#17

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Tim verabschiedete sich von Mila und Ella, denn Chloe war zusammen mit Taylor rausgegangen. Er wollte nicht zurück nachhause, doch was sollte er schon tun? Seine Eltern würden ausrasten, wenn er wiederkam. Schließlich war er abgehauen und hatte das gesamte Wochenende bei Chloes Familie verbracht. Viel zu schnell stand er im Flur vom Haus seiner Eltern und zog sich die Schuhe aus, betont leise, um vielleicht unbemerkt nach oben schleichen zu können. Doch seine Hoffnung wurde jäh zunichtegemacht, als er ein leises Räuspern hinter sich hörte. Er drehte sich um und schaute geradewegs in das verkniffene Gesicht seiner Mutter, die mahnend die Stirn runzelte.

„Wo warst du, Timothy?" Er zuckte beim Klang seines richtigen Namens zusammen, nur seine Mutter nannte ihn so.

„Hab bei einem Freund übernachtet." Tim senkte den Blick und betrachtete interessiert seine Fußspitzen.

„Ohne uns Bescheid zu sagen? Junger Mann, so geht das aber nicht." Der Mund seiner Mutter wurde zu einem schmalen Strich. „Ich muss deinem Vater sagen, dass du zurück bist."

„Nein, bitte nicht." Tims Blick huschte ziellos umher und mied den Blickkontakt zu seiner Mutter.

„Es ist nur zu deinem besten. Guck nur, wie viel Kummer du uns immer bereitest." Seine Nase erwähnte sie mit keinem Wort.

„Das rechtfertigt aber nicht, dass er mir das letzte Mal den Arm verstaucht hat." Tim verzog grimmig das Gesicht und deutete auf den Verband, den er immer noch trug.

„Das war nicht mit Absicht. Es tut ihm auch sehr leid. Mein Vater hat mich auch öfter übers Knie gelegt und sieh, was aus mir geworden ist. Eine selbstbewusste, selbstständige Frau." Sie warf ihre langen Haare in einer schwungvollen Geste zurück.

Tim schnaufte auf und flüsterte zu sich. „Wer es glaubt." Er lachte leise auf, doch scheinbar nicht leise genug, denn seine Mutter hörte es.

„Wie kannst du nur?" Ihre Lippen pressten sich noch fester aneinander.. „Victor, komm mal. Dein Sohn beleidigt mich."

„Was?" Eine verschlafene Stimmte grummelte etwas aus der Richtung ihres Schlafzimmers.

„Komm mal." Sie winkte mit der Hand, als könnte Victor es sehen.

„Du weißt, ich mag es nicht während meines Mittagsschlafs gestört zu werden." Man hörte wie zwei Füße sich auf den Boden stellten und näher herankamen.

Tim, der eigentlich nicht gerade klein war, schrumpfte um einige Zentimeter in sich zusammen und zog wie ein geprügelter Hund seinen Kopf ein, als sein Vater um die Ecke kam und sich vor ihm aufbaute. Er überragte ihn um mindestens zwei Köpfe. Victor hob die Hand, um sich eine Strähne aus der Stirn zu streichen. Die Geste veranlasste Tim dazu, verschreckt zusammenzuzucken.

„Was denn?" Sein Vater schien schlechte Laune zu bekommen, denn er blaffte ihn an. „Sei nicht so ein Weichei und tritt mir wie ein Mann entgegen." Er kratzte sich am Kopf, so als hätte er vergessen, weshalb er überhaupt mit Tim redete, doch dann: „Wieso redest du so respektlos mit deiner Mutter?"

Tim antwortete nicht, da er wusste seine Antwort würde keinen Unterschied machen und hielt seinen Kopf nur weiterhin gesenkt. Eine Weile war es still, sein Vater überlegte gerade bestimmt welche Bestrafung für ihn am besten geeignet war. Doch schließlich klingelte es an der Tür und Tim sah auf, in das verdutzte Gesicht von seinem Vater, der keinen Besuch zu erwarten schien.

„Ist das für dich, Amelia?" Seine Mutter schüttelte den Kopf und ging zur Tür, um sie zu öffnen.

„Guten Tag, kennen wir uns?", hörte Tim sie sagen.

Ein kurzer Seitenblick auf seinen Vater und Tim lief zur Tür, um zu sehen wer sie besuchte. Die Lampe von draußen blendete ihn, doch als er sich an das Licht gewöhnt hatte, erkannte er die Frau die in der Tür stand. Es war Mila. Tim war gleichzeitig erfreut und entsetzt sie zu sehen, wenn sie nämlich seine Eltern fragen sollte, wie ihr Wochenendausflug gewesen war, würde sie herausfinden, dass es nur eine Lüge war, um von zuhause fliehen zu können. Doch im Moment hatte sie ihn vor einer eskalierenden Situation gerettet und das war immerhin etwas.

„Das ist Chloes Mom", sagte Tim, ehe Mila sich selbst vorstellen konnte.

„Erfreut Sie kennenzulernen." Victor schlang einen Arm um seine Frau Amalia. „Was können wir für Sie tun?"

„Ich dachte mir, da unsere Kinder befreundet sind, könnten wir uns auch mal ein wenig besser kennenlernen. Ich würde sie gern auf eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen einladen." Mila wartete auf eine Antwort, die eine Weile auf sich warten ließ.

„Gern", sagte Victor schließlich mit einem Seitenblick auf seine Frau.

„Ist Samstag, ok? So um 15:00 Uhr?" Mila wechselte ihre Position und machte nun das rechte Bein zu ihrem Standbein.

„Ja. Danke für die Einladung. Bis dann." Schon machte Victor der verdutzten Mila die Tür vor der Nase zu.

Dann ging er zum Fenster und spähte vorsichtig hindurch. Sie stand noch eine Weile vor der Tür, ehe sie sich schließlich schulterzuckend umdrehte und in ihr Auto stieg, um davon zu fahren.

„Was hatte die denn hier zu suchen?" Victor schaute Tim an, als hätte er Mila dazu überredet sie zu einem Kaffee einzuladen.

„Ist doch nett." Tim zuckte mit den Schultern, denn er hatte keine Lust auf eine Diskussion.

„Die plant doch was. Niemand ist einfach nur nett." Tim verdrehte über diese Aussage seine Augen und machte einen Schritt in Richtung seines Zimmers, um vielleicht unauffällig verschwinden zu können, doch er wurde aufgehalten. „Was glaubst du, wo du hingehst?"

Ertappt blieb er stehen und überlegte ob er einfach rennen sollte, doch es würde eh nichts bringen. Sein Zimmer hatte kein Schloss zum Abschließen.

„Du hast sie hierher eingeladen, oder?" Seine Mutter mischte sich nun auch wieder in das Gespräch ein.

„Nein." Tims Stimme blieb ruhig, um überzeugend zu klingen, eigentlich hatte er ja auch nichts zu verbergen, doch wenn seine Eltern ihm nicht glauben sollten, wollte er gar nicht wissen, was sie mit ihm tun würden.

„Du kannst gut lügen. Das musst du wohl von mir haben." Victor klang fast stolz, was ein unangenehmes Ziehen in Tims Magen verursachte. „Du darfst meinetwegen jeden anlügen, aber uns nicht." Er kam ganz nah an ihn heran und spuckte ihm jedes Wort nahezu ins Gesicht.

„Ich lüge nicht." Tims Stimme war trotz seiner Angst immer noch ruhig.

Er sah die Faust nicht kommen, erst als ein gewaltiger Schmerz in seinem rechten Auge zu pochen begann und es stark zu Tränen anfing.

„Was machst du da, Victor?" Seine Mutter klang erschreckt, was Tim hoffen ließ sie würde ihm sagen, er solle aufhören. „Er wird einen blauen Fleck bekommen. Man wird ihn fragen, wo er den herhat." Sein Herz sank ihm in die Hose.

„Du wirst niemandem sagen, wie du das wirklich bekommen hast? Verstanden?" Victor gewann an Größe, während Tim weiter in sich zusammenschrumpfte. „Sonst." Er überlegte. „Wird deine kleine Freundin darunter leiden. Wie heißt sie nochmal? Claire?"

„Chloe." Tim ballte die Hände zu Fäusten und sein Herz krampfte sich erneut zusammen.

„Richtig. Chloe." Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Ich werde nichts sagen", presste Tim zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und ballte seine Hände zu Fäusten.

Der Schmerz in seinem Auge war vergessen, er empfand gerade einfach nur eine riesengroße Wut auf seine Eltern.

„Gut." Sein Vater drehte sich um und wollte wieder zurück ins Schlafzimmer gehen. „Dann kann ich mich ja noch eine Weile hinlegen gehen." Er streckte sich genüsslich und ging zurück ins Schlafzimmer.

Seine Mutter verschwand nun in die Küche und Tim blieb allein zurück, dem das schmerzhafte Pochen seines Auges wieder bewusstwurde. Er lief ins Bad und schaute in den Spiegel. Er zuckte nicht zurück, als er seine geschwollene Nase und dass schon blau werdende Auge im Spiegel betrachtete. Wie sollte er das jemandem erklären können? Für die Nase hatte er eine Erklärung, aber für das Auge? Er seufzte und ließ kaltes Wasser über einen Waschlappen laufen, den er sich auf sein Auge drückte. Dann verschwand er in sein Zimmer und blieb den Rest des Tages mit dem Waschlappen auf seinem Gesicht in seinem Bett liegen. Er stand nur ein paarmal auf, um das Wasser zu erneuern. 

Der SpielmeisterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt