~Kapitel 5~

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Gedankenverloren schlenderte ich durch Frankfurt. Es hatte einen beruhigenden Effekt, bei Nacht durch die wunderschöne Stadt zu laufen und die leuchtenden Gebäude zu betrachten. Meine Mum und ich wohnten in einem kleinen Haus außerhalb der Stadt. Dies konnte mich jedoch nicht daran hindern, nachts hierher zu kommen. Noch dazu war es eine gute Möglichkeit, um einfach mal abzuschalten und der Hektik des Alltags zu entkommen. Als ich am eisernen Steg ankam, blieb ich stehen und schaute auf den Main hinunter, dessen Wasser wie zäher schwarzer Teer aussah, welcher träge vorwärts floss. Ich richtete meinen Blick gen Horizont. Der Vollmond schien direkt über mir und sein gleißendes Licht schien mich zu überfluten. Es war fast so wie in einem dieser Fantasyfilme. Mit einem zufriedenen Lächeln schloss ich die Augen und ließ mir vom peitschenden Wind die Haare zerzausen. Auch wenn ich nur einen relativ dünnen Mantel trug, fror ich nicht. Die Kälte war sogar recht angenehm und schien nicht nur meinen Körper, sondern auch meine hitzigen Gedanken abzukühlen. Lace und ich waren nach dem Geschichtsunterricht zu ihr nach Hause gefahren. Ihre Eltern waren ziemlich reich und wohnten im Westend-Süd. Beide waren Ärzte und arbeiteten als Chirurgen an der Uniklinik Frankfurt. Ich war froh, dass Lace deren arrogante Art nicht besaß. Wenn es nach ihr ginge, würde sie sich am Liebsten nur mit der Unterschicht umgeben. Dafür zollte ich ihr meinen größten Respekt. Sie hatte mir von ihrem Familienverhältnis erzählt, doch egal wie sehr ich auch versucht hatte, mich auf das zu konzentrieren, was sie sagte, es dauerte nicht lange, bis ich kläglich scheiterte. Und das lag an unserem neuen Lehrer. Ich bekam Herrn Knox einfach nicht mehr aus meinem Kopf. Ich fragte mich, weswegen dieser Mann solch eine Anziehung auf mich ausübte, doch wusste ich die Antwort bereits. Weil er gefährlich war. Das verbotene Spielzeug. Er war unkontrollierbar und doch auf eine gewisse Art liebevoll und nett. Wenn auch nur im Entferntesten. Mir gelang es hinter seine Fassade aus Arroganz zu blicken, nur für den Bruchteil einer Sekunde. Und das, was ich sah, war eine ungezügelte Inbrunst. Etwas Dunkles und Bedrohliches. Das war es, was eine besondere Wirkung auf mich ausübte. Deshalb interessierte ich mich so für ihn. Doch ich musste mir ihn schnellstmöglich aus dem Kopf schlagen. Denn ich war nur ein naives Mädchen, eine Schülerin. Seine Schülerin. Meine beste Freundin hielt nichts von ihm, da sie ihn für arrogant und inkompetent erachtete. Ich musste zugeben, dass sie recht hatte. Jedoch übte er eine ungewohnte Anziehung auf mich aus und das ließ mich erschaudern. Doch vielleicht gab es eine viel simplere Erklärung. Mein Vater war schwer drogenabhängig und starb an einer Überdosis, als ich sieben war. Ein Schicksalsschlag, welcher nicht jeder im Stande ist zu verkraften. Meine Mum arbeitete kontinuierlich um unsere Miete bezahlen und uns ein schönes Leben ermöglichen zu können. Doch wie es kommen musste, langte das Geld hinten und vorne nicht. Und so lernte ich auch Lace kennen. Sie hatte bemerkt, wie ich damals immer mit kaputten Schuhen zur Schule kam, da Neue einfach zu teuer waren. Und so gab sie mir irgendwann ihre Eigenen. Ihre Eltern beschlossen uns finanziell zu unterstützten, auch heute noch, sofern wir etwas brauchten. Sie mochten arrogant sein, abgestumpft durch ihre Arbeit, aber trotz alledem hatten sie ein gutes Herz.

Aber meine Gefühle zu Herrn Knox waren ein Problem für sich. Noch überwog mein Gewissen, doch ich wusste, dass irgendwann der Punkt kam, an dem meine Gefühle die Oberhand gewannen. Aber wollte ich das denn überhaupt verhindern? Das war eine Frage, mit der ich mich wohl noch länger rumschlagen würde. Dieser Mann hatte etwas Gefährliches und Unergründliches an sich. Er war wie ein Buch, welches man noch lesen musste. Doch zuerst musste man die Ketten sprengen, die es zusammenhielten und mit einem Schlüssel aufschließen, der anscheinend nicht existierte. Ich dachte an den Vorfall von heute Mittag zurück. Es war, als ob ich immer noch die kalte Klinge auf meinem Rücken und seine heiße Hand an meinem Kinn spüren konnte. Als ob ich immer noch den Geruch seines Parfums in der Nase hätte und die stahlgrauen Augen mich kontinuierlich anblicken würden. Plötzlich traf mich bittere Resignation. Er hatte mir für kurze Zeit die Entscheidung genommen, über mich selbst zu bestimmen und mir seinen Willen aufgezwungen. Er hatte mich dominiert und es hatte mich noch nicht Mal gestört. Ich fröstelte und verzog das Gesicht. Damit wollte ich mich nicht auseinandersetzen. Es reichte, dass er mich vor der ganzen Klasse bloßgestellt hatte, auch wenn ich ihm schlussendlich die Stirn bieten konnte. Natürlich hatte ich vorgehabt, zum Rektor zu gehen, aber schlussendlich hatte ich mich dann doch eines Besseren besonnen. Menschen wie er waren mir nicht fremd.

Serial Killer (In Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt