~Kapitel 36~

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Seine Konzentration wankte. Schreckliche Kopfschmerzen plagten ihn und Tränen ließen seine Sicht verschwimmen. Er hatte schützend einen Arm vor Aubrey gehalten und behielt die Umgebung vor ihm im Auge. "Wenn er von hinten kommt, sind wir verloren. Es wäre töricht sich mir im Zweikampf in den Weg zu stellen." Madoc presste die Zähne aufeinander und versuchte krampfhaft Luciás bleiches Gesicht aus seinem Kopf zu bekommen, doch je mehr er dagegen ankämpfte, desto schlimmer wurden seine Kopfschmerzen. "Ich habe sie einfach sterben lassen." Wie paralysiert starrte er nach vorne, ohne einen bestimmten Punkt zu fixieren. Er spürte Aubreys Berührung an seinem Arm, doch reagierte er nicht darauf. Ein quälendes Gefühl von längst vergangenen Tagen machte sich in ihm breit, ließ seine Atmung schneller werden und ihn vor Adrenalin erzittern. Immer mehr verfiel er dem rationalen Denken und ließ es im nächsten Moment zu, dass sein Verstand aussetzte. Es dauerte eine Weile, bis er realisierte. Er hatte Angst. Sie kroch ihm durch jede Faser seines Körpers und ließ ihn das Gesicht verziehen. Seine Hand, in dem er die Glock hielt, zitterte unaufhörlich und war schweißnass. "Aubrey." Er drehte sich zu ihr um und fand direkt ihren Blick. Sein Herz schlug immer schneller und eine unangenehme Gänsehaut machte sich auf seinem Körper breit. Erwartungsvoll sah sie ihn an. "Bleib bitte hinter mir, hast du verstanden?" Aubrey runzelte die Stirn und trat im nächsten Moment auf ihn zu. Sie legte ihre Hand auf seine sich hektisch hebende Brust. "Du hast Angst. Angst um mich." Madoc riss die Augen auf. Es war erschreckend wie leicht seine Fassade angefangen hatte zu bröckeln, sodass Aubrey in seinem Gesicht hatte lesen können was nicht stimmte. Vor nicht allzu langer Zeit wäre dies nicht möglich gewesen. Er schloss kurz die Augen und versuchte, wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. "Ein weiser Mann sagte einmal, dass man aufhören soll seinen Verstand von Angst benebeln zu lassen. Denn Angst ist primitiv. Sie wird einem nicht helfen." Sie drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Dann ließ sie ihre Hand zu seinem Rücken wandern und zog das Feldmesser aus der Messerscheide. "Was hast du vor?" Nun lag es an ihm die Stirn zu runzeln. "Ich helfe dir." Mit einem schelmischen Grinsen lehnte sie sich an seinen Rücken. Nun konnten sie beide Seiten im Auge behalten. Madocs Mundwinkel hoben sich zu einem kleinen Lächeln nach oben. "Ich habe ganz vergessen dass du kämpfen kannst. Aber würde diese Situation nicht so ausweglos sein, würde ich dich nicht zum Zug kommen lassen." Er erntete einen Trick gegen sein Schienbein. Aubrey wurde wieder ernst. "Er hat Luciá erschossen." Sie klang so, als ob ihr eben erst klargeworden wäre was soeben geschehen war. Madoc seufzte und nickte zaghaft. Seine Tränen waren versiegt und die Angst hatte Hass Platz gemacht. Doch dieser war ihm nur mehr als willkommen, denn das was man kennt, fürchtet man nicht. "Wieso?" Aubrey schenkte ihm einen leidenden Blick. Sie sah so aus wie er sich fühlte. "Weil er sie aus dem Weg schaffen musste. Nun ist es ausgeglichen, eins gegen eins, verstehst du?" Zu seiner Verwunderung schüttelte sie den Kopf. "Nein. Er wollte dich verletzen, dich damit außer Gefecht setzen. Er wusste, dass sie dir wichtig ist." Madoc öffnete den Mund um zu protestieren, schloss ihn kurz darauf aber wieder. "Du hast sie geliebt. Auf eine Weise, wie du es bei mir nicht tust. Und deshalb wirft es dich so aus der Bahn. Ihr habt eine gemeinsame Vergangenheit, stimmt's?" Er seufzte. "Aburey, dass ist nicht der richtige Zeitpunkt um.." Ihr fordernder Blick ließ ihn einknicken. "Ja, wir haben eine gemeinsame Vergangenheit. Das Mädchen auf den Bildern, welche du dir angesehen hast, war ihre Schwester. Ich habe sie umgebracht. Und Luciá schwor Rache und wollte mich im Gegenzug umbringen. Im Endeffekt kam es nie dazu, aber unsere Wege trafen sich wieder. Wegen Dan. Und nun sind beide tot, der Auftrag ist unerfüllt. Und meine Vergangenheit noch unerträglicher als sonst." Erneut ergriff ihn ein Zittern. "Aubrey nickte. "Verstehe." Der Mond stand hoch am Himmel. Nach langem Schweigen, in welchem sie konzentriert auf jedes noch so kleine Geräusch in der Dunkelheit achteten, erhob sie erneut die Stimme.

"Von wo denkst du wird er kommen?" "Von vorne." Und partout in diesem Moment sprang ein Mann hinter der Ecke hervor und zielte mit seiner Baretta auf sie. Madoc verengte die Augen zu Schlitzen. "Warum zögert er?" Der Mann vor ihnen hatte eine Glatze und war mit Tattoos übersät. Er trug eine lange schwarze Hose und ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift "Occisor". Madoc erschrak. "Er kennt mich." "Was?!" Aubrey wandte sich dem Scharfschützen zu. "Ich sagte, er kennt mich." Ein höhnisches Lachen erklang. "Natürlich kenne ich dich, Knox. Du Bastard hast meine Familie umgebracht!" Ein Schuss erklang. Geistesgegenwärtig schoss Madocs Hand vor Aubreys Gesicht und er schubste sie beiseite. Die Kugel durchschlug seine Hand und ließ ihn erschaudern. Da war es wieder, das Hochgefühl, welches der Schmerz verursachte. Die Stimmen in seinem Kopf wurden leiser und die Qual, welche Luciás Tod verursacht hatte, legte sich. Er warf Aubrey einen Blick zu der besagte "Bleib da, wo du bist und rühr dich nicht von der Stelle." Die Narben auf seiner Brust, die das Wort Occisor bildeten, fingen an zu brennen. Madoc öffnete erneut sein Hemd und ließ es mitsamt seiner Anzugjacke zu Boden gleiten. Der gierige Blick des Scharfschützen glitt über ihn. Madoc beschlich eine Ahnung. "Du bist älter geworden, Knox. Aber ich habe dich nie vergessen." Erneut löste sich ein Schuss, welcher auf seine Schulter gerichtet war. Madoc duckte sich in sekundenschnelle und somit verschwand die Kugel in der Nacht. "Höre ich da etwa sowas wie Bewunderung in deiner Stimme, Matt?" Der Glatzköpfige riss die Augen auf. In ihnen lag blanker Wahnsinn. Der Tribut einer zerfressenen Seele. "Wie kannst du es wagen mich so zu nennen?!" Er feuerte blindlings sein ganzes Magazin leer. Madoc hatte nur auf diesen Moment gewartet. Drei Schüsse trafen ihn, zwei an der Schulter und einer an der Wade, die anderen schlugen in den Boden oder in die Hauswand ein. Matthew hatte aus der Hüfte geschossen, so war es vorhersehbar gewesen dass er nicht zielsicher traf. Madoc ließ seinen Blick zu Aubrey gleiten. Sie kauerte auf dem Boden und hielt sich die Ohren zu. Er musste sich beeilen, sonst würde das viele Blut was er verlor ihn zu sehr schwächen. Er spürte die Wunden im Takte seines Herzens pochen. "Du stehst ja immer noch." Matthew trat näher auf ihn zu und ließ die Berreta fallen. Er hatte einen Ausdruck in den Augen, welcher Madoc stark an Begierde erinnerte. Doch diese Schlussfolgerung erschien ihm nicht logisch genug. Er hob seine Glock, ein Schuss welcher auf die Oberschenkelarterie zielte. "Du bist kein Gegner für mich, Matt. Das warst du nie. Du bist bloß eine Marionette in Dans Spiel. Ach, ich vergaß. Dan ist Tod. Der Feigling hat sich umgebracht. Und wenn du ihm nicht ins Jenseits folgen willst, dann geh auf die Knie und halte die Hände über den Kopf." Madocs Zittern wurde stärker. Überall war sein Blut, floss wie zähes Wasser über den Boden. "Wieso erlöst du mich nicht von diesem Schmerz? Du hast ihn schließlich verursacht!" Matthew bebte vor Erregung. "Das ist dir nicht vorbestimmt. Ich sag es nicht noch einmal. Geh. Auf. Die. Knie!" Warnend feuerte er einen Schuss ab. Matthew ballte die Hände zu Fäusten und rannte auf ihn zu. Er drückte sich ab und drosch auf die Schussverletzungen ein. Madoc entfuhr ein schmerzhaftes Keuchen. Zielstrebig packte er Matthews Hände und ließ seinen Kopf auf dessen Nasenbein krachen. Der Scharfschütze ging zu Boden und blieb leblos liegen. Die Welt schien stehengeblieben zu sein. Das Einzige, was er wahrnahm, war Aubreys Wimmern und das Rauschen seines Blutes in seinen Ohren.

Serial Killer (In Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt