Senna Quince 2 | Kapitel 23

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Ich konnte es immer noch nicht glauben. Hätte ich es nicht selber gesehen, hätte ich nicht in Civers schmerzverzerrtes Gesicht geblickt, würde ich behaupten, dass es nicht passiert sein konnte.
Wie konnte er es sein?
Mein Vater hatte ihn doch überhaupt erst nach dem ersten Mord in mein Leben gebracht.
Was hatte also ich ihm getan? Ich kannte Civer nicht einmal wirklich aber mein Vater hatte ihn vertraut. Er war sein ältester Freund gewesen und davon überzeugt, dass der andere Mann uns helfen würde, dies alles aufzuklären.
Daweile hatte er die ganze Zeit dahinter gesteckt und uns wahrscheinlich auf die falschen Wege geführt. Genau wie die wenigen Friedenswächter, die versucht hatten, die Morde aufzuklären.
Zumindest schienen sie nicht weniger geschockt, als wir ihm bei ihnen abgeliefert hatten.
Annie hatte ausgesagt, dass der Mann die Aufregung am Bahnhof ausgenutzt hatte, um sie wegzulocken.
Da er sich immer als Freund ausgegeben hatte, dachte Annie nicht einmal daran, dass er ihr etwas Böses wollte, wodurch der Schock für sie um so größer war, als er sie niedergeschlagen hatte.
Sie war erst wieder in dem unterirdischen Raum aufgewacht. Gefesselt und geknebelt.
Ich konnte wirklich nicht sagen, wer während ihrer Aussage schlimmer drein blickte.
Annie, die dies alles noch einmal durchleben musste. Finnick, der sich alles wahrscheinlich noch fünfmal schlimmer vorstellte, als es war. Oder doch mein Vater, der den Mann nun einmal in unser Leben gebracht hatte und sich somit die Schuld an der ganzen Sache gab, die Annie durchgemacht hatte.
Dementsprechend standen sie nun alle neben mir und starrten, ohne wirklich etwas zu sehen, einfach in den Raum.
Wir waren gerade erst wieder in mein Haus zurück gekehrt. Auf dem Weg hier her hatte keiner etwas gesagt.
Nerium, Oleander und auch Tarek standen hinter mir und ich konnte regelrecht spüren, wie sich ihre Blicke fragend in meinen Rücken bohrten.
Warum sollte bitte immer ich was sagen?
„Danke nochmal für eure Hilfe.", brachte ich irgendwie hervor und drehte mich in Richtung von Oleander und Nerium, damit sie wusstne, dass ich sie meinte.
Die Zwillinge schauten sich kurz an, ehe sie nickten.
„Gern geschehen.", meinte Oleander, „Wir gehen dann besser und lassen euch alleine."
„Immerhin hat der Spuck jetzt ein Ende.", ergänzte sein Zwillingsbruder und grinste, „War eigentlich ganz lustig. Du bist doch nicht so unfähig wie ich dachte."
Sein Bruder verdrehte genervt die Augen, über die Aussage, doch für Nerium war dies wohl so etwas wie ein Kompliment.
Warscheinlich bekamen nicht viele solche Worte zu hören, weswegen ich nur ebenfalls grinste.
Oleander packte seinen Bruder am Arm und zog ihn mit sich zurück zur Haustür, ehe er noch etwas anderes sagen konnte.
„Man sieht sich."
Die beiden warteten nicht einmal auf eine Erwiederung sondern verließen einfach mein Haus, woraufhin es wieder eine Weile ruhig wurde.
„Ich... ich geh mal duschen.", meinte Annie.
Es war Finnick, der sie am Arm zurück hielt.
„Ich kann warten, wenn du willst.", erklärte er ruhig und schien fast schüchtern.
Finnick war im Panem für seinen Charme bekannt, doch das war natürlich nicht sein wahres Ich. Trotzdem hatte ich ihn auch noch nie so gesehen.
Der große Finnick Odair war in ein kleines Waisenmädchen von zu Hause verliebt.
Wäre da nicht Civers Verrat, wäre es fast niedlich gewesen.
Annie jedoch begann sofort zu lächeln und nickte, ehe sie leicht rot anlief.
„Wenn es dir nichts ausmacht hier zu bleiben.", gestand sie, was nun Finnick lächeln ließ.
So viel Rührseeligkeit war gerade eindeutig zu viel, besonders da Vine hinter ihnen stand und begann, die beiden nachzuäffen.
Ich wand mich ab von den Beiden und ging, ohne ein weiteres Wort, die Treppe hinauf.
Die Treppe schien ewig, während sie mich von den Anderen immer weiter weg brachte.
Oben angekommen musste ich mich erst einmal ausruhen.
Während ich über mein schmerzendes Knie rieb, versuchte ich immernoch heraus zufinden, was ich zu meinem Vater sagen sollte.
Seid wir Civer gefunden hatten, hatte ich noch kein Wort mit ihm gesprochen.
Was sagte man auch zu jemanden, der gerade heraus gefuden hatte, dass sein bester Freund ein Serienmörder war?
Wie empfand er für den Mann, der mich beinahe in den Wahnsinn getrieben hatte, durch die Schuldgefühle?
Ich wusste es einfach nicht, weswegen ich frustriert seufzend auf gab und in mein Zimmer humpelte.
Da jedes Schlafzimmer sein eigenes kleines Bad hatte, steuerte ich auch sofort darauf zu.
Schnell entledigte ich mich meiner Kleidung, ehe ich unter die Dusche trat.
Sowie der warme Wasserstrahl mich traf, spürte ich, wie sich mein Körper entspannte, und stöhnte auf.
„Ganz schön heftiger Tag."; behauptete Mazes Stime gedämpft durch die Duschkabine.
Als das erste mal eines meiner Hirngespinnste beim duschen aufgetaucht war, hatte ich fast das ganze Haus zusammen geschrien.
Mittlerweile war es fast schon normal, weswegen cih mich nr mit einem Schnaupen zu Maze wandte.
„Das ist die Untertreibung des Tages.", gab ich nur müde zurück, was ihm ein Schmunzeln entlockte, wodurch auch ich kurz grinste, ehe ich wieder ernst wurde.
„Du kannst mit mir reden Senna.", erinnerte mich Maze, was mich bitter auflachen ließ.
„Du bist tot, schon vergessen? Du bist nicht wirklich Maze, sondern eine Produktion meineskranken Hirns."
Maze zuckte nur mit den Schultern.
„Und trotzdem kann ich wundervoll zuhören.", behauptete er.
Seufzend gab ich nach.
„Es gibt nicht wirklich etwas, über was ich reden will.", gestand ich ihm, ehe ich mein Gesicht kurz in den Wasserstrahl hielt, um noch einmal ein wenig Ruhe zu finden.
Ruhig wartete Maze darauf, dass ich weiter redete, weswegen ich es auch tat.
„Ich meine, meine Gedanken drehen sich immer nur um eine einzige Frage."
„Und die wäre?", wollte Maze wissen.
„Was wollte Civer damit erreichen?", brachte ich hervor und schaute wieder zu meinem Hirngespinnst.
Er schien kurz zu überlegen aber natürlich hatte er auch keine Antwort darauf.
Natürlich nicht.
Deswegen blieb ich mit meiner Frage immer noch allein.
Ich wusste nicht, warum er es hatte aussehen lassen, wie die Toten in der Arena. Warum Tarek?
Warum überhaupt?
Würde ich darauf jemals eine Antwort bekommen?

Senna Quince 2 | Leben danach...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt