Natürlich verlangte mein Vater, mich nach Hause bringen zu dürfen, weswegen sich Tarek nur schnell verabschiedete, ehe er auch schon wieder verschwand, wodurch ich in unangenehmen Schweigen mit meinem Vater und Annie zu meinem Haus zurück ging. Dort blieb er und beschloss mit uns die Punktevergabe des Einzeltrainings zu begutachten, wobei ich nicht wirklich darauf achtete, sondern darüber nachdachte, wer uns dort hatte einsperren können.
War es jemand der einfach mich ärgern wollte, oder jemand, der etwas gegen Tarek hatte aber gleichzeitig von seinen Ängsten wusste. Gleichzeitig hätte derjenige uns aber auch beobachten müssen, um zu wissen, dass Tarek genau an diesem Tag in der Akademie auftauchte und mir dann half. Die Person musste also ihn oder mich gut kennen, wenn es wirklich geplant war, weswegen ich es als einen dummen Streich abtat.
Es war uns nicht wirklich etwas passiert, was nicht hieß, dass ich denjenigen nicht aufmischen würde, wenn ich herausfand wer es war. Krübbel hin oder her, ich war immer noch eine ehemalige Siegerin und zumindest ein wenig wollte ich meine Ehre bewahren, auch wenn nicht wirklich viel davon übrig blieb.
Als am nächsten Morgen bekannt wurde, dass in der Nacht ein weiterer Jugendlicher, dieses mal aus der Oberschicht, auf die gleiche Art getötet wurde, begannen die Ersten im Distrikt unruhig zu werden.
Darunter auch mein Vater.
Ein Mord konnte vorkommen. Eine Fehde die blutig oder eben sogar tödlich endete, war nichts wirklich neues. Wenn man von klein auf zum töten großgezogen wird, waren eben einige darunter, die sich nicht beherrschen konnten, wobei es bei uns seltener passierte, als in Distrikt Eins und Zwei.
Kollateralschaden.
Zwei Morde, die gleich abliefen, besonders in so kurzer Zeit hinter einander, waren jedoch etwas anderes und selbst die Spiele, an denen es am Abend zu den großen Interviews gehen würde, ehe sie am Tag darauf in die Arena kamen, waren für einen Moment unwichtig.
Das Wort Serienmörder machte die Runde, doch ich konnte darüber nur den Kopf schütteln.
Eigentlich wollte ich überhaupt nicht darüber nachdenken, doch mein Vater schien da anderer Meinung, da er am Nachmittag, mit einer gepackten Reisetasche, auf einmal vor mir stand.
Verwirrt schaute ich ihn nur an und verlangte schweigend nach einer Erklärung. Schließlich hatte er sich die letzten Jahre eher von mir ferngehalten, auch wenn er nicht schlecht zu mir war.
„Ich bleibe hier. Zumindest die nächsten Tage.“, erklärte er, nachdem er mein Starren nur ein paar Minuten ertrug und setzte sich neben mich auf das Sofa.
„Warum?“, fragte ich verwirrt, auch wenn ein Teil von mir es sich denken konnte.
„Wegen der Morde.“, bestätigte er und ich schnaubte. „Senna! Du solltest es ernster nehmen.“
„Warum? Weil zwei Jugendliche tot sind?“, flüsterte ich nun und war schon wieder genervt, dass ich so viel sprechen musste.
Wenn Tarek da war, merkte ich nicht einmal, wie meine Kehle bei jeden Wort kratze und leicht schmerzte, aber bei meinem Vater war es mir umso bewusster. Vielleicht weil sein Blick ständig an der Narbe über meinen Hals hing.
„Denkst du nicht, dass es etwas zu viel Zufall ist?“, gab mein Vater nicht auf und erneut blickte ich ihn verwirrt an, was nun meinen Vater seufzen ließ, „Hast du in den letzten Jahren alles verlernt? Die Jugendlichen sind Beide auf die Art gestorben, wie deine Verletzung war, die du nur pberlebt hast, weil Mazes Herz vor deinem aufgehört hat zu schlagen!“
Seine Worte versetzten ihr einem Stich. Er wusste es nicht besser, war der Meinung, wie alle anderen, dass alles regelgerecht abgelaufen war. Nur Finnick und ich wussten es besser.
„Du willst also sagen, der Mörder, wer immer es ist, stellt meinen Fasttod nach?“
„Warum nicht? Was wenn wirklich jemand auf dich einen Groll hägt und somit es auslebt, bis er sich an dich wagt!“, schlussfolgerte mein Vater und ich lachte leise auf, auch wenn es mir einen wütenden Blick von ihm bescherte.
„Das ist verrückt.“, erklärte ich ruhig.
„Und ich bleib trotzdem hier. Ob du willst oder nicht.“, brummte er sofort und ich schüttelte den Kopf.
„Du hast hier immer ein Zimmer. Ich dachte, dass weißst du. Ob du es nutzt oder nicht, ist deine eigene Sache.“, erinnerte ich ihn leise, woraufhin schweigen eintrat.
Ich spürte regelrecht, wie unwohl er sich dabei fühlte, aber es war mir egal. Schließlich konnte ich nicht immer Rücksicht auf seine Gefühle nehmen. Ich liebte meinen Vater, aber unser Verhältnis hatte sich verändert, seit ich in der Arena gewesen war.
„So hatte ich mir das nie vorgestellt.“, gestand er nach einer Weile leise und ich schaute wieder zu ihm.
Der Traum meiner Eltern war es immer gewesen, einen Sieger in der Familie zu haben, auch wenn sie es selber Beide nie in der Liste ganz nach oben geschafft hatten. Von klein auf hatten sie mir davon erzählt und nur deswegen hatte ich begonnen zu trainieren.
„Ich hatte es mir auch anders vorgestellt.“, brachte ich hervor.
Ich war mir immer klar gewesen, dass das Töten von Anderen spuren hinterlassen würde, jedoch war ich mir immer sicher, dass die Vorteile, ein Sieger zu sein, überwiegten.
Niemand hätte mich auf meine Arena vorbereiten können, niemand auf die Gefühle und Schuldgefühle, gegenüber Maze, der gerade an der Wand lehnte und zu mir blickte, während Vine irgendetwas suchte und fast ertappt zurück schaute.
Ich war diese Halluzinationen so leid...
„Das ist alles meine Schuld.“, riss mein Vater mich aus meinen Gedanken und ich blickte wieder zu ihm, „Wir hätten dich nie dazu zwingen sollen, unseren Traum zu leben. Ich hätte es, nach dem Tod deiner Mutter verstehen müssen. Ein Leben ist so schnell zerstört. Aber stattdessen hab ich weiter gemacht.“
Mir war nie bewusst gewesen, dass mein Vater so ein schlechtes Gewissen wegen der ganzen Sache hatte. Ich dachte immer, er könnte einfach nicht meinen nun zerbrechliches Ich ertragen, da es nicht wirklich mehr die Tochter war, die er in die Spiele verabschiedet hatte.
„Es ist nicht deine Schuld. Ich bin immer noch deine Tochter!“, erinnerte ich ihn, „Die Tochter, die du dazu erzogen hast, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und dafür gerade zustehen. Vielleicht habe ich wegen euch mit dem Training begonnen aber ich habe mich für die Spiele gemeldet, weil ich es wollte und nicht weil es euer Wunsch war. Es war mein Traum und du kannst nichts dafür, dass er zum Albtraum geworden ist.“
Fast dankbar lächelte mich mein Vater an, ehe er mich einfach in seine Arme zog.
Ich genoss es einen Moment einfach wieder ein Kind sein zu können, ehe der Bildschirm des Fernsehgerätes ansprang, was mich seufzen ließ.
Zeit für das Pflichtprogramm. Die Interviews.
Auch Annie kam ins Wohnzimmer, auch wenn sie sich unsicher umsah. Erst als ich neben mich klopfte und noch näher zu meinen Vater rutschte, setzte sie sich zu uns.
Erneut konnte ich dem Geschehen auf den Bildschirm nicht wirklich folgen.
Immernoch schwirrten die Worte meines Vaters in meinem Kopf herum, dass die Morde an meine Zeit in der Arena erinnerten.
Sollte aber wirklich jemand dabei an mich denken? Und wenn ja war die Frage, was ich ihn getan hatte, dass er so viel Hass gegen mich hegte?
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Senna Quince 2 | Leben danach...
FanfictionMein Name ist Senna Quince, Siegerin der 66. Hungerspielen. Eigentlich müsste ich tot sein. Ich habe nur gewonnen, weil der Präsident mich quälen will und das schafft er. Fast drei Jahre ist mein Sieg nun her und ich frage mich immer noch:...