Senna Quince 2 | Kapitel 5

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Am nächsten Abend war es Zeit für die Parade im Kapitol, weswegen Ceasar mich schon den ganzen Tag wahnsinnig machte. 
Ich hasste dieses Pflichtfernsehen, hatte es schon immer getan, da man dazu gezwungen war, ihm zu folgen. 
Zumindest wenn man im Haus war. 
Deswegen humpelte ich auch gerade bei Sonnenuntergang am Meer entlang. Ich hatte nicht wirklich ein Ziel aber als ich die Stelle sah, an der Maze, Finnick und ich uns früher immer getroffen hatten, wusste ich, dass ich eigentlich dahin wollte. 
Ich ließ mich in den noch von der Sonne gewärmten Sand sinken und vergrub darin meine nackten Zehen, wie ich es immer getan hatte. Ein seufzen kam über meine Lippen, welches ich selber nicht wirklich einordnen konnte aber es fühlte sich ein wenig befreiend an wieder einmal hier zu sein, auch wenn mich heute gleich zwei meiner Hirngespinnste nervten. 
„Langweilig.“, beschwerte sich da auch schon Vine und ich fragte mich wieder einmal, warum ich mir ausgerechnet ihn einbilden musste. 
Maze schlug ihn mit den Ellbogen in die Rippen, was ihn mit einem „Umpf“ verstummen ließ. 
Immerhin hatte ich dadurch Ruhe. 
Zumindest hatte ich das gehofft, als auf einmal jemand vor mir zum stehen kam. 
Wer war bitte, außer mir, außerhalb seines Hauses, während die Parade lief?. 
Verwirrt schaute ich auf und sah in Tareks blaue Augen. 
„Was machst du denn hier?“, wollte er wissen und dieses mal legte ich den Kopf schief. 
„Das kann ich dich genau so fragen. Solltest du nicht die Parade schauen, wie jeder brave Bürger von Distrikt Vier.“
„Ich war noch nie brav.“; behauptete er und ließ sich neben mich in den Sand fallen, „Solltest du es, als ehemalige Siegerin nicht auch tun?“
„Ich war schon mal dabei. Ist eigentlich nicht so ein großes Ding, wie sie immer tun. Du wirst stundenlang herrgerichtet, um dann dämlich auszusehen und für wenige Minuten im Mittelpunkt zu stehen.“, erklärte ich sarkastisch, was Tarek sogar zum lachen brachte. 
„Okay, okay, ich versteh schon. Warum aber ausgerechnet hier am Strand? Schließlich hast du doch einen genau vor deinem Haus?“ 
Ich zuckte mit den Schultern. 
„Den Ausblick kenne ich schon.“, gestand ich und schaute wieder zu ihm. 
Tarek schien kein Problem mit meiner kratzigen und leiseren Stimme zu haben. Er erwähnte es nicht einmal wie Andere. 
Das war... angenehm. 
Die meisten fragten immer nur, ob ich Schmerzen hatte und ob sie mir helfen konnte. 
Mal wieder als normaler Mensch behandelt zu werden war hingegen ein wundervolles Gefühl.
„Und warum bist du wirklich hier?“, fragte ich deswegen. 
Er zuckte mit den Schultern. 
„Ich war noch nie ein Fan davon. Mein Bruder ist in den Spielen gestorben.“
„Tut mir Leid.“, meinte ich es ernst, doch erneut bewegte er die Schultern. 
„Ich kannte ihn nicht aber er hat sich freiwillig gemeldet, weil mein Vater es wollte, obwohl er den Test nie bestanden hatte.“ 
Finnick war der Erste gewesen, der jemals gewonnen hatte, ohne den Test, wobei er jedoch nicht einmal daran teilgenommen hatte.
„Warum wolltest du unbedingt daran teilnehmen?“, holte Tarek mich aus meinen Gedanken zurück. 
Ich überlegte kurz ob ich ihm das Gleiche erzählen sollte, wie allen anderen, außer Finnick und Maze. Das ich es schon einfach immer wollte. Ein besseres Leben und alles. Der Kick Leben Anderer in der Hand zu haben. 
Ein Teil davon war traurigerweise sogar wahr. Ich erinnerte mich daran, wie ich am Füllhorn das erste Leben genommen hatte. Wie der Rausch mich erfasste und ich mich unbesiegbar gefühlt hatte.
Der Traum eines Lebens ohne Sorgen. 
Doch der eigentliche Grund, warum ich all dies gedacht hatte, war immer ein Anderer gewesen. 
„Meine Eltern.“, gestand ich deswegen leise, „Meine Eltern hatten immer den Traum von einem Sieger in der Familie, es aber selber nie geschafft. Also hab ich alles daran gesetzt, selber Tribut zu werden.“
„Was man nicht alles für seine Familien tut.“, meinte Tarek sarkastisch und grinste schief, doch ich sah etwas in seine Augen, was mich nur zu gut an mich selber erinnerte. 
Vielleicht war er nie, wie ich, in der Arena gewesen aber er hatte definitv Schlimmes durchgemacht. 
Dinge, von denen ich nichts wusste und trotzdem schien es uns zu verbinden, weswegen ich mir ebenfalls ein Lächeln aufzwang, wobei es leichter wurde, als auch seins ehrlicher wurde. 
„Na was haben wir denn da?“, störte da jedoch eine Stimme und ich schaute in die Richtung, in der zwei junge Männer standen. Zwillinge. 
Ich erkannte sie aus der Akademie. 
Oleander und Nerium Reid. 
Sie waren vielversprechende Kanidaten gewesen, wobei Oleander nie wirklich in die Arena wollte. Im Gegenteil zu seinem Zwillingsbruder. 
Nur dumm das ein Unfall dafür gesorgt hatte, dass er noch vor seiner Zeit, auf einen Auge erblindet war. 
Seine Chancen auf die Arena waren dahin und sein sowieso schon sehr aggressives Gemüt wurde nur um so angriffslustiger. 
Ich schaute kurz zu Tarek aber bis auf, dass er die Beiden wütend musterte, schwieg er, weswegen ich entschied es ihm nachzumachen. Anscheinend schien das Nerium nicht zu gefallen, da er schnaubte. 
„Anscheinend ist Madame sich zu fein mit dem einfachen Volk zu reden.“, giftete er weiter, „In der Arena mit dem Feind verbrüdern und jetzt mit dem da. Sie scheint die Verrückten anzuziehen.“
Tarek war aufgesprungen, ehe ich überhaupt reagieren konnte und schlug zu. Nicht nur das Nerium ihn nicht wirklich sehen kam, was wieder einmal klar machte, wie sehr ihm das fehlende Augenlicht auf einem Auge benachteiligte, Tarek war auch unglaublich schnell. 
Oleander war jedoch wie ein lauernder Schatten hinter seinem Bruder und griff sofort nach meinem neuen Bekannten, um ihm den Arm schmerzhaft auf den Rücken zu drehen. 
Ich wollte ebenfalls aufspringen, wobei jedoch ein stechender Schmerz durch mein Knie schoß und ich nur halb aufrecht auf den Knie landete. 
Es war ein Schrei, der die drei Streithähne inne halten ließ. 
Sie schauten alle Drei verwirrt in die Richtung, aus der der Schrei einer Frau gekommen war, ehe sie zu mir sahen, was mich nur verdutzt zurück blicken ließ. 
Eine Art schweigender Waffenstillstand wurde ausgehandelt, ehe Oleander Tarek los ließ, der sofort zu mir kam und mich auf die Beine zog, wodurch mein Knie endlich wieder entlastet wurde. 
Der Schmerz ließ ein wenig nach und doch ließ ich mich für eine Sekunde seufzend gegen seine Brust sinken, ehe ich wieder zu den Zwillingen blickte, die auf eine Art Befehl zu warten schienen. 
„Wir sollten nachsehen.“, beschloss ich deswegen ernst. 
Die Zwillinge nickte und liefen bereits in die Richtung, während Tarek noch einmal zu mir sah. 
Ich wäre lieber hier geblieben aber ich kannte diese Art von Schrei. Ich hatte sie gehört, in der Arena, am Füllhorn. 
So schrien Menschen, wenn sie etwas Grausames sahen.

Senna Quince 2 | Leben danach...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt