~Kapitel 28~

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Unschlüssig sah ich zur Tür. Dan war gegangen. Er war gegangen und schien keine Anstalten zu machen das Haus erneut zu betreten. Ich konnte es nicht fassen. Langsam stand ich auf. Als meine beiden Füße den Boden berührten durchzog ein stechender Schmerz mein rechtes Bein. Nur mit Mühe konnte ich einen Schrei unterdrücken und sah an meinen Oberschenkel. Er war unnatürlich rot und angeschwollen, der Verband vom Blut durchtränkt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht nahm ich mir die Decke vom Tresen und schlang sie um meinen Körper. Mein Blick fiel zur Tür. Sollte ich es wagen? Mit meinem verletzten Bein konnte ich weder schnell noch lange laufen, noch wusste ich ob Dan nicht eine Falle oder dergleichen vor der Tür aufgestellt hatte und nun nur darauf wartete dass ich heraustrat. Also verwarf ich den Gedanken von Flucht wieder und machte mich auf die Suche nach dem Badezimmer. Zu meinem großen Bedauern befand es sich im oberen Stockwerk des Hauses. Ich legte eine Hand auf das verstaubte Geländer der Treppe und begutachtete skeptisch die Stufen. "Hoffentlich tragen die mich." Mit der mir verbliebenen Kraft tat ich einen Schritt nach dem anderen. Mein Bein schien bei jeder noch so kleinen Belastung zu explodieren, jedoch hielten die Treppenstufen. Es dauerte jedoch eine halbe Ewigkeit bis ich oben ankam. Ich wartete bis der Schmerz abgeklungen war und gestattete mir währenddessen den Blick schweifen zu lassen. Vor mir befanden sich drei Türen, nur eine davon war offen. Ich lugte hinein. Es war das Badezimmer! Eine alte, verrostete Badewanne stand auf kaputten, weißen Fliesen. Von der Decke baumelte ein Kabel, die zugehörige Lampe lag auf dem Toilettendeckel. Neben der Toilette war eine Leiter abgelegt worden. Die Wand war mit blauen Fliesen verziert, welche jedoch an manchen Stellen abgeplatzt waren. Mit vorsichtigen Schritten trat ich hinein. Über dem marmornen Waschbecken befand sich ein Schrank, welchen ich ohne zu zögern öffnete. Haufenweise Tablettenpackungen befanden sich darin. Ich nahm eine von ihnen in die Hand. Es war Oxycodon. Das Schmerzmittel war bereits seit fünf Jahren abgelaufen, jedoch nahm ich eine Tablette zwischen die Finger. Ich erwartete zwar nicht, dass die Wasserleitungen noch funktionierten, doch öffnete ich trotzdem den Hahn. Und entgegen meiner Erwartung floss mir klares Wasser auf die Hand. Verwundert runzelte ich die Stirn. Anscheinend waren die Besitzer des Hauses noch nicht lange tot. Ich legte die Tablette auf meine Zunge und trank einen Schluck des Wassers. Es schmeckte nach Eisen, doch das störte mich nicht weiter. Auch vor einer möglichen Infektion hatte ich keine Angst. Seitdem ich Dan begegnet war konnte mich nichts mehr schocken.

Ich schleppte mich wieder aus dem Badezimmer. Es würde gut eine Stunde dauern bis die Wirkung einsetze. Nach kurzem Überlegen stieß ich die Tür auf, welche sich am nächsten zum Bad befand. Sie schwang geräuschvoll auf und Staub wirbelte mir entgegen. Ich musste nieden. "Wie lange hier schon niemand mehr wohnt?" Eine berechtigte Frage, welche mich einfach nicht in Ruhe ließ. Ich zog die Decke weiter nach oben, sodass sie nicht mit dem Staub auf dem Boden in Berührung kam und betrat das Zimmer. Im ganzen Haus war es ungewöhnlich schwül. Vor mir befand sich ein antikes Boxspringbett, daneben zwei aus Buchenholz gefertigte Nachttische. Direkt neben der Tür stand ein großer Kleiderschrank, welcher ebenfalls aus Buchenholz gefertigt war. Schräg vor dem Bett befand sich ein alter Röhrenfernseher auf einer von einem weißen Tuch verdeckten Kommode. Viel mehr gab es hier drin nicht. Nur ein großes Fenster und ein zerkratzter Laminatfußboden. Alles war von einer dicken Staubschicht bedeckt und immer wenn ich einen Schritt tat, wirbelte dieser auf. Hustend und niesend riss ich das Fenster auf. Kühle Abendluft wehte mir entgegen und der Mond warf seinen hellen Schein in das Zimmer. Mit einer fließenden Bewegung schlug ich die Decke des Bettes beiseite. Trotz vorgehaltener Hand musste ich erneut husten. Als ich das Bett jedoch soweit gesäubert hatte dass es nicht mehr grau erschien, ließ ich mich auf das weiße Laken fallen. Ich war fix und fertig und leichte Übelkeit stieg in mir auf. Ich fuhr mir übers Gesicht. "Kommt wahrscheinlich vom Oxycodon." Mit einem Seufzen schloss ich meine Augen. Mit einem zufriedenen Lächeln merkte ich, dass das Pochen in meinem Bein bereits weniger wurde.

Gerade als ich drohte einzuschlafen ließ mich ein dumpfes Geräusch die Augen öffnen. Ich sah mich im Zimmer um, da ich erst dachte dass Dan zurückgekommen war. Doch hier war niemand. Erst nach genauerem Hinsehen fiel mir auf, dass die Schublade des Nachttisches nach unten gesackt war. Neugierig wie ich war zog ich sie heraus. Doch das, was ich sah, verpasste mir eine Gänsehaut. Es waren Haufenweise alter Zeitungen und vergilbte Bilder welche feinsäuberlich übereinander gestapelt in der Schublade lagen. Doch mir blickte ein Mann in Zwangsjacke entgegen, welcher ein Stück Stoff um den Mund gebunden bekommen hatte. Eine Platzwunde befand sich oberhalb seiner linken Augenbraue und seine hasserfüllten Augen schienen den Betrachter des Bildes förmlich zu erdolchen. Doch es waren keine normalen Augen. Es waren Madocs Augen. Er war auf diesem Foto abgebildet. Mit zitternden Fingern schlug ich eine der Zeitungen auf. "Story of the lone hunter - murder case" war die Überschrift. Sofort schlug mein Herz schneller. Auf der ersten Seite waren Haufenweise verstümmelte Menschen zu erkennen. Die Herausgeber der Zeitung wollten wohl dass jeder wusste, zu was Madoc fähig war. Mein Blick fiel auf ein Bild mit einem Fluss. Im Gras neben dem Wasser lag ein dunkelhäutiges Mädchen, was weder Kleidung noch Haare an sich trug. Auf ihrer Stirn prangte ein Loch welches von einer Einschusswunde zeugte. Ihr kleiner Körper war von tiefen Schnittwunden übersäht, die Region um ihre Intimstelle mit blauen Flecken gezeichnet. Alleine bei dem Gedanken dass Madoc sie womöglich vergewaltigt hatte wurde mir schlecht. Es widerte mich an, machte mir Angst und befeuerte dennoch meine Neugier. Unter dem Bild stand in kleingedruckter Schrift der Name Sofia Diaz. Resignation traf mich. "Oh mein Gott." Ich riss die Augen auf und nahm ein weiteres Bild in die Hand. Auf diesem waren nun die wahrscheinlichen Eltern des Kindes abgebildet. Und vor ihnen zwei kleine Mädchen, welche sich bis aufs Haar glichen. Nein, sie glichen Luciá. Luciá Diaz. Adrenalin schoss mir durch den Körper. Madoc hatte ihre Schwester umgebracht. Es war also kein Zufall wieso die beiden zueinander gefunden hatten. "Er ist ein Kindermörder." Angesichts dieser Erkenntnis verzog ich angewidert das Gesicht. Madoc und Luciá durften also nicht viele Jahre trennen. Mein Kopf fing an zu dröhnen und ich wurde zusehends müder. "Es war keine gute Idee das Oxycodon zu nehmen." Kopfschüttelnd nahm ich noch ein Bild aus der Schublade. Die Szenerie die darauf abgebildet war, war äußerst seltsam doch zeigte sie mir nur eine weitere Seite von dem Mann, welchen ich liebte. Von dem Serienmörder, der mir den Verstand raubte. Madoc drückte eine Frau an die Wand und hatte ein Messer unter ihr Kinn gelegt. Blut lief ihr über die komplette rechte Seite. Madocs Mund lag auf ihrem, doch er hatte die Augen geöffnet und lächelte. Er lächelte jedoch den Fotografen des Bildes an. Ein irrer Ausdruck lag in seinen Augen. Sowohl Madoc als auch die Frau waren nackt. Und erst jetzt bemerkte ich wo sich seine zweite Hand befand. Zwischen den Beinen der Frau, welche sich förmlich nach ihm zu zerreißen schien. Erneut wurde mir schlecht. Das war zu viel. Angeekelt warf ich das Bild beiseite. Das Atmen fiel mir schwer und der benebelte Zustand wurde schlimmer. Das letzte was ich dachte war, dass ich mich im Hause der Diaz befand, dann kippte mein Körper kraftlos nach hinten.

Serial Killer (In Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt