~Kapitel 9~

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Eves Zittern verstärkte sich mit jedem Schritt, den sie ging. Als sie drohte, nach hinten zu kippen, war Dan mit einem großen Schritt bei ihr und fing sie auf, kurz bevor ihr Kopf auf dem Boden aufschlug. Ohne große Mühe hob er sie auf seine Arme und lief zur Tür, welche sich am Ende des Ganges befand. Sein Kellertrakt war wie eine Wohnung aufgebaut, jedoch mit abweichender Inneneinrichtung. Die Flure waren karg und bestanden aus geschliffenem, grauen Stein. Dass er Eve nackt in seinen Armen gebettet hielt, störte ihn nicht. Dies war wohl der einzige Vorteil seines Defiler Daseins. Dan verspürte einzig und allein beim gewaltsamen Vergewaltigen sexuelle Lust. Oder bei der Vorstellung daran. Die schönste Frau auf Erden konnte sich vor ihm befinden, es würde ihn kalt lassen.

Er öffnete die Tür zu dem kleinen Operationszimmer, welches er sich hier unten zurechtgemacht hatte, und bettete Eve auf die stählerne Pritsche, unter welche eine Badewanne deponiert war. Erst dann schloss er die Tür und knipste das Licht an. Eine Weile blieb er dort stehen und gestattete sich, Eve zu betrachten. Dan fing bei ihren Füßen an. Diese waren nicht zu klein und nicht zu groß, doch waren ihre Knöchel von den Fesseln angeschwollen. Ihre Waden waren übersät mit blauen Flecken und auf ihren Oberschenkeln zeichneten sich Blutergüsse ab. Für jeden Mann waren Eves weiblichen Rundungen eine Augenweide. Dan selbst hatte sich damals schon zusammenreißen müssen. Dies musste er heute jedoch nicht mehr. Auf ihrem Bauch glänzten eiternde Wunden, die sich symmetrisch über ihren kompletten Oberkörper zogen. Erst als er jeden Winkel ihres entblößten und nackten Körpers gemustert hatte, wagte er es, seinen Blick auf ihren Kopf zu richten. Die feuerroten Haare umrahmten ihr wunderschönes Gesicht, welches jedoch ebenfalls entstellt war. Ihre Lider hatte sie nur halb geschlossen, darunter lugten giftgrüne Augen hervor. Ihre vollen, geschwungenen Lippen waren trocken und aufgeplatzt und ihre kleine Nase gebrochen.

Zähneknirschend stieß Dan sich von der Tür ab und schnappte sich einen nassen Lappen, welcher neben der Pritsche in Eiswasser lag. Nebenbei entfernte er das Tuch von seiner Hand, da es bereits kalt geworden war. Die Wunde sah schon deutlich besser aus als noch kurz zuvor. Als er anfing, in kreisenden Bewegungen Eves Körper zu waschen, schnappte sie keuchend nach Luft. Es dauerte nicht lange, da fing sie an zu schreien und bettelte um ihr Leben. Entschlossen packte Dan ihre Arme und drückte sie auf die Pritsche. "Eve! Sieh mich an!" Die junge Frau gehorchte augenblicklich. Ihr Atem ging flach und schnell und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Resigniert atmete sie aus und ließ sich nach hinten fallen. Erst dann ließ Dan sie los. "Warum, Dan? Warum tust du mir das an?" Ihre Stimme klang wie Musik in seinen Ohren und umwaberte seinen Verstand wie eine Droge. Er antwortete ihr jedoch nicht, sondern fuhr unbeirrt damit fort, ihren Körper zu waschen. Das Wasser lief plätschernd in die Badewanne. Eve ließ es über sich ergehen, selbst als er an ihre intimste Stelle kam. Kurz zog sie schmerzhaft die Luft ein, dann blieb sie wieder still. "Du bist wund", stellte er unbekümmert fest. Dan fischte ein Teebaum-Wassergemisch aus einer Schublade und hielt es ihr auffordernd hin. Apathisch starrte sie auf seine Hand, doch machte es nicht den Anschein, dass sie sich bewegen wollte. "Entweder, du machst es selbst, oder ich übernehme es für dich." Ohne zu zögern riss sie ihm das Mittel aus der Hand und behandelte sich. Er ließ sie dabei keinen einzigen Moment aus den Augen.

Als sie fertig war, sah sie ihm unverwandt in die Augen. Dan konnte alles in ihnen lesen. Da war die Angst, die sie seit Jahren empfand. Angst, dass er sie umbrachte. Dann ein Hauch von Hass. Dieser richtete sich einzig und allein gegen ihn. Und die Scham. Scham, weil er sie geschändet hatte. Sie fühlte sich beschmutzt und ekelte sich - vor sich selbst. Der letzte Rest Widerstand schlummerte tief in ihrer Seele. Eve hatte keine Hoffnung mehr, all dem zu entkommen. Es war ihr schlichtweg egal. "Komm zu mir." Dan legte all seine Empfindungen in diesen Satz. Er übte keine Dominanz auf sie aus. Nicht jetzt. Eve schwang die langen Beine über die Pritsche und lief dann langsam auf ihn zu, bis sie schlussendlich zögernd vor ihm zum Stehen kam. Sie musste den Kopf heben, um ihm in die Augen sehen zu können. Er umfasste ihr Kinn und strich ihr über die Unterlippe, was sie die Augen schließen ließ. "Ich habe dich geliebt, Dan. Aufrichtig. Und auf eine gewisse Weise tue ich es immer noch", flüsterte sie und schmiegte sich an seine Hand, welche er nun an ihre erhitzte Wange legte. "Freunde können Liebhaber werden, aber Liebhaber niemals wieder Freunde." Die junge Frau schloss kurz die Lider. "Wir waren nie Liebhaber, Dan. Ich sehe dich nicht als meinen Entführer. Ich sehe in dir immer noch meinen besten Freund. Den Menschen, in den ich mich verliebt hatte." Dan schluckte schwer. Diese Ehrlichkeit im Bezug auf Eves Gefühle brachte ihn innerlich zum Taumeln. "Was wünschst du dir?" Sie öffnete die Augen. Zum ersten Mal sah er ein Funkeln in ihnen. "Seitdem du mich vor sechs Jahren zu deiner Sklavin gemacht hast, wünsche ich mir, dass wir eine ganz normale Beziehung führen, Dan. Ich wünsche mir, dass du mich so behandelst wie damals."

Es traf ihn mitten ins Herz. Etwas brach in ihm. Zum ersten Mal, seitdem er zum Defiler geworden war, war er in seiner Entscheidung verschoben. Er war nicht verrückt - im Gegenteil. Er kam bloß nicht damit klar, dass er nie mit jemandem hatte schlafen können. Ein Loser, der keinen hochbekam. Es hatte ihn zermürbt. Und nur dadurch hatte er mit dem Vergewaltigen angefangen. Die Morde hatte Dan nur vollbracht, damit es keine Zeugen gab. Er war jedoch kein gefühlskalter Killer. Er konnte lieben, hassen, Freude empfinden. Das einzige, was er jedoch niemals können würde, wäre eine normale Beziehung führen. Nicht nach all dem, was er getan hatte. Es war zu einer Sucht geworden. "Psychische Sucht entspringt dem verzweifelten Versuch, einen inneren Mangel zu kompensieren. Sie spiegelt also die Suche nach innerem Frieden oder innerer Befriedigung. Ich dissoziiere, Eve. All die schlimmen Erlebnisse, die ich durchlaufen habe, die Erinnerungen daran, sie sind wie aus meinem Gedächtnis gelöscht. Es ist eine abgespaltene Erinnerung, die tief in meinem Verstand hinter einer Tür schläft, zu welcher ich keinen Schlüssel habe", erwiderte er. Seine Stimme klang fremd und unnatürlich verstellt. "Du kannst dich also an wirklich nichts mehr aus deiner Kindheit erinnern? Warum du so geworden bist? An die Morde, die du begangen hast?" Er atmete mühsam ein. "Die Dinge, an die ich mich erinnern kann, sind schwammig, so als ob ein milchiger Film sie überziehen würde. Aber warum ich so geworden bin, liegt nicht an einer ausschlaggebenden Situation. Unser Umfeld bestimmt mit, zu was wir werden, aber wir brauchen ebenso eine gewisse Veranlagung dafür. Nicht jeder Serien- oder Sexualmörder hatte eine traumatische Kindheit. Ich hingegen hatte diese schon. Und das prägt mich bis heute." Eve packte ihn entschlossen an den Schultern. "Du musst dagegen ankämpfen. Zeig deinem Defiler-Ich, dass es nicht stärker ist als der Dan, den ich kenne. Der Dan, in den ich mich verliebt hatte." Eine Träne rollte ihr über die Wange. Unendliche Trauer hallte in ihre flehenden Worten wider und er wandte den Blick ab. "Ich werde nicht damit aufhören können, Eve. Und ich kann dich auch nicht gehen lassen. Du wirst mich verraten. Aber ich kann versuchen, mich zu bessern." Er legte seinen Zeigefinger unter ihr Kinn und zwang sie somit, ihm in die Augen zu sehen. Doch er würde ihr niemals sagen, dass er sich eigentlich nur in ihrem Blick verlieren wollte. "Ich werde versuchen, dich nicht tagtäglich zu vergewaltigen. Versuchen wir, eine halbwegs normale Beziehung zu führen, wie ein halbwegs normales Paar. Aber wenn ich da rausgehe, werde ich der Mörder und Vergewaltiger sein, welcher die Welt in Atem hält. Ein Mann, dem du nachts nicht begegnen willst. Ich werde meine Begierden an anderen Frauen auslassen und nicht mehr an dir."

Er schloss die Augen, atmete tief durch und wartete auf eine Reaktion. "Lass mich der etwas zeigen." Eves Hände legten sich um seinen Nacken und es dauerte nicht lange, bis er ihre Lippen auf seinen spürte. Ein Seufzen entfuhr ihm und er zog die Frau an sich, welcher er so viel Leid angetan hatte. Der Kuss war sanft, doch es dauerte nicht lange, bis sie sich regelrecht überfielen. Plötzlich spürte er eine nachdrückliche Handbewegung an seinem Schritt. "Du bist nicht so, wie du denkst", hauchte Eve an seine Lippen und verstärkte ihre Bewegung. Er wollte nicht behaupten, dass er nichts spürte, doch es reichte bei Weitem nicht aus, um ihn zu erregen. Sein Verstand schwieg. Eine ungewohnte Leere schien ihn zu fluten. "Bitte, Dan", hauchte Eve erneut und er sah die Tränen, welche ihre Wangen herunterliefen, so verzweifelt war sie. Doch er hätte lügen müssen, wenn er gesagt hätte, dass es etwas mit ihm machte. Sein Körper reagierte nicht auf ihre Berührung und das würde er auch fortlaufend nicht tun.

Sie schien zu verstehen und löste sich von ihm. "Setz dich bitte auf die Pritsche", gab er mühsam von sich. Sie tat wie ihr geheißen. Nachdem er ein paar Schubladen geöffnet hatte, versorgte er ihre Wunden und zog die Fäden. Dann gab er ihr eine Dosis Schmerzmittel. "Ich will schlafen." Dan nickte. "Das kannst du." Mit einer fließenden Bewegung öffnete er die Tür und ließ sie hinaus. Als sie im Labor ankamen, drehte er die Rotlichtlampen herunter und wartete, bis Eve sich hingelegt hatte. Gerade als er gehen wollte, hörte er ihre leise Stimme. "Dan? Ich will, dass du heute Nacht bei mir schläfst." Mit einem wehmütigen Lächeln sah er sie an. "Wie du wünschst." Dann zog er sein schwarzes T-Shirt mitsamt Jeans aus und schloss die Tür. Als auch seine Schuhe auf dem Boden landeten, legte er sich zu ihr und genoss die Wärme ihres Körpers auf seiner nackten Haut. "Eve vermag es tatsächlich, mich für einen kurzen Moment von meiner Krankheit zu heilen." Und mit diesem Gedanken sank er in den Schlaf.

Serial Killer (In Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt