~Kapitel 27~

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Luciá blinzelte zwei Mal ehe sie die Augen aufschlug. Sie blieb jedoch unverändert sitzen, ließ nur ihre Augen wandern. Madoc saß neben ihr auf dem Fahrersitz und blickte angespannt auf die Straße. Er schien noch nicht bemerkt zu haben dass sie wach war. Der groß gewachsene Mann sah in den Rückspiegel und schnalzte mit der Zunge. Ein gehässiges Grinsen stahl sich auf seine verkrampften Züge. "Ein Challenger. Mal sehen ob du gleich immer noch Lust zum Angeben hast, Kumpel." Er drückte das Gaspedal durch. Der Motor des GTDs heulte auf und das Auto ruckte nach vorne. Luciá wurde in den Sitz gedrückt, was ihr jedoch nur ein Lächeln auf die Lippen trieb. Sie liebte die Geschwindigkeit. Nach fünf Minuten drosselte der Killer die Geschwindigkeit wieder. Ein kurzer Blick in den Außenspiegel verriet ihr, dass Madoc den Dodge abgehängt hatte. "Was tuning alles ausmachen kann.." Es war nicht mehr als ein leises Murmeln, welches seinen Mund verließ. Madoc schüttelte den Kopf und sah wieder nach vorne. Er wirkte ausgelaugt und müde.

Luciá legte ihre Hand auf seine, welche auf dem Schaltknüppel lag. Augenblicklich zuckte er zusammen, machte sich jedoch nicht die Mühe sie anzusehen. "Wir sind gleich am Flughafen. Sag deinem Vorgesetzten bescheid." Die Kälte in seiner Stimme brach ihr das Herz. Entschlossen verstärkte sie ihren Griff. "Sieh mich an, Madoc." Er spannte sichtbar seine Kiefermuskeln an. "Wieso sollte ich?" "Sieh. Mich. An." Luciás Stimme wurde nachdrücklicher. Doch gerade als sie dachte, dass er weiterhin nur stur auf die Straße blicken würde, drehte er den Kopf zu ihr. Ein Blick in seine Augen war alles was sie gewollt und gebraucht hatte. Und das wusste er. Denn Madoc wandte sich wieder ab und unterbrach somit den Blickkontakt. "Jetzt hast du es gesehen." Nichts als Schmerz und Leid hatte sich in seinen Augen widergespiegelt. Und trotzdem schaffte er es den Hass in seinem Inneren im Zaum zu halten. Auch ihr eigener war verflogen und hatte Verständnis Platz gemacht. "Du bist es leid, habe ich Recht?" Er atmete hörbar ein. Luciá zog ihre Hand zurück. "Ob ich es leid bin zu Leben? Ja. Ich kannte eine Zeit, in der mich keine Höllenqualen heimsuchten. Ich war... normal, verstehst du? Man fängt immer an zu vergleichen, sofern du etwas hast was du vergleichen kannst. Nicht, dass ich Angst vor dem Tod habe. Aber wie Brian sagte: Ich kann erst abdanken wenn ich meine Schuld an der Welt beglichen habe. Und das bedeutet nie." Damals hätte sie nicht gedacht, dass Madoc eine zerbrechliche Seite besaß. Doch er hatte sich geändert. "Du machst das gut, Madoc. Ich.." Sein warnender Blick ließ sie verstummen. "Was mache ich gut? Ich bringe weiterhin Menschen um. Ganz gleich ob gute oder böse, Mensch ist Mensch. Ich füge anderen Schmerzen zu, lasse sie leiden und ergötze mich an ihrem Elend. Ich habe mit dir geschlafen und mir ist nichts besseres eingefallen als dich zu quälen. Und jetzt sag mir nicht, dass du es ja wolltest. Ich hätte das nicht zulassen dürfen. Hast du denn überhaupt eine Ahnung wie tief die Schnitte waren? Das ich dich ganz leicht hätte umbringen können?" Seine Augen wurden glasig. "Jeder hat Vergebung verdient, doch bei mir sehe ich das anders." "Und was denkst du würde sich ändern wenn du dein Leben beendest?" Angst schnürte ihre Kehle zu. Angst vor der Antwort die Madoc ihr geben würde. "Auch wenn ich sterbe werde ich weiterleben. Die Erinnerung an mich wird sich kollektiv und immerwährend im Gedächtnis der Bevölkerung verankern. Sie wird sich in Jahrzehnten noch an mich erinnern. Wer weiß, vielleicht bekomme ich ja auch meinen Platz in den Geschichtsbüchern. Aber niemand wird mich jemals vergessen." "Siehst du? Es würde sich nichts verändern." Madoc fuhr von der Autobahn runter. Die Sonne ging bereits auf. "Natürlich, Luciá. Niemand müsste mehr Angst vor mir haben. Und ich müsste nicht mehr krampfhaft dagegen ankämpfen in alte Verhaltensmuster zurück zu fallen. Was glaubst du würde ich tun wenn es Aubrey wäre die jetzt neben mir sitzen würde? Denkst du allen Ernstes dass ich mit ihr so tiefgründig reden würde? Nein, Luciá, ich würde das erdenklich Schlimmste mit ihr anstellen. Sei es auf sexueller Ebene oder eben nicht. Und wenn sie dort liegt, leblos, blass und ins Unkenntliche verstümmelt, dann verschwinde ich wieder wie ein Phantom vor dem sich die ganze Welt fürchtet. Ganz gleich ob sie wissen dass ich nicht nur in Geschichten existiere." Der Tag an dem Madoc den Amokläufer aufgespürt und gequält hatte kam ihr in den Sinn. Luciá wusste, dass er Recht hatte. Er würde nicht zögern sie leiden zu lassen. "Ich dachte, du liebst sie?" Madoc knirschte mit den Zähnen. "Das tue ich auch." "Und was ist dann das zwischen uns? Was ist es für dich?" Ihr Körper zitterte vor Anspannung. "Für mich?" Er lachte bitter auf. "Eine Ablenkung. Ein Training. Ich mag etwas für dich empfinden, doch ist es nicht das gleiche Gefühl und Verlangen was mich quält wenn ich mich in Aubreys Nähe befinde." Luciá zuckte zusammen. Mit einem Mal kam all ihr Hass wieder zurück, füllte sie aus und ließ sie nicht mehr klar denken. "Du übst an mir also nur deine Dämonen zu kontrollieren? Das kann nicht dein Ernst sein..." Er reichte ihr sein Handy. "Es ist mein voller Ernst. Sagtest du nicht, dass wenn ich mich diesem Fall annehme, auch etwas für mich dabei herausspringen würde? Du hast es geschafft mich zu manipulieren. Du hast mit meinem Verlangen gespielt. Das kleine Mädchen aus dem Hause Diaz, welches den Mörder ihrer Schwester zur Strecke bringen wollte und sich schlussendlich in ihn verliebt. Eine Geschichte eines Buches würdig."

Sie konnte nicht mehr tun als fassungslos auf das Handy in seiner Hand zu starren. In ihrem Inneren tobten so unglaublich viele Gefühle. Ihr war zum Heulen zumute. "Und jetzt ruf deinen Vorgesetzten an. Wir sind gleich da." Die Gleichgültigkeit in seiner Stimme trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie riss ihm das Handy aus der Hand. "Danke, dass ich deine lüsterne Ablenkung sein durfte, Madoc." Sie spie seinen Namen förmlich aus. "Wie ich sehe, haben Sie sich also dazu entschlossen Ihre alten Charakterzüge beizubehalten. Ich danke jedoch für das Gespräch." Mit schnellen Fingern tippte sie die Nummer ihres Vorgesetzten ein und wartete bis es klingelte. "Es gibt Hüter, Bewahrer und Vollstrecker auf dieser Welt. Was ich bin dürfte Ihnen klar sein. Ich glaube nicht an eine höhere Gewalt, noch lasse ich mich gerne in meine Schranken weisen. Aber was sind Sie, Luciá? Oder sollte ich eher fragen, was Sie sein wollen?" Ehe sie antworten konnte meldete sich Godric. "Wer ist da?" "Luciá, Sir. Wir sind gleich am Flughafen." Sie hörte, wie er unverständlich Befehle weitergab. "Die Maschine steht bereit. Ich erwarte Sie beide." Dann beendete er abrupt den Anruf. Im gleichen Moment parkte Madoc den GTD auf dem Parkplatz und stieg aus. Sie tat es ihm gleich und folgte ihm unsicheren Schrittes. Da sie nicht genügend Kraft hatte gleichgültig über das eben von ihm gehörte zu reagieren ließ sie zur Ablenkung den Blick schweifen. Vor ihnen stand eine Boeing 767. Und vor dieser Godric. Der alte Mann trug einen schlichten grauen Anzug, jedoch wusste sie dass er seine Waffen in Sekundenschnelle ziehen konnte. Godric trug einen Walrossbart und hatte seine grauen Haare um mehrere Zentimeter geschnitten. Sie waren nun ungefähr so lang wie Madocs. Trotz das er schon die fünfzig überschritten hatte, besaß er einen athletischen Körper. Er war ungefähr so groß wie sie selbst. Sein Gesicht war ausdrucksstark und er hatte die Aura eines wahren Anführers, welcher das Wohl aller über sein eigenes setzte. Als Madoc und sie vor ihm zum Stehen kamen richteten sich augenblicklich unzählige rote Punkte von Scharfschützengewehren auf den Kopf und die Brust des Killers. Diesen jedoch schien dies nicht im Geringsten zu stören. Stattdessen verbeugte sich Madoc vor Godric und lächelte nur schwach. Dann betrat er auch schon ohne zu zögern das Flugzeug. Der alte Mann sah ihr stirnrunzelnd in die Augen. "Sie sehen müde aus." Luciá seufzte. "Das bin ich, Sir, dass bin ich. Müde von diesem Mann." Und dann tat Godric etwas, was sie nie in ihrem Leben erwartet hätte. Er trat auf sie zu und umarmte sie. Erneut flossen ihr Tränen die Wangen hinunter. Als ihr Vater starb hatte Godric sich ihrer angenommen, doch umarmt hatte er sie nie. "Knox ist eine schwierige Persönlichkeit. Er spielt gerne. Deswegen müssen Sie das Spiel gewinnen, meine Liebe. Denn dann gewinnen Sie auch ihn." Godric strich ihr die Tränen aus dem Gesicht und machte ihr Platz. Luciá nickte ihm zu und flüsterte leise "Danke" ehe auch sie das Flugzeug betrat.

Serial Killer (In Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt