~Kapitel 20~

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Er lief an den Tisch und nahm eines der Messer in die Hand. Eve und ich blieben beide wie angewurzelt sitzen. Die erdrückende Stille schien meine Angst nur noch mehr zu befeuern und ich befürchtete schon, dass mir mein Herz aus der Brust springen würde, würde es weiterhin so schnell schlagen. In meinem Kopf überschlugen sich eine unzählige Menge an Gedanken. Ich konnte immer noch nicht begreifen, warum ich mich nicht gewehrt hatte und warum ich ihm einfach kommentarlos gefolgt war. Ich war geradewegs in meinen größten Albtraum gerannt, in eine Falle, die mich nicht mehr losließ. Es lag nun nicht mehr in meiner Hand, gerettet zu werden. Diese Chance hatte ich erfolgreich verspielt. "Ich hätte direkt zur Polizei gehen müssen."

Dan legte das Messer auf seinen Finger, um zu überprüfen, ob es auch ausbalanciert war. Seine Muskeln spannten sich dabei sichtbar an. Ich kam nicht umhin, meinen Blick über seinen nackten Körper gleiten zu lassen. Das Rotlicht flutete über ihn hinweg und es schien so, als läge ein Blutfilm auf seiner Haut, da sich der Schweiß im Licht reflektierte. Er war ein Koloss von Mann und gleichzeitig ein Sexualmörder. Eine tödliche Mischung, wie all die ermordeten Frauen hatten spüren müssen. Selbst Madoc würde wohl Schwierigkeiten haben, gegen ihn anzukommen, solange sie ohne Waffen kämpften. Ich hatte am eigenen Leib erfahren müssen, welch brachiale Kraft die beiden hatten, doch es schien so, als ob Madoc besser mit Waffen umgehen konnte als mit seinen Fäusten. Er war wendig, analysierte den Kampfstil seiner Gegner und schlug dann erst zu. Dan tat dies nicht. Seine Kraft war wie ein Rohdiamant: ungeschliffen. Noch dazu war Madocs Körpermasse weitaus geringerer und seine Statur schmäler. Der Gedanke an ihn brachte das elende Gefühl der Hoffnungslosigkeit zurück. Ob Luciá und er bereits nach mir fahndeten? Ob sie mich überhaupt finden würden, bevor ich vergewaltigt und verstümmelt in irgendeiner Seitenstraße lag? Ob meine Mutter und Lace bereits dachten, ich wäre tot? Ich wusste es nicht und genau diese Tatsache verstärkte das erdrückende Gefühl der Angst, die mich lahmlegte wie ein Virus einen Computer. Normalerweise warf mich nichts so leicht aus der Bahn, aber noch nie hatte ich um mein Leben fürchten müssen. Dan hatte wahrscheinlich weiß Gott was mit mir vor als mich nur zu vergewaltigen. Die Wunden an Eves Körper hatten es mir bewiesen. Sie hatte bestimmt unheimliche Qualen leiden müssen, wurde jedoch nie vom Tod erlöst.

Panisch sah ich zu der jungen Frau, da ich nicht wusste, was mir bevorstand. Sie senkte jedoch nur den Kopf und begab sich wortlos zurück zu ihrem Bett. Staub wirbelte auf, als sie sich setzte, was mich husten ließ. Es war erschreckend, wie unterwürfig Eve auf einmal war. All ihre Selbstsicherheit war mit einem Mal von ihr abgefallen, als Dan den Raum betreten hatte. Ich hatte den letzten Rest Hoffnung in ihren Augen gesehen. Hoffnung darauf, dass sie ihren besten Freund wieder zurückbekam. Doch Dan war so in seinem Film festgefahren, dass diese Hoffnung wohl nur Wunschdenken bleiben würde. Frauen zu vergewaltigen, um sich an seine Mutter erinnern zu können, war etwas, was nur Verrückte taten. Und genau das war er: ein verrückter Sexualmörder.

Ich spürte, wie er mir einen Seitenblick schenkte. "Zieh dich aus. Komplett", befahl er herrisch, doch ich rührte mich nicht, auch wenn ich wusste, dass das Konsequenzen mit sich ziehen würde. "Ich sagte, du sollst dich ausziehen", erklang es nach einigen Sekunden erneut aus seinem Mund. Dieses Mal jedoch deutlich aggressiver. Als ich mich immer noch nicht bewegte, lief Dan auf mich zu und hob warnend das Messer. Die Klinge glitzerte im Rotlicht. "Du kannst mir nichts befehlen!", zischte ich, sprang über das Bettgestell und hechtete zur Tür, bis mir einfiel, dass ich nicht durch die Stahltüren kam. "Nun ja, ich dachte, dass du es magst, dominiert zu werden?" Dan warf mir einen amüsierten Blick zu. "Ich bin lieber mein eigener Herr." Unauffällig ging ich einen Schritt zurück. Er schnalzte mit der Zunge und packte Eve bei den Haaren. Sie verzog vor Schmerz das Gesicht. "Wenn du den Fehler begehst und versuchst erneut abzuhauen, wird sie darunter leiden." Er verstärkte seinen Griff, was Eve ein leises Wimmern entlockte. Da ich nicht wollte, dass er ihr etwas antat, blieb ich stehen und lieferte mir ein stilles Blickgefecht mit meinem Peiniger. Ich war wie die Maus, welche vor der Katze stand. Dem Tode geweiht. Ein undefinierbarer Ausdruck trat in Dans Augen und er fuhr mit der Klinge die Konturen von Eves Kinn nach. Sie verzog keine Miene. Mit langsamen, stetigen Bewegungen fuhr er über ihren Körper. Selbst als Dan seine Hand in ihren Hosenbund gleiten ließ, blieb Eve unverändert sitzen. Nur das leichte Zittern ihrer Unterlippe verriet sie. "Eve weiß, wie sie sich mir gegenüber zu verhalten hat. Ist es nicht so?", fragte Dan und hob mit der Messerklinge ihr Kinn an.

Serial Killer (In Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt