~Kapitel 6~

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Luciá Diaz parkte ihren schwarzen Subaru vor dem Hotel, welches sie gebucht hatte, und stieg aus. Sie quartierte derweil im Hilton, eines der teuersten und nobelsten Hotels in Frankfurt. Da ihr Vorgesetzter für die Kosten aufkam, konnte sie darüber nur milde lächeln. Aufmerksam ließ sie ihren Blick schweifen. Ein regelrechter Menschenstrom flutete den Eingang. Womöglich war gerade ein Flugzeug gelandet. Luciá beschloss, dem Strom zu folgen. Nachdem sie an der Rezeption eingecheckt hatte, betrat sie ihr Zimmer. Zumindest hatte sie das vor, bis sich prompt ein unbekannter Mann vor sie stellte und somit die Tür ihres Appartements blockierte. Reflexartig zuckte ihre Hand zum Holster ihrer Astra. "Kann ich Ihnen helfe, Sir?", fragte sie mit abfälligen Tonfall und musterte den Unbekannten argwöhnisch. Er war offensichtlich russischer Abstammung. Seine Augen glichen einem wässrigen Blau und er hatte sich die langen schwarzen Haare zu einem Zopf gebunden. Blaue Augen und schwarze Haare. Das sah man nicht alle Tage. "Sei doch nicht so abweisend, Süße", säuselte er und strich ihr unaufgefordert über die Wange. Luciá packte sein Handgelenk und stieß ihn herrisch von sich. "Nenn mich nicht Süße, kapiert!?" Am Liebsten hätte sie ihm das schmierige Grinsen mit einem Faustschlag aus dem Gesicht getilgt. Der Mann lachte dunkel und strich sich mit unbekümmerten Gesichtsausdruck seinen anthrazitfarbenen Anzug glatt. "Ich will doch nur ein wenig Spaß", entgegnete er mit einem vielsagenden Grinsen. "Deine herrische Art gefällt mir. Du bist bestimmt gut - im Bett." Luciá platzte der Kragen. Sie zog ihre Astra und entsicherte diese. "Hast du überhaupt eine Ahnung, wen du hier vor dir hast? Ich kann dich schneller einlochen, als dass du bis drei zählen kannst. Und zwar ganz ohne Gerichtsbeschluss." Ihr Finger zuckte zum Abzug, bereit, diesem aufgeblasenen Macho eine Kugel in den Schädel zu jagen. Bedauerlicherweise kam es jedoch nicht dazu, denn eine tiefe Männerstimme hallte zu ihnen. "Iwan! Los, lass die Frau in Ruhe!" Ein breitschultriger Mann kam neben ihnen zum Stehen. Sie warf dem Neuankömmling einen Seitenblick zu und musste feststellen, dass er Iwan bis aufs Haar glich. Aus dieser Tatsache schloss sie, dass die beiden wohl Brüder waren. Iwan warf ihr noch einen letzten, vernichtenden Blick zu, ehe er zielstrebigen Schrittes von dannen stapfte. Der Mann neben ihr schaute seinem Bruder kopfschüttelnd nach und seufzte erschöpft. Dann drehte er sich mit einem zerknirschten Grinsen zu ihr um. "Entschuldigen Sie bitte vielmals das Verhalten meines Bruders, Miss. Er wird Sie nicht noch einmal behelligen." Luciá ließ die Astra wieder im Holster verschwinden. "Ich heiße übrigens Andrej", fügte der Schwarzhaarige schnell hinzu und reichte ihr die Hand. Zögernd erwiderte sie diese Geste. "Ihr Bruder hatte Glück im Unglück, Andrej. Wenn Sie mich nun entschuldigen würden. Ich möchte mich zurückziehen." Andrej nickte besonnen und trat beiseite. "Natürlich, Miss. Einen schönen Abend noch." Dann machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand hinter der nächsten Ecke. "Nirgends hat man seine Ruhe." Fluchend betrat Luciá ihr Zimmer. Die hellgraue Wandfarbe und der hellblaue Kachelboden verliehen dem Appartement etwas Fröhliches. In der Mitte des Zimmers befand sich ein ebenfalls hellgraues Boxspringbett, welches jedoch für Paare ausgerichtet war. Sie brauchte keinen Freund, denn eine feste Beziehung war ihr viel zu anstrengend. Das männliche Geschlecht war ihr viel zu anstrengend. Müde schmiss sie ihre SWAT Ausrüstung auf das gemachte Bett und holte sich frische Klamotten aus dem hellbraunen Kleiderschrank. Das komplette Zimmer wurde von vier ruhigen und hellen Farben dominiert: blau, braun, weiß und grau. Es gefiel ihr.

Sie kochte sich einen Kaffee und grübelte dann über ihren Unterlagen, die sich um den Sexualstraftäter namens "The Defiler" drehten. Luciá verzog das Gesicht. Passender hätte dieser Name nicht sein können. Als sie damals zur BAU kam, hatte sie eine gänzlich andere Vorstellung dieses Jobs gehabt. Heute wusste sie - dies war alles andere als ein erfreulicher Beruf. Jedoch hatte sie sich schon immer mit Tätermotiven beschäftigt und so war ihr die Verhaltensanalyseabteilung nur Recht gewesen. Dies war nun schon vier Jahre her. Dort war sie auch Knox begegnet. Einen damals 24-jährigen Mann, von dem sie nie gedacht hätte, dass dieser der berühmt berüchtigste Serienkiller der Welt war. Bis sie ihn dabei beobachtet hatte, wie er einen Mord beging. Bis er ihr den Boden unter den Füßen weggezogen hatte. Knox hatte dem Amokläufer, den sie damals gejagt hatten, nicht einfach nur eine Kugel in den Kopf gejagt. Er hatte den Mann gequält und sich daran ergötzt. Dass er sich dabei nicht in die Hose gefasst hatte, war alles, was gefehlt hätte. Doch bedauerlicherweise war da noch ein Geschehnis aus ihrer Vergangenheit, welches Luciá dazu gebracht hatte, den Killer ausfindig zu machen. Etwas, an das sie sich am Liebsten niemals wieder erinnern wollte ...

Serial Killer (In Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt