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Mila saß an ihrem Schreibtisch und schaute sich die Überwachungsvideos der Kamera an, die sie vor der Haustür angebracht hatte. Sie hatte gehofft denjenigen so zu erwischen, der ihr immer die Umschläge vor die Tür legte, doch sie musste feststellen, dass jemand die Linse der Kamera mit Farbe besprüht hatte. Man sah nur eine Spraydose, die von einer behandschuhten Hand gehalten wurde und dann war alles nur noch schwarz. Sie seufzte und wollte sich nun endlich dem Brief zuwenden, doch sie schaute ihn bestimmt noch eine gute halbe Stunde einfach nur an, ehe sie ihn endlich aufriss.

Liebe Chance,

ich habe ja schon eine Weile nichts mehr von mir hören lassen. Ich muss zugeben, mein eigenes Spiel langweilt mich, deshalb habe ich beschlossen es zu verändern. Ich hoffe dir werden die Änderungen genauso viel Freude bereiten wie mir.

Ich muss sagen, ich bin ziemlich stolz auf mich, ich habe in dieser Woche wirklich großes geleistet. Zehn Geiseln mussten her. Es war nicht ganz einfach, aber ich habe es geschafft und sie alle sicher zu mir gebracht. Es wird nun wie folgt ablaufen. Alle zwei Tage wirst du um das Leben einer Geisel spielen müssen. Frei lasse ich sie aber erst, wenn du alle Aufgaben erfolgreich abgeschlossen hast. Am Ende gibt es noch so eine Art Abschlusslevel. Darauf freue ich mich schon ganz besonders.

Hier noch eine Liste der Geiseln. (Ihre Angehörigen haben alle auch einen Brief bekommen. Ich habe ihnen verboten dich zu behelligen, also solltest du nicht weiter gestört werden. Dir ist es verboten sie zu besuchen. Ich denke ich muss dir nicht erklären, was passiert, wenn du dich nicht daranhältst.)

Mark Lewis, Carlie Silver, Sam Shephard, Thomas Stanton, Leo Benett, Anna Lindsey, Nancy Morgan, Theodor Prantis, Louis Monroe und Jessica Almond.

Ich habe von jedem/jeder ein Bild in den Umschlag getan.

In den nächsten Tagen werde ich mich bald wieder bei dir melden, um dir deine erste Aufgabe in dem neuen Spiel zu geben. Leider bin ich mit den Vorbereitungen noch nicht ganz fertig, hab also Geduld.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Spielmeister

Sie legte den Brief zur Seite und fuhr sich mit der Hand durch ihr blondes Haar. Das schien langsam wirklich aus dem Ruder zu laufen. Jetzt lastete schon das Gewicht von zehn Geiseln auf ihren Schultern. Wie sollte sie das bloß ertragen? Ihr war danach den Brief zu zerreißen, doch sie begnügte sich damit ihre Hand zu einer Faust zu ballen und sie mit voller Wucht gegen die Tischplatte zu schlagen. Sie konzentrierte sich auf den Schmerz, der ihr half, sich wieder auf die Wirklichkeit zu fokussieren. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie bald losmusste, um Lenna aus dem Kindergarten abzuholen. Sie holte nun die Bilder aus dem Umschlag und sah sich die Geiseln etwas genauer an. Es gab kaum Gemeinsamkeiten zwischen ihnen. Es waren Menschen verschiedenster Altersklassen mit unterschiedlichen Haut- und Augenfarben. Wie zum Teufel sollte sie ganz allein herausfinden wer hinter all dem steckte. Ihre Gedanken kreisten immer noch um den Brief, als sie in ihr Auto stieg und den Weg Richtung Kindergarten einschlug. Nun mischte sich aber auch noch der Unfall ihres Vaters ein. Hätte sie es verhindern können, wenn sie ihn nicht rausgeworfen hätte? Wäre es irgendwann trotzdem passiert? Sie wusste, darüber nachzudenken, würde sie nicht weiterbringen, viel eher würde sie dem Wahnsinn verfallen. Sie kam an drei Parklücken an, die vor dem Kindergarten standen. Alle drei Lücken waren noch frei und sie stellte sich in die linke. Sie befestigte noch schnell den Kindersitz, bevor sie durch die schmiedeeiserne Pforte zum Eingang lief. Zurzeit waren alle draußen und ehe Mila sich versah, war sie bereits von etlichen Kindern umzingelt, die sie von allen Seiten vollquatschten. Sie hörte allerdings nur mit halbem Ohr zu und sah sich nach Lenna um, die sie schließlich allein in einer Ecke des Sandkastens entdeckte. Mila ging lächelnd auf sie zu und hockte sich zu ihr in den Sand.

Der SpielmeisterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt