Luciá genoss die Wärme von Madocs Körper auf ihrer Haut. Ihr eigener fühlte sich angenehm schwer an. Sie lag auf seiner Brust und lauschte seinem gleichmäßigen Atem, wusste jedoch, dass er nicht schlief. Sie lagen im Bett des Gästezimmers, da er nicht gewollt hatte, dass sie in sein Schlafzimmer gingen. Ein Blick hinein hatte ihre Frage nach dem Warum beantwortet. Doch je länger Madoc sie im Arm hielt, desto stärker wurden ihre Gewissensbisse. Sie wusste noch nicht einmal, wann sie angefangen hatte, ihn in Gedanken bei seinem Vornamen zu nennen. "Du solltest dich schämen", sagte ihr Gewissen immer wieder anklagend. Luciá seufzte leise. Diese Vertrautheit dürfte nicht existieren. Das, was sich zwischen ihnen abgespielt hatte, hätte nicht passieren dürfen. Doch sie wusste nicht, was sie auf einmal dazu geritten hatte. Ein plötzlich aufkommendes Gefühl der Sehnsucht war in ihr aufgeflammt und sie hatte sich ihm hingegeben. Auch wenn sie wusste, dass das eine einmalige Sache gewesen und es gut so war, empfand sie einen unangenehmen Stich im Herzen. Doch es brachte alles nichts.
Sie hob den Kopf etwas an und richtete den Blick auf die Züge des Mannes, welcher zehnmal gefährlicher war als der Defiler selbst. Der Mörder ihrer Schwester, mit dem sie geschlafen hatte. Ob sie wohl enttäuscht von ihr wäre? Erneut fing sie an, ihre Entscheidung zu hinterfragen. "Knox", flüsterte sie mit zitternder Stimme. Er öffnete die Augen und fand sofort ihren Blick. Das stahlgrau wirkte zum ersten Mal nicht bedrohlich. Kein Inferno der Verdammnis tobte in seinen Augen, kein Hass und keine Mordlust. "Sind wir jetzt schon wieder bei den Förmlichkeiten angelangt? Ich dachte, das hätten wir hinter uns gelassen, Luciá." Ein Ausdruck von Schmerz spiegelte sich auf seinen markanten Zügen wieder. Mühsam schluckte sie den Kloß in ihrem Hals hinunter und verlor sich in seinen wunderschönen Augen. Er lächelte zaghaft. "Ich weiß, was du denkst. Und ich gebe dir recht. Das hätte nicht passieren dürfen. Ich hätte mich gar nicht erst darauf einlassen dürfen. Aber denkst du wirklich, dass wir das als einmalige Sache stehen lassen können und sollten? Versteh mich nicht falsch, Darling, aber ich weiß, dass du es niemals können wirst. Ich hingegen schon." Madoc streckte die Hand aus und strich ihr über die Wange. "Sag mir, was du denkst. Bitte." Luciá spürte ein Stechen in der Brust. Das Atmen fiel ihr schwer und alles in ihr schrie danach, sich ihm erneut hinzugeben und ihr Gewissen zu ignorieren. "Du bist gefährlich. Und wir hätten niemals die Grenze von Partnern überschreiten sollen." Sie erhob sich von seiner Brust, was ihn sich aufsetzen ließ. Madoc öffnete den Mund, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. "Was ist mit Aubrey? Ich dachte, du empfindest etwas für sie? Sag mir nicht, dass du aus Liebe mit mir geschlafen hast, wenn du eigentlich etwas für eine andere Person empfindest. Du wolltest sie vergessen." Luciá umschloss seine Hand und entferne sie von ihrer Wange. Der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich. Seine Züge wurden hart. "Ja, ich bin gefährlich. Gefährlich für dich und jeden auf dieser Welt. Aber hätte ich dich umbringen wollen, hätte ich es bereits getan. Und was das mit Aubrey angeht ... Ich habe mir den Rat zu Herzen genommen, mich nicht von der Liebe zu einer Jugendlichen leiten zu lassen. Doch wenn du denkst, dass ich nur mit dir geschlafen habe, um mich umzupolen, liegst du falsch. Ich wollte es so. Ich wollte dich. Aufrichtig und ohne einen Hintergedanken der Ausnutzung, Luciá. Aber wenn du es so willst", er setzte sich auf und erhob sich, "dann sollten wir jetzt wieder an die Arbeit gehen, Diaz. Als Partner." Mit zielstrebigen Schritten verließ er das Zimmer. Das schwache Licht von draußen glitt über seine unzähligen Narben und ließ ihn so wie einen Todesengel erscheinen.
Zitternd fuhr sie sich übers Gesicht und erhob sich ebenfalls. Der Versuch, ihre Maske der Gleichgültigkeit aufzusetzen, scheiterte kläglich. Und auch wenn sie es geschafft hätte, würden die Gefühle, welche sich in ihrem Inneren abspielten, noch genauso präsent sein wie davor. "Ich bin ein naiver Dummkopf." Luciá schüttelte den Kopf und zog sich an. Sie musste versuchen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und nicht auf den Fehler, den sie und Knox begangen hatte. Als sie fertig war, sah sie sich noch einmal neugierig in dem kleinen Raum um. Ihr Blick fiel auf die Fensterbank, auf welcher verschiedene Bilder standen. Auch wenn es seine Privatsphäre verletzte, gestattete sie sich, die Bilder zu betrachten. Auf einem waren Madoc und ein schlaksig aussehender Mann mit schwarzer Brille zu sehen. Der ihr unbekannte Mann trug seine Haare im Boxerschnitt und hatte an seiner Hüfte ein Holster, in welcher eine P30 verwahrt war. Luciá war sich sicher, dass dieser Mann Brian war. Jener Kriminalbeamte, über den Madoc immer sprach. Die beiden standen auf dem Europaturm in Frankfurt und abertausende Lichter glitzerten hinter ihnen. Beim Anblick des ehrlichen Lächelns in Madocs Gesicht wurde ihr augenblicklich warm ums Herz. "Egal, was du getan hast, du verdienst es, glücklich zu sein." Seufzend wandte sie sich einem weiteren Bild zu und augenblicklich zuckte sie zusammen. Es zeigte die Hochzeit von Madoc und einer bildhübschen Frau mit vollem braunen Haar und wohl proportionierten Körper. Sie hatten sich wohl gerade das Jawort gegeben, denn sie lagen sich bereits küssend im Arm. "Kommen Sie, Luciá?", erklang es plötzlich aus dem Wohnzimmer, was sie erneut zusammenzucken ließ. "Sicher doch, Knox", entgegnete sie dem Killer, blieb jedoch dort, wo sie war, da sie ihren Blick nicht von dem Bild abwenden konnte. Erst jetzt fiel ihr der Schriftzug in der linken unteren Ecke auf, welcher besagte: "Du warst die Richtige, nur zur falschen Zeit." Plötzlich spürte sie Madocs Atem im Nacken. Er stand unmittelbar hinter ihr und hätte sie sich nur einen Zentimeter bewegt, hätte sie ihn berührt. "Sie sind verheiratet?", fragte Luciá ihn leise. "Nein. Und jetzt kommen Sie, Agentin Diaz." Die tiefe Baritonstimme jagte ihr einen wohligen Schauer über den Rücken. Madoc sagte nichts mehr, sondern begab sich nur wieder ins Wohnzimmer und das weiterhin gänzlich unbekleidet.
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Serial Killer (In Überarbeitung)
Mystery / Thriller!Band I der Serial Killer - Reihe! Angst lehrt dich Dinge, die du zuvor nicht zu sehen vermochtest. Doch bekanntlich ist Schmerz der beste Lehrer. Aus ihm resultieren die verschiedensten Veränderungen. Womöglich konntest du mir folgen und dein Verst...