Paul Richter

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Nun stand ich hier am Bahnhof mit einem großen Koffer in Berlin auf der Reise nach Köln. Drei Tage waren nun vergangen. Der DGL sagte mir, dass mich in Köln einer meiner neuen Kollegen schon erwarten würde. Doch zuerst hatte ich eine fünf stündige Fahrt vor mir. Zum Glück war heute nicht viel los, was mich allerdings wunderte da es Montag war. Die Bahn kam und ich stieg ein. Schnell suchte ich mir einen Sitzplatz und holte meine Kopfhörer raus um ein bisschen Musik zu hören. Ich hörte alles von Klassik bis hin zum härtesten Metal. Doch ein Song brachte Erinnerungen zurück. Erinnerungen aus einer dunklen Zeit in meiner Vergangenheit.
Freiheit von Saltatio Mortis (den Song kannst du dir oben anhören).

,,Sie dürfen die Braut jetzt küssen.", das waren wohl die schlimmsten Worte die ich je gehört hatte. Mein Stiefvater grinste verstohlen zu mir hinüber als er sich umdrehte, um wieder durch den Kircheingang zu gehen. Hätte ich gewusst was für Ausmaße diese Ehe nach einiger Zeit haben würde, hätte ich die Kirche wohl nie verlassen. Der erste Monat nach der Hochzeit verlief ganz gut. Der neue Mann meiner Mutter sorgte sich liebevoll um sie und half im Haushalt. Bis zu dem Tag, an dem er mit seinen Freunden nachhause kam. Zu diesem Zeitpunkt war ich 16 Jahre alt. Immer öfter traten diese fremden Männer in unser Zuhause. Natürlich dachte sich keiner von uns etwas dabei. Oft versuchte ich nicht in den Raum zu gehen wenn diese Fremden bei uns waren. Mein Stiefvater sorgte dafür, dass es auch immer Fremde blieben. Deutlich verbot er mir mit ihnen ein Wort zu wechseln, oder sie auch nur anzusehen. Leider funktionierte das nicht immer. Wenn ich in den Raum kam musste ich mir Sätze wie, Süß die Kleine, Schöner Arsch oder Gut zu ficken anhören. Oft versuchte ich es zu ignorieren, selbst wenn es mir zu viel wurde schwieg ich, außer das eine Mal. Der Ehemann meiner Mutter schrie mich laut an und schickte mich auf mein Zimmer. Wenn meine Mutter nicht zuhause war, wurde er aufdringlich. Es kam immer wieder zu Berührungen von Oberschenkeln, Streicheleinheiten oder Kuscheln. Auch wenn ich nie echte Vaterliebe erfahren durfte, da mein leiblicher Vater sehr früh gestorben war, konnte ich spüren, dass dies nicht normal war. Eines Nachts zog ich mich gerade um, um schlafen zu gehen. Dazu hatte ich meistens nur Unterwäsche an, legte mir denoch ein T-Shirt raus um, falls ich aufstehen wollte, meine Oberweite zu verdecken. So stand ich nun halb nackt im Raum und wollte gerade unter meine Decke schlüpfen. Plötzlich klopfte es. Anstatt zu warten trat er ein. Stürmisch rannte er auf mich zu und drückte mich auf mein Bett. Sein Atem roch nach Alkohol.

Durch eine ruhige Stimme wurde ich aus meinen Gedanken erschreckt. ,,Entschuldigung, ist hier noch frei?", eine ältere Dame stand neben mir und deutete auf den gegenüberliegenden Platz. Meine Handtasche die auf diesem lag nahm ich an mich und deutete ihr sich zu setzten. Meine Kopfhörer hatten sich ausgeschaltet. Akku leer. Mir blieb nichts anderes übrig als aus den Fenstern des Zuges zu schauen. In Gedanken versunken, merkte ich gar nicht, dass ich die Melodie des vorherigen Liedes summte. ,,Sie haben eine schöne Singstimme.", lobte mich die alte Frau. Verlegen bedankte ich mich. Was sollte ich auch schon sagen? Doch die Frau ließ nicht locker. Sie strahlte so eine Aura der Freude aus und verwickelte mich immer weiter in ein Gespräch. Ich war sehr froh darüber, jemanden zu haben, mit dem ich die Fahrt zusammen überstehen konnte. Leider unterbrach uns eine Stimme aus den Lautsprechern:,, Nächste Station Köln Mühlheim." Das war meine Station. Ich verabschiedete mich von der netten Dame und stieg aus. Mit meinem Koffer und meiner Handtasche auf dem Arm, stand ich am Bahnsteig. Schnellen Schrittes wanderte ich durch den Bahnhof, drehte mich aber perplex um, als jemand nach mir rief:,, Entschuldigung, sind Sie Romy?" Zuerst wusste ich nicht was ich antworten sollte, bejahte dann aber schließlich doch. Er stellte sich als Paul vor. Ein brauner Bart zierte sein Gesicht. Allgemein schien er mir sehr sympathisch. Während wir uns vom Bahnhof entfernten, redeten wir ein wenig. ,,Soll ich dich zu deiner Wohnung fahren?", fragte Paul. Mein Chef erklärte mir noch vor der Abfahrt, dass ich eine vom Amt finanzierte Wohnung bekommen sollte. ,,Ja, wenn es keine Umstände macht?", antwortete ich unsicher. In Pauls Wagen sagte ich den Namen der Straße und die Hausnummer. ,,Die kenn ich.", meinte er und fuhr schon mit einem Lächeln los. Vorerst setzte er mich ab damit ich meine Wohnung inspizieren konnte. Wir verabredeten uns am Morgen, um ein paar seiner Kollegen kennenzulernen. Richtig begeistert war ich ja immer noch nicht, ging aber trotzdem den ersten Raum den ich finden konnte, welches zum Glück das Schlafzimmer war, und schmiss mich erstmal ins Bett.

Köln Segen oder Fluch? - AS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt