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Mila erwachte mit pochenden Schmerzen am Hinterkopf und versuchte ihre Augen zu öffnen. Doch es dauerte eine ganze Weile, ehe sie Umrisse um sich herum wahrnehmen konnte. Sie wollte sich aufsetzen, doch Fesseln um ihre Hand- und Fußgelenke hielten sie davon ab. Wenigstens lag sie auf etwas weichem, auf einer Couch, wie sie vermutete.

„Ah. Du bist wach." Mila entdeckte Donald, als sie ihren Kopf in die Richtung seiner Stimme drehte.

Mila gab sich in Gedanken eine Ohrfeige, warum hatte sie nicht auf Jamie und den Rest des Teams vom FBI gewartet. Außerdem war es doch gar nicht mehr ihre Aufgabe Verbrecher zu fangen. Sie hatte gekündigt. Wie sollte sie den anderen erklären, was sie hier gesucht hatte? Warum brachte sie sich nur ständig in solch schwierige Situationen. Bei ihr schien eine Sicherung durchgebrannt zu sein. Jetzt konnte sie nur hoffen, rechtzeitig gefunden zu werden, bevor die beiden Irren sie umbringen würden. Wie lange war sie weg gewesen? Bis hierher war es ungefähr eine Stunde Fahrt. War das FBI schon unterwegs?

„Wollen Sie mich jetzt auch umbringen, wie Sie es mit ihrem Sohn gemacht haben?" Mila versuchte sich auf den Rücken zu drehen, doch ohne Erfolg.

„Du weißt zu viel." Er strich am Sims des Kamins entlang und betrachtete ein Bild von George, der ohne zu Lächeln in die Kamera schaute. „Das mit George war ein Unfall."

„Was ist passiert?" Mila musste ihn zum Reden bringen, nur so konnte sie noch ein wenig Zeit herausholen.

Zu ihrem Erstaunen lachte Donald leise und sagte: „Da musst du meine Frau fragen. Ich habe nur seine Leiche im Fluss versenkt, wie genau es passiert ist, weiß ich nicht."

„George hat gequengelt. Er wollte unbedingt, dass ich ihm etwas vorlese, aber ich wollte nicht. Er hat mich so genervt und ich wollte das er die Klappe hält, also habe ich ihm ein Kissen vor den Mund gehalten, bis er still war. Doch als ich aufhörte war er schon tot." Cassandra hatte den Raum betreten und behielt beim Reden ein ausdruckloses Gesicht bei.

„Ok. Es war ein Unfall." Mila wollte beschwichtigend die Arme heben, wurde aber von den Fesseln davon abgehalten.

„George war ein schwieriges Kind." Cassandra machte eine Pause und tat, als würde sie nachdenken. „Er ist selbst schuld an seinem Tod."

Mila erwiderte nichts darauf, denn sie befürchtete Cassandra zu verärgern, wenn sie jetzt eine Diskussion mit ihr anfing.

Zu ihrer Überraschung antwortete Donald seiner Frau. „Weißt du. Es ist ganz normal für Kinder in Georges Alter, dass sie eine Geschichte hören wollen."

„Auf wessen Seite stehst du eigentlich?" Cassandra warf nun ihrem Mann einen giftigen Blick zu, der sonst wahrscheinlich Mila gegolten hätte.

„Ich habe seine Leiche entsorgt. Das sagt wohl alles." Die Mimik verschwand aus Donalds Gesicht und ließ eine steinerne Maske zurück.

Mila musterte noch einmal das Bild auf dem Kaminsims, auf dem George starr in die Kamera blickte. In seinen Augen war kein fröhliches Funkeln zu sehen, wie es für Kinder in seinem Alter normal sein sollte. In welcher Hölle war der arme Junge nur groß geworden? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Cassandra oder Donald besonders freundlich zu George waren, geschweige denn ihm die Liebe gaben, die ein heranwachsendes Kind benötigte.

„Wieso haben Sie mich eigentlich nicht umgebracht, als sie vorhin die Gelegenheit hatten?", fragte Mila.

„Ich habe vielleicht die Leiche meines Sohnes entsorgt, aber ein Mörder bin ich deshalb nicht." Donald behielt die Maske auf seinem Gesicht bei.

„Er hat es nicht zugelassen. Ich hätte Sie erledigt." Cassandra zuckte mit den Achseln.

Auf einmal ging alles sehr schnell. Ein lautes Knallen ertönte und der Raum war voller FBI-Agenten, darunter auch Jamie, die mit gezückter Waffe auf Cassandra zielte. Ein anderer Agent, den Mila nicht kannte, zielte auf Donald, der zusammen mit seiner Frau, die Hände über den Kopf hob. Sie bekamen Handschellen angelegt und wurden von Agent Terry nach draußen geführt, wo sie in einem Streifenwagen auf das Revier gebracht wurden. Jamie hatte sich mittlerweile daran gemacht ihr die Fesseln von den Gelenken zu entfernen. Dafür benutzte sie ein Taschenmesser.

„Das war nicht besonders schlau von dir", sagte Jamie, während sie es endlich schaffte, die letzte Fessel mit ihrem Messer zu durchtrennen.

„Ich weiß. Nicht unbedingt einer meiner besten Einfälle." Mila schüttelte ihre Handgelenke, um das Blut wieder zum Fließen zu bringen.

Das gleiche machte sie mit ihren Füßen.

„Du musst mit aufs Revier kommen zur Befragung." Jamie schaute ihr eine Weile beim Ausschütteln zu, ehe sie wieder etwas sagte.

Mila ließ sich neben Jamie auf den Beifahrersitz fallen und überließ Jamie die Schlüssel ihres Wagens, sie bestand darauf, da sie noch etwas unsicher auf den Beinen war. Sie fand es seltsam nicht diejenige zu sein, die fuhr und rutschte auf ihrem Sitz herum, um eine halbwegs bequeme Position zu finden.

„Wenn ich dich fragen würde, warum du kündigst und dann weiter ermittelst, würde ich dann eine Antwort erhalten? Nur ganz theoretisch natürlich." Jamie bog auf die Hauptstraße ab.

„Die Chancen stehen eher schlecht. Auch wenn ich dir wirklich gern alles erzählen würde, aber ich kann nicht. Du wirst auf jeden Fall die erste sein, die es erfährt. Versprochen." Mila setzte eine ernste Miene auf, obwohl Jamie das wahrscheinlich nicht sehen konnte, da sie sich mit ihrem Kopf an die Scheibe lehnte.

„Alles klar. Wir sind da." Jamie stellte den Motor ab und stieg fast gleichzeitig mit Mila aus, die schließlich ihre Autoschlüssel wiederbekam.

Als sie die Treppe hochstiegen, die zu den Verhörräumen führte, kam ihr eine Kollegin entgegen, die fragte, ob sie es sich anders überlegt hatte. Mila hatte keine Zeit zu antworten, denn Jamie schob sie schon weiter.

Die Befragung dauerte insgesamt 30 Minuten, danach wurde sie von Jamie nach draußen begleitet.

„Pass besser auf dich auf. Die Woche treffen wir uns aber noch." Jamie drückte sie an ihrer Schulter hinunter auf den Fahrersitz. „Erhol dich ein wenig." Sie knallte die Tür mit einem solchen Schwung zu, dass Mila zusammenzuckte.

Sie zitterte ein wenig, als sie ihre Hände um ihr Lenkrad schlang und sich in den abendlichen Verkehr einfädelte. Erst als die Haustür hinter ihr ins Schloss fiel, atmete sie aus und das Zittern stoppte. Viel war passiert in der letzten Woche und diese schien auch nicht besser zu werden, immerhin war sie knapp mit dem Leben davongekommen. Es war doch erst Montag. Sie wäre jetzt tot, wenn Donald seine Frau nicht überredet hätte, sie am Leben zu lassen. Mila steuerte gleich die Couch im Wohnzimmer an und ließ sich mit dem Gesicht voran einfach drauffallen. 

Der SpielmeisterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt