Leben heißt nicht immer lebendig sein.
Das hatte ich in den letzten Jahren selber gemerkt.
Nach meinen Spielen, zurück in Distrikt Vier, war ich in meinem Haus verschwunden und nicht mehr daraus hervorgekommen. Warum sollte ich auch?
Mein Leben war vorbei und ich wollte nicht noch mehr Menschen, die mir wichtig waren, verlieren, nur weil ich etwas Falsches sagte. Deswegen schwieg ich. Ich sprach nicht, da es sowieso schmerzte und meine Stimme, durch die Verletzung, nicht mehr die Gleiche war und lag den ganzen Tag nur im Bett.
Dabei umkreisten mich die Schatten der Vergangenheit. Immer wieder sah ich Schatten in meinen Augenwinkeln, die veschwanden, sowie ich in die Richtung schaute. Ich hoffte, dass es nur eine Art war, die Arena zu verarbeiten aber schon damals war mir klar, dass es dies nicht war. Zu allen übel wurde ich also auch noch verrückt.
Selbst mein Vater gab irgendwann auf, aus mir etwas heraus zubekommen. Ein Teil von ihn hatte sicher gehofft, dass ich mich wieder erholen würde. Gleichzeitig konnte ich sehen, dass er sich Vorwürfe machte, mich immer dazu ermutigt zu haben, für die Spiele zu trainieren und auch in sie zu ziehen.
Er hatte Annie, dass Waisenmädchen, was bei unserer Nachbarin wohnte, angestellt, damit sich diese um mich kümmerte. Am Anfang war ich dagegen, aber ich hatte nicht die Kraft mich dagegen wirklich zu wehren. Annie schien jedoch sehr gut zu verstehen, wann ich allein sein wollte und wann ich sie brauchte.
Sie tat mir gut, trotzdem war ich nicht wirklich bereit, als ich ein halbes Jahr später zur Siegertour aufbrechen musste.
Während der ganzen Zeit brachte ich kein Wort hervor, wodurch Finnick die Dankredungen halten musste. Ohne ihm wäre die ganze Tour sicher ein totaller Reinfall gewesen aber er half mir, wo immer er konnte. Ich musste irgendwann nur noch aus den Zug steigen und lächeln. Wenn ich konnte, humpelte ich alleine zu der Bühne oder zu den Veranstaltungen aber immer wieder musste Finnick helfen oder mich sogar tragen.
Besonders in Distrikt Drei und Zwei hatte ich Probleme, nicht einfach zusammen zubrechen. Während ich in Drei jedoch eher auf wütende Gesichter blickte, waren es in Zwei mitfühlende, die ich kaum ertragen konnte. Ich wollte nicht schwach wirken, aber als ich das Grab von Tway besuchen „durfte“, dank Präsident Snows Anweisungen, konnte ich nicht anders, als weinend davor in die Knie gehen. Er war gestorben, in der Hoffnung, dass ich ihm folgen würde und wir ein besseres Leben haben würden. Irgendwo.
Doch jetzt war er tot und ich noch hier.
Seit diesen Tag wurden aus den Schatten in meinen Augenwinkeln, Gestalten.
Tway, Maze, sogar Vine. Sie starrten nur zurück zu mir.
Am Anfang hätte ich am liebsten aufgeschriehen, doch durch meine Kehlen kam nur ein Keuchen.
Als sie auch im Raum auftauchten, wenn Andere bei mir im Zug waren und sie nicht bemerkten, wusste ich, dass sie wirklich nur Hirngespinste waren. Sie waren nicht real und wurden doch ein Punkt in meinen Leben, an dem ich mich festhielt.
Trotzdem war ich einfach nur froh, als ich wieder in Distrikt Vier war und mich erneut in meinen Haus verstecken konnte. Schließlich war ich als Mentorin nicht wirklich geeignet, weswegen ich darauf hoffte, dass ich nie wieder nach draußen musste.
Es war Finnick, der daran etwas änderte und mich zurück in die Akademie, da wo mein Weg begonnen hatte, schleifte.
Am Anfang war es schwierig, da ich nicht wirklich viel sprechen konnte, ohne schreckliche Schmerzen zu haben, auch wenn sich mein Hals mit der Zeit, im Gegensatz zu meinen Knie, zu verbessern schien. Trotzdem waren die Schüler respektvoll. Sie fragten einfach solange, bis ich nickte oder ließen mich ihnen zeigen, wie es besser war. Sie respektierten und fürchteten mich ein wenig, für das was ich in der Arena getan hatte.
Ich verstand nicht warum, aber die Jugendlichen waren immer noch stolz auf mich, obwohl ich eindeutig keine Vorzeigesiegerin mehr war.
Ab und an in die Akademie zu gehen tat gut um mich abzulenken. Besonders von meinen Geistern, die mittlerweile auch sprachen. Selbst wenn ich nicht reagierte, plapperten sie einfach weiter, oder schauten mich schmollend an, bis sie wieder irgendwann verschwanden.
Ich war verrückt, damit hatte ich mich abgefunden. Jedoch erzählte ich niemanden davon, nicht einmal Finnick oder Annie, die die meiste Zeit um mich herum verbrachten. Sonst ließ sich sowieso niemand bei mir blicken. Selbst mein Vater blickte nur selten vorbei. Anscheinend konnte er nicht mehr mit ansehen, was aus seiner Tochter geworden war, auch wenn Narben verblassten.
Trotzdem war ich wohl die Gefallene Siegerin des Distrikts, die gemieden, gleichzeitig aber nicht verstanden wurde.
Menschen fürchten sich vor Dingen, die sie nicht verstehen.
Und alles was sie fürchten, hassen sie irgendwann...
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Senna Quince 2 | Leben danach...
FanfictionMein Name ist Senna Quince, Siegerin der 66. Hungerspielen. Eigentlich müsste ich tot sein. Ich habe nur gewonnen, weil der Präsident mich quälen will und das schafft er. Fast drei Jahre ist mein Sieg nun her und ich frage mich immer noch:...