuchte mit Händen und Füßen auf sich aufmerksam zu machen. Ich erkannte sie, meine Nachbarin.

Sören begann direkt ihre Personalien aufzunehmen. Frau Stein, so hieß die Dame, kam, als ich um das Auto herum zu den beiden ging, direkt auf mich zu und fing an zu erzählen. Hektisch schaute sie von links nach rechts, von Sören zu mir, wild gestikulierend. Ich konnte es ihr nicht verdenken. Das war wohl das aufrengenste was in den letzten Jahren in diesem Viertel passiert war. "Ich bin gerade vom Einkaufen nach Hause gekommen, als ich Ihre", sie schaute mich durchdringend an, Sorge ins Gesicht geschrieben, "Wohnung entdeckt habe, die Tür war offen. Vollkommen durcheinander, als wäre sie durchsucht worden. Reingehen wollte ich nicht. Die im Fernsehen brauchen für sowas ja immer extra Ausrüstung." Sören schrieb mit was sie sagte. "Die Stühle, alle umgehauen, Vorhänge heruntergerissen, der Flur beschmiert mit Abdrücken von Schmutz. Ich glaube das könnten Schuhabdrücke gewesen sein."


Viel mehr hatte ich von ihren Erzählungen nicht mitbekommen, denn mein Geist schaltete einfach auf Durchzug. Ich hörte ihr nicht mehr zu und war mit den Gedanken wo anders. Anscheinend würde mich meine Vergangenheit doch früher als gedacht einholen. Mein Kollege scheuchte meine Gedanken mit einem: "Gehen wir rein?" wieder in die Realität zurück. Ich nickte nur, ein schlechtes Gefühl im Magen, als wir uns von der Dame entfernten und ihr rieten draußen zu warten. Sören schaute immer wieder besorgt zu mir. Zwar nur für ein paar Sekunden, so schnell dass man es kaum bemerkte, aber ich bemerkte es. "Alles gut? Du kannst auch bei deiner Nachbarin warten.", bat er mir schließlich im Flur, zur Hälfte der Treppe an. Natürlich fand ich diese Option nicht schlecht, es hätte mir vermutlich einiges an schlaflosen Nächten gekostet. "Aber ich kann meinen Partner nicht allein lassen.", sagte ich, anscheinend entschlossener, als ich mich fühlte, denn Sören schien nicht mehr an ein Wegschicken zu denken, als er die Dienstwaffe zog und halb gebückt voran ging. Die Wohnung lag im zweiten Stock, also war der Weg nicht allzu weit.

Köln Segen oder Fluch? - AS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt