Senna Quince 2 | Kapitel 7

1.2K 94 0
                                    

„Richtig so?“
Elinas Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich schaute verwirrt auf. 
Mit großen Augen schaute sie mich an, während sie den Bogen so hielt, wie ich es ihr gezeigt hatte. 
Schnell nickte ich und sie begann ein paar Pfeile zu schießen. Mittlerweile war sie wirklich gut und ich musste ihr eigentlich nicht mehr zusehen aber hier zu sitzen und dem gleichmäßigen Geräusch, mit dem der Pfeil von der Sehne flog, zu lauschen, tat einfach unglaublich gut. 
Der Mord an Ben war mittlerweile drei Tage her und von den Meisten im Distrikt schon wieder vergessen. Zumindest worde nicht darüber geredet, nachdem es keine Hinweise auf den Mörder gab. Es machte mich wütend aber er war eben nur ein Waisenkind gewesen; nichts Wert in den Augen der Friedenswächter. 
Annie nahm das Ganze immer noch ziemlich mit, jedoch versuchte sie es vor mir zu verbergen. 
Selber sah ich den Jungen auch immer wieder vor meinen Augen, wenn ich sie schloss, weswegen ich nicht wirklich gut schlief. 
„Bis bald Senna.“, riss mich Elina erneut aus meinen Gedanken. 
Sie hatte bereits den Bogen weggeräumt und ihre Tasche genommen. Wir waren wohl die letzten in der Akademie. An der Tür warteten ihre beiden Freunde Damir und Sarah, wie ich aufgeschnappt hatte, damit sie gemeinsam nach Hause gehen konnten, weswegen ich nur schnell winkte. Schnell lief sie zu den Beiden und sie verschwanden lachend.
Umständlich kämpfte ich mich nach oben und war froh das mich niemand dabei sah. 
Zumindest hatte ich das gehofft, doch als ich mich umdrehte, stand Tarek mit verschränkten Amen bei der Tür. 
„Sehr elegant.“, kommentierte er meine Aktion und ich brummte. 
„Versuch du mal mit einen zerstörten Knie in einem Ruck aufzustehen.“, belehrte ich ihm, ehe ich ebenfalls die Arme verschränkte, „Was willst du überhaupt hier? Du bist kein Lehrer.“
„Annie hat mir gesagt, dass du heute hier bist.“, erklärte er ruhig und kam auf mich zu, „Siegerin oder nicht, niemand sollte im Dunklen alleine nach Hause gehen, solange da draußen eventuell ein Mörder herumläuft.“
„Ich muss aber noch aufräumen.“, meinte ich nun. 
Es war nicht so, dass ich den Gedanken, dass er mich so sehr mag, dass er sich Sorgen um mich machte, nicht mochte. Im Gegenteil. Aber das neben ihm ein genervt drein schauender Tway stand, war nicht gerade hilfreich, gegen ein schlechtes Gewissen. So war es auch vor drei Tagen gewesen, als ich am Morgen nach dem Mord, auf dem Sofa aufgewacht war. Tarek neben mir, waren wir gemeinsam auf dem Sofa eingeschlafen und als ich aufwachte, sah ich einen Tway über mir, der auf uns starrte. 
Nicht wirklich hilfereich.
„Ich helf dir. Dann geht es schneller.“, meinte Tarek und ich nickte, da mir klar war, dass er sowieso nicht gehen würde. 
Vielleicht wusste ich noch nicht viel über ihn aber er konnte genau so ein Dickkopf wie ich selber sein. 
Vorsichtig nahm ich die Bögen, während Tarek sich mit den Pfeilen belud, ehe wir schweigend in den Aufbewahrungsraum gingen.
Die Trainingshalle der Akademie war zwar immer über Nacht abgeschlossen aber es konnte sich immer jemand einschleichen. Mit einem freilaufenden Mörder, der nicht einmal wirklich verfolgt wurde, wollte hier niemand das Risiko eingehen, dass er potenzielle Tribute mit ihren eigenen Waffen umbrachte. 
Uns ging es hier in Distrikt Vier schließlich nur aus einem Grund besser, als in den äußeren Distrikten. 
Wir Sieger. 
Besonders nach meinem Sieg waren alle begeistert gewesen, da es zwei Jahre hintereinander zuschläge vom Kapitol gab. So etwas hatte bis dahin nur Distrikt Eins, mit den Geschwistern Cashmere und Gloss, geschafft. 
Geübt räumte ich die Bögen weg, während Tarek ein wenig verloren in dem Raum stand. 
„Die Pfeile kommen dahinten hin.“, wies ich ihn an. 
Sofort kam er meiner Aufforderung nach und ich beobachtet ihn dabei. 
Dummerweise erwischte er mich dabei und ich spürte, wie ich rot anlief, was jedoch nur dazu führte, das er grinste. 
Zumindest bis die Tür auf einmal zuschlug und das Licht im Raum ausging und wir nur in einer Art Dämmerlicht, der Sicherheitslampe, die immer brannte, zurück blieben. 
Verwirrt schaute ich zur Tür, ehe ich hinhumpelte und versuchte sie zu öffnen. 
„Verschlossen.“, stellte ich murmelnd fest und fluchte kurz. 
„Senna.“, machte mich eine Stimme aufmerksam, die jedoch nicht die von Tarek war, sondern die von Tway. 
Ich konnte die Warnung darin hören und drehte mich vorsichtig zu dem jungen Mann um. 
Sein ganzer Körper war verspannt und zitterte. 
Kein gutes Zeichen. 
„Tarek, alles ist gut.“, begann ich beruhigend auf ihn einzureden, aber es schien nicht wirklich zu helfen, da er sich da auch schon an mir vorbei drückte und begann auf die Tür einzuschlagen. 
Sie würde nicht nachgeben. Dieser Raum war nicht umsonst als Sicherung für die Waffen gedacht, da dieser Raum mehr einen Tresor glich. 
„Tarek es ist okay!“, versuchte ich es noch einmal. 
Dieses mal hörte er auf, auf die Tür einzuschlagen und sackte auf die Knie. 
Als ich seine blutigen Knöchel sah, war ich mir jedoch sicher, dass dies nicht meine Worte verursacht hatten.
Sein großer Körper zitterte immer noch unkontrolliert und hilfesuchend schaute ich zu Tway, der nur mit den Schulern zuckte. 
Karrieros hatten keine Ängst, zumindest wurde ihnen eingedrillt, dass man sie niemanden zeigte, weswegen ich keine Ahnung hatte, wie man jemanden anderen beruhigte. 
Trotzdem wollte ich Tarek unbedingt helfen, weswegen ich einfach meinem Gefühl vertraute. 
Vorsichtig näherte ich mich ihm, als wäre er ein verletztes und eingesperrtes Tier. An sich verhielt er sich genau wie eines, weswegen ich auch nur langsam neben ihm in die Knie ging und darauf wartete, dass er in meine Richtung sah. 
Es dauerte einen Moment, doch dann sah er mit tränenverhangenen Blick zu mir. 
Der Anblick traf mich, da ich die pure Panik hinter seinen Augen sah. Wie von selber bewegte sich meine Hand nach vorne und strich ihm die Haare aus dem Gesicht. 
„Schon gut Tarek. Wir kommen hier raus.“, flüsterte ich leise, „Annie weiß, dass du mich holen wolltest. Sie wird jemanden schicken.“ 
Eine weile reagierte er wieder nicht, sondern sah mich nur mit diesen angsterfüllten Augen an. Doch dann kroch er regelrecht auf mich zu, weswegen ich kurz zusammen zuckte, dann aber still hielt. 
Tarek bettete seinen Kopf in meinem Schoss und erst dann konnte ich mich wieder entspannen. 
Was auch immer ihm passiert war, es musste etwas mit engen, verschlossenen Räumen zu tun haben. 
Er litt, weswegen ich meine eigenen Probleme hinten anstellte und erneut begann über seinen Kopf zu streichen. Immer und immer wieder, während ich hoffte, dass uns wirklich jemand finden würde.

Senna Quince 2 | Leben danach...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt