~Kapitel 13~

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"Ich werde Brian die Informationen weiterleiten. Und vielleicht gelingt es mir, noch mehr von Aubrey zu erfahren." Knox runzelte angespannt die Stirn und sah sich immer wieder unruhig um. Sie standen vor der Turnhalle, da Luciá darauf bestanden hatte, dass er sich eine kurze Pause gönnte. Die Schulterverletzung schien ihm schwer zu schaffen zu machen, auch wenn Knox zu eitel war, um es zuzugeben. "An was können Sie sich erinnern? Sie waren dort, als sie vergewaltigt wurde", fragte Luciá unverblümt, auch wenn sie sich darüber im Klaren war, dass es seine Schuldgefühle nur noch mehr befeuerte.

Augenblicklich zuckte der Killer zusammen. Er ließ seine bandagierte Hand in seiner Hosentasche verschwinden und holte kurz darauf eine Schachtel blauer Gauloises heraus. "Er war unvorsichtig und naiv. Das komplette Gegenteil von einem hochbegabten Sexualmörder. Über sein Aussehen kann ich Ihnen nur noch weniger sagen als Aubrey. Aber der Defiler ist ungefähr so groß wie ich, das steht fest", entgegnete er, ohne sie anzusehen. Dann steckte er sich eine der Zigaretten an und nahm einen tiefen Zug. Luciá zog fragend die Augenbrauen nach oben. "Sie rauchen?" Knox lachte amüsiert auf und atmete langsam den Rauch aus. "Ich habe viele Laster, Luciá." "Wahrlich, das haben Sie. Vielleicht ist einer Ihrer Laster ja auch, sich an wehrlosen Jugendlichen zu vergreifen?", stichelte sie. Sofort fing sie sich einen vernichtenden Blick vonseiten des Killers ein. "Ich hätte schon viel früher mit dir spielen sollen." Sie wollte Knox zwar nicht mehr umbringen, aber die Versuchung, ihn leiden zu lassen und zu provozieren, war zu groß, als dass Luciá sie hätte überwinden können. Doch als ob sie das überhaupt gewollt hätte. Knox zog erneut angespannt an seiner Zigarette und lächelte dabei boshaft. "Natürlich vergreife ich mich an denen, die mir etwas bedeuten. Das liegt doch auf der Hand", lachte er ironisch, drückte den glimmenden Zigarettenstummel auf seine Hand und lächelte gelassen. "Aber wenn Sie glauben, mich damit provozieren zu können, würde ich diese Strategie lieber noch einmal überdenken." Sie reckte das Kinn. "Als ob Sie wüssten, was Liebe ist. In Ihnen existiert doch nur Zorn, Schmerz und Verzweiflung. Sie sind ein gebrochener Mann, Knox. Sie suhlen sich in ihrem Eitel, dabei sind sie nur ein gefühlskaltes Arschloch. Hat Ihnen das schon jemals jemand gesagt?", spie sie ihm gereizt vor die Füße, woraufhin er argwöhnisch die Augen verengte. "Warten Sie an meinem Auto auf mich", entgegnete er nur unbekümmert. Dann machte er auf dem Absatz kehrt.

Luciá sah ihm eingeschnappt hinterher. Sein schwarzer Anzug verlieh ihm ein nur noch arroganteres Erscheinungsbild, doch der Killer hatte eine beachtliche Intelligenz, gegen welche sie nicht ankam. Und sie brauchte ihn, um den Defiler fassen zu können. "Hoffentlich erstickst du an deiner Überheblichkeit." Gerade als sie loslaufen wollte, vibrierte ihr Handy, woraufhin sie es aus ihrer Hosentasche zog. Als sie sah, was in der SMS stand, gefror ihr das Blut in den Adern.

"Du bist genauso unbedarft und gutgläubig wie deine Schwester es war. Und deswegen musste sie sterben."

Aufgebracht hob sie den Blick und starrte den Killer an, welcher ein paar Meter von ihr entfernt stand und telefonierte. In seinen stahlgrauen Augen lag wilder, blinder und tödlicher Hass. Ihr Magen drehte sich um und ihr wurde übel.

So schnell sie konnte, versuchte Luciá so viel Abstand wie möglich von Knox zu bekommen. Angespannt fuhr sie sich übers Gesicht. "Was habe ich mir nur dabei gedacht?" Unbehagen machte sich in ihr breit. Knox war und blieb der gefürchtetste Serienkiller der Welt. Er könnte sie jeder Zeit umbringen, wenn er nur wollte. Seine Aussage im Bezug auf ihre Schwester war nur eine Reaktion auf ihre Stichelei gewesen. Unbewusst schloss sich ihre Faust um das Amulett, welches sich an ihrem Hals befand. Darin war ein Bild von ihr selbst und ihrer Schwester eingeklebt. Sie glichen sich bis aufs Haar. Tränen liefen ihr die Wangen hinunter und ein Schluchzen entwich ihrer Kehle. Es gab nichts, was sie mehr hasste, als Schwäche zu zeigen. Nun war alle Mühe umsonst gewesen, sich einzureden, dass sie ein unbeschwertes Leben gehabt hatte. Sie hatte nicht gewollt, dass sie an dieses Geschehnis erinnert wurde. Es schien sie innerlich zu zerreißen. Jahrelang hatte sie den Mord ihrer Schwester verdrängt und sich eingeredet, dass sie durch einen Unfall starb. Es hatte diesen Verlust erträglicher gemacht. Sie erinnerte sich noch ganz genau an ihre Eltern, wie sie weinend und schreiend zusammengebrochen waren, als der Sheriff ihnen die Nachricht überbrachte, dass man ihre jüngste Tochter tot in einem Fluss aufgefunden hatte. Die Todesursache war ein Kopfschuss gewesen. Als ihre Eltern fragten, wer der Mörder sei, war das Einzige, was sie damals aufgeschnappt hatte der Name Knox gewesen. Und wohin hatte er sie geführt? Zum FBI. Wen hatte sie dort getroffen? Den Mörder ihrer Schwester. Sie hatten zeitweise den gleichen Fall, der sich um einen Amokläufer gedreht hatte. Als sie den Täter gefasst hatten, hatte sie zum ersten und einzigen Mal gesehen, wie der damals 24-jährige Knox seinen Dämonen verfiel. Er tötete den Mann wie ein Raubtier seine Beute und genoss es, ihn zu quälen. Was um ihn herum geschah, nahm er nicht wahr. Es war perfekt gewesen. Sie hätte ihn auszuschalten können. Aber am Ende hatte sie es nicht geschafft, ihn zu töten. Vielleicht weil sie im Nachhinein nicht mit ihren Schuldgefühlen klargekommen wäre. Vielleicht aber auch, weil sie ihn zu verstehen begann. Ihr Vorgesetzter, welcher bei der Royal Air Force den Rang des Marshals belegt hatte und nun ein Mitglied der MI5 war, hatte ihr damals alles zukommen lassen, was es Wissenswertes über Knox zu wissen gab. Und auch über seinen Vater Sero Knox. Letzterer war ein Psychologe gewesen, welcher dem Wahnsinn verfiel. Er war von der Theorie besessen gewesen, dass Serienmörder gemacht und nicht geboren wurden. Und er nahm seinen eigenen Sohn als Testobjekt. Wenn sie nur daran dachte, welche Schmerzen Madoc hatte durchleben müssen, lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Sero hatte all seine Experimente auf Video festgehalten und niedergeschrieben, in der Hoffnung, dass mehr Menschen seinem verrückten Beispiel folgen würden. Glücklicherweise kam es nicht dazu. Diese Aufzeichnungen waren der Höhepunkt an Perversion. Ein Vater, der seinen Sohn vergewaltigte und ihn an den Rande des Todes trieb, der ihm allerlei physische und psychische Schmerzen zufügte ... Das war nicht normal. Schnell verbannte sie die Bilder aus ihrem Kopf. Madoc war nicht dumm, genauso wie sein Vater. Doch er war im Vergleich zu Sero der Teufel in Person. Doch jetzt brauchte sie ihn, um einen Sexualmörder zu fassen. Ihre Vergangenheit musste ruhen, auch wenn allein der Gedanke an ihn sie zum Erschaudern brachte. Man mochte es ihr zwar nicht ansehen, aber sie war aufgewühlt. Und das nicht nur, weil sie herausgefunden hatte, dass der Killer eine Beziehung mit Aubrey führte. Auch wenn sie gewusst hatte, dass er sie begehrte, war ihr die Vorstellung zuwider, auch wenn alles an ihm nicht normal zu sein schien.

Serial Killer (In Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt