Ella versuchte sich so klein wie möglich zu machen, als sie die Schulflure ins Klassenzimmer entlangschlich.
„Ich habe es endlich geschafft, Taylor rumzubekommen. Er liegt mir zu Füßen wie ein Schoßhund." Bei der Erwähnung des Namens blieb Ella stehen und drückte sich an die Wand.
Dort kniete sie sich hin und tat, als würde sie sich den Schnürsenkel binden, um noch mehr von dem Gespräch mitanzuhören. Dabei versuchte sie so gut es ging, die Gedanken darüber zurückzudrängen, wie sie gerade auf die anderen wirkte.
„Du glückliche", sagte ein Mädchen, an dessen Name Ella sich nicht mehr erinnern konnte und verdrehte dabei verträumt die Augen.
„Warum hast du das nochmal gemacht?", fragte Tina, die sie aus einem ihrer Kurse wiedererkannte.
Linda, die als erstes gesprochen hatte, stöhnte genervt auf. „Tina, wieso verstehst du eigentlich nie was man dir sagt?" Sie warf ihre Haare schwungvoll nach hinten, wahrscheinlich um die Jungen zu beeindrucken, die gerade an ihnen vorbeikamen. „Warum sind wir überhaupt befreundet?" Sie legte die Stirn in Falten und Ella musste ein Lachen unterdrücken, weil sie beim Nachdenken irgendwie dümmlich aussah.
„Weil meine Eltern Geld haben?", sagte Tina und zuckte mit den Schultern, als würde es ihr nichts bedeuten.
„Ich will Tim eifersüchtig machen, damit er wieder zu mir zurückkommt. Außerdem kann ich damit Chloe eins auswischen, in dem ich ihr den Freund ausspanne." Ella verschluckte sich fast an ihrer eigenen Spucke und fing nun an ihren zweiten Schnürsenkel erneut zuzubinden.
„Achso. Aber es weiß doch keiner von Taylor und dir, wie soll Tim denn da eifersüchtig werden." Tina betrachtete ihre lackierten Nägel, die in einem grellen Gelbton aufleuchteten.
„Noch will ich nichts an die große Glocke hängen. Stellt euch mal vor, wie es sein wird, wenn rauskommt, dass Taylor Chloe die ganze Zeit mit mir betrogen hat. Die ganze Aufmerksamkeit wird Tim wieder auf mich neugierig machen und er wird zu mir zurückkommen." Linda warf erneut in einer übertriebenen Geste ihre langen Haare zurück.
„Ich glaube nicht das Tim es gut finden wird. Er ist doch mit Chloe befreundet." Tina ließ die Hand sinken und schaute nun zu Linda.
„Du bekommst auch wirklich nichts mit. Die beiden haben sich gestritten. Ich weiß zwar nicht genau warum, aber es scheint schlimm zu sein. Sie meiden sich seitdem wie die Pest. Ich räche mich für ihn an ihr. Ich hasse sie seit der ersten Klasse, als sie meine Schminktasche vom Tisch gefegt hat. Ganz sicher mit Absicht." Linda schlug mit der Faust gegen die Spindtür, die mit einem lauten Scheppern zufiel.
„Genau", sagte Moni, an deren Namen Ella sich nun wieder erinnerte und nickte nur zustimmend.
„Ich weiß nicht. Chloe hat doch gerade bestimmt genug Probleme. Ich meine, sie wurde von ihrem eigenen Vater entführt." Tina knirschte unsicher mit den Zähnen.
„Lass das." Linda rollte genervt über das Zähneknirschen die Augen. „Sie hat sich das doch nur ausgedacht, um Aufmerksamkeit zu bekommen." Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Haar, während Ella ein abwertendes Schnauben ausstieß, als sie jedoch realisierte was sie dort tat, stellte sie es ein.
„Wenn du meinst." Tina schien das Interesse an dem Gespräch verloren zu haben und schulterte die Träger ihrer Tasche, die sie vorher auf dem Boden abgestellt hatte.
„Lasst uns was Essen gehen. Ich habe keine Lust auf Mathe." Linda kramte in ihrer kleinen Handtasche, in die bestimmt keine Bücher passten.
Ella richtete sich wieder auf, denn sie hatte genug gehört. Das Gespräch schien nun in eine andere Richtung weiter zu verlaufen. Sie drehte sich auf dem Absatz um und lief nun zum Kunstunterricht. Die Klasse war schon gut gefüllt, was sie mit dem frühen losgehen vorhin eigentlich verhindern wollte, doch die Mädchen zu belauschen war wichtiger gewesen. Alle Augen richteten sich auf sie, als sie mit gesenktem Kopf die Klasse betrat und sich schnellen Schrittes auf den Platz neben Chloe fallenließ. Vor Cara und Amy wollte sie die Sache mit Taylor nicht ansprechen, so verschob sie es auf den Nachmittag. Sie rutschte die ganze Zeit über ungeduldig auf ihrem Stuhl herum und konnte sich nicht wirklich auf ihre Zeichnung konzentrieren. Dem Gespräch hörte sie auch nur mit halbem Ohr zu, doch es fiel niemandem auf, da sie sie sich eh kaum beteiligte.
Nach dem Unterricht lief sie zusammen mit Chloe zum Parkplatz, wo Taylor bereits mit laufendem Motor auf sie wartete. Kaum waren sie eingestiegen fuhr er los.
„Ich muss noch tanken fahren." Taylor setzte den Blinker, bog ab und parkte neben einer Zapfsäule.
Er stieg aus und ließ Chloe und Ella allein in dem Auto zurück. „Ich muss dir was sagen." Sie schluckte, da sie nicht genau wusste, wie sie es ihr erklären sollte.
„Was denn?" Chloe drehte sich zu ihr um und schaute sie erwartungsvoll an.
Ella brachte erstmal kein Wort heraus und versuchte sich in Gedanken einige Worte zurechtzulegen. Als sie dann endlich dazu bereit war, kam Taylor auch schon zurück und stieg wieder zu ihnen ins Auto.
„Ist nicht so wichtig. Sag ich dir später." Chloe hatte inzwischen eine Augenbraue gehoben, da sie immer noch darauf wartete, dass sie etwas sagte.
„Babe, wir können uns heute doch nicht treffen. Ich muss mein Auto nachher in die Werkstatt bringen", sagte Taylor beilläufig.
„Och man." Chloe drehte sich zu ihm und Ella konnte sehen, wie ihre Lippen sich zu einem Schmollmund verzogen.
Taylor zuckte mit den Schultern. „Sorry." Es zeigte aber nicht unbedingt, dass es ihm leidtat.
Er parkte auf der Straße vor ihrem Haus. Taylor beugte sich zu Chloe um sie zum Abschied zu küssen. Schnell stieg Ella aus und machte sich auf den Weg nach oben in ihr Zimmer. Als sie unten hörte, wie Chloe das Haus betrat, lief sie wieder hinunter.
„Ich muss dir das jetzt erzählen." Ella trat von einem Bein auf das andere.
„Was denn?" Chloe wollte sich gerade die Jacke von den Schultern streifen und hielt nun inne.
„Taylor geht dir mit Linda fremd." Ihr platzten die Worte heraus, ehe sie darüber nachdenken konnte.
Ihre Jacke hing ihr immer noch halb auf den Schultern. „Was meinst du?"
„Ich habe gehört, wie Linda mit ihren Freunden darüber geredet hat. Sie will sich an dir rächen und gleichzeitig Tim eifersüchtig machen", sagte Ella und verschluckte sich fast, denn sie war es nicht gewohnt so viel auf einmal zu sagen.
„Wie will sie damit Tim eifersüchtig machen? Das ist doch Unsinn." Chloe schaute skeptisch drein, weshalb Ella sich verzweifelt mit einer Hand durch das Haar fuhr.
„Glaub mir doch. Taylor ist-"
Sie wurde von Chloe unterbrochen. „Ein schlechter Einfluss? Wolltest du das sagen? Ihr wollt doch alle nur Taylor loswerden, oder? Wer hat dir gesagt, du sollst dir das ausdenken? Mom? Oder war es deine Idee? Lasst mich doch einfach alle in Ruhe." Sie rannte die Treppen hoch und ließ Ella stehen.
Sie machte sich große Vorwürfe, weil sie es nicht geschafft hatte Chloe zu überzeugen. Was sollte sie jetzt tun?
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Der Spielmeister
Mystery / ThrillerInfo: Dies ist ein zweiter Teil. Um alles verstehen zu können, solltet ihr "Der Wahrheitsfinder" gelesen haben. „Aaron ist tot. Er wurde erhängt in seiner Zelle gefunden." Mila ließ vor Schreck fast ihr Handy fallen, als sie die Worte hörte. Dann...