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Mila hatte sich zusammen mit dem Brief in ihrem Schlafzimmer eingeschlossen und hatte sich an ihren Schreibtisch gesetzt, denn sie befürchtete jemand könnte sie beim Lesen erwischen und ihn ihr aus der Hand reißen. Auch wenn das natürlich völliger Quatsch war, doch sie ging lieber auf Nummer sicher. Ihre Hand blieb ruhig, als sie ihren Brieföffner nahm und sie den Umschlag vorsichtig aufritzte. Mila entfaltete das Blatt und starrte auf die Worte, die mit dem Computer getippt worden waren. Sie überflog den Zettel und was sie dort aufschnappte, war sogar noch schlimmer als sie erwartet hatte.

Liebe Chance,

es gab eine kleine Planänderung. Ich dachte es könnte motivierender für dich sein, wenn du unter den Geiseln jemanden kennst. Großzügig, wie ich bin, lasse ich heute schon eine Geisel frei, doch freu dich lieber nicht zu früh. Ich habe sie bereits ersetzt.

Mila spürte ein seltsames Magenkribbeln in ihrem Bauch und eine schlimme Vorahnung erfasste sie.

Deine Tochter Chloe hat sich kaum gewehrt, als ich sie geholt habe. Sie hat nur ein wenig gestrampelt, ehe ich sie mit dem Chloroform betäubt habe. Mach dir aber keine Sorgen. Ich halte mein Wort, sie wird freikommen, wenn du nur die Aufgaben weiter so gut erfüllst. Da ich dich damit jetzt wahrscheinlich überrumpelt habe, bekommst du von mir eine kleine Starthilfe. Du darfst dir jemanden aussuchen, dem du von mir erzählen darfst. Diese Person darf dich bei den Aufgaben unterstützen. Derjenige oder diejenige hat sich natürlich auch an die Geheimhaltung meiner Person zu halten, sonst wird von den zehn Geiseln wohl nicht mehr viel übrigbleiben.

Mila ballte die Hände zu Fäusten und fürchtete sich schon ein wenig vor dem was noch in dem Brief stand, obwohl er nur noch einen kleinen Absatz enthielt.

Deine nächste Aufgabe wird es sein, eine Bank auszurauben. Jetzt kommt endlich mal eine richtige Herausforderung für dich. Die Aufgaben davor waren ziemlich einfach. Du hast wie immer achtundvierzig Stunden Zeit. Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg dabei, wäre doch schade um die vielen Leben.

P.S. Die eingeweihte Person darf dabei natürlich helfen!

Mit freundlichen Grüßen,

ihr Spielmeister

Als sie die letzten Zeilen las, ballte sich ein Schrei in ihrer Kehle auf, denn sie schließlich einfach aus ihren Lungen presste. Nachdem sie ihren Frust in die Welt gebrüllt hatte, klopfte es vorsichtig an der Tür.

„Alles, okay?", hörte sie Ella zögernd fragen.

„Mach dir um mich keine Sorgen. Die Arbeit frustriert mich nur ein wenig." Sie packte den Brief in eine Schublade ihres Schreibtisches, wo sie auch die anderen bereits aufbewahrte und schloss sie sorgfältig ab.

Dann stürmte sie aus ihrem Schlafzimmer, vorbei an der verdutzten Ella, die sich immer noch nicht entschieden hatte, ob sie lieber gehen oder sich vergewissern sollte, dass es ihr auch wirklich gut ging, hinein in Chloes Zimmer. Es war leer.

„Chloe?", flüsterte sie leise und schmiss die Decken und Kissen vom Bett herunter, als würde sie sich darunter verstecken.

Ella war währenddessen ins Zimmer getreten, ohne dass sie es bemerkt hatte. „Dieser Mistkerl", sagte sie zu sich selbst und erschrak fürchterlich, als sie sich umdrehte und sie erblickte.

„Wen meinst du?", fragte Ella, deren Augen sich weiteten.

„Taylor", sagte sie nach einer ziemlich langen Pause. „Weil er sie so zugerichtet hat." Mila entschied sich dagegen, Ella in die ganze Sache einzuweihen.

Sie war schließlich noch ein Kind und sie sollte auf keinen Fall in den Banküberfall verwickelt werden.

„Wo ist Chloe eigentlich? Ich wusste nicht, dass sie noch mal wegwollte?" Ella betrachtete nachdenklich die Kissen und Decken, die nun zerstreut auf dem Boden herumlagen.

Der SpielmeisterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt