Prolog

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(Maries Sicht)

Um meine Geschichte zu beginnen, bietet sich eine kurze Vorstellung besonders gut an.

Mein Name ist Marie und bin 16 Jahre alt.
Ich habe hellblondes Haar, welches mir bis über die Schultern wächst und in den Spitzen in leichte Locken verfällt.
Dies tut zwar nicht sonderlich viel zur Sache, allerdings wollte ich es der Details halber erwähnt haben.

Seit meinem dritten Lebensjahr wohne ich bei einem alten Professor.
Meine Eltern starben bei einem Autounfall, als ich gerade einmal drei Jahre alt war.
Und obwohl ich es mir am liebsten nicht eingestehen möchte, so habe ich ehrlichgesagt keine Erinnerungen mehr an sie.
Alle Monate kommt es jedoch vor, dass ich nach dem Aufwachen das Gefühl habe, von ihnen geträumt zu haben.

Dass es sich hierbei jedoch nicht um reale Erinnerungen handelt, musste ich daran feststellen, dass alle diese Träume nicht realitätsmöglich waren.
Sie spielten wie in einer anderen Welt.
Dort gab es Fabelwesen und sprechende Tiere und überall wurde gelacht und getanzt.
Um den Gedanken, dass es sich also nicht um reale Erinnerungen handelt, erträglicher zu machen, stellte ich mir immer vor, dass dies der Himmel sein musste.
Denn ich habe nie ein solches Gefühl von Geborgenheit und Heimat gehabt, wie in diesen Träumen.

Die eigentlich Handlung entfällt mir meist bereits beim Öffnen meiner Augen, da während des Schlafens die Umgebung nebelartig verschwommen ist und ich mich grundsätzlich in dem Körper meines jüngeren Selbst befinde.
Würde das Geträumte also nicht voller Fantasywesen sein, könnte man leicht auf die Idee kommen, es handle sich um Erinnerungen.

Doch diese Träume haben auch eine Kehrseite.
Manchmal wache ich nachts schweißgebadet auf und habe Panikattacken, da ich verzerrte Bilder von Angriffen und Schlachten vor Augen habe.
Immer wieder erscheint dabei das Bild meiner Eltern, die tot auf dem Boden eines Schlossinnenhofes liegen und ich sitze weinend zwischen ihnen.
Der Traum endet damit, dass ich einen abfallenden Stein der zerstörten Schlossmauer gegen den Kopf bekomme und ohnmächtig werde.
Das letzte was ich noch realisiere, sind die Krallen eines vogelartigen Wesens, wie bei einem Adler, die mich in die Luft heben.
Glücklicherweise habe ich diesen Traum allerdings nur sehr selten.

Als nächstes sollte ich vielleicht mal aufklären, wie ich zu dem Professor kam.
An dem Tag des Autounfalls wollten meine Eltern mit mir angeblich zum Picknicken fahren, als ein Reh auf die Fahrbahn sprang.
Mein Vater bremste, doch die Reifen gerieten außer Kontrolle, weswegen der Wagen von der Fahrbahn abkam und gegen einen Baum fuhr.
Meine Eltern hatten diesen Aufprall nicht überlebt, da sie vorne saßen, doch wie ein Wunder blieb ich hinten unverletzt.

Die einzige Person, die den Unfall mitbekommen hatte, war Mrs Macready, die Haushälterin des Professors.

Sie war gerade auf dem Rückweg vom Einkaufen, als fünf Meter vor ihr ein Knall zu hören war

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Sie war gerade auf dem Rückweg vom Einkaufen, als fünf Meter vor ihr ein Knall zu hören war.
Sofort hielt sie die Kutsche an, doch es war schon zu spät.
Für meine Eltern konnte sie nichts mehr tun, jedoch gelang es ihr, mich noch rechtzeitig aus der Rückbank zu zerren, bevor das Auto in Flammen aufging.
Nachdem sie die Polizei benachrichtigt hatte, brachte sie mich ins Krankenhaus.
Die Krankenschwestern konnten jedoch, wie bereits erwähnt, keine Verletzungen bei mir feststellen.
Als sie Mrs Macready sagten, sie könne mich wieder getrost mit nach Hause nehmen, war diese vor Empörung für einen kurzen Moment sprachlos.
Sie hatte wohl nicht begriffen, dass die Ärzte dachten, wir wären verwandt.
Als sie mich jedoch so völlig hilflos dort sitzen sah, ohne Familie und ohne Heimat, entschied sie sich dafür, mich fürs erste mit zum Professor zu nehmen.
Dieser hatte nichts dagegen einzuwenden, denn Platz genug gab es ja in dem riesigen Herrenhaus.
Außerdem freute er sich insgeheim darüber, dass auf diese Weise vielleicht etwas Abwechslung in den sonst so trüben Alltag kommen würde.

Eigentlich hatte sie geplant, mich nur so lange dort zu behalten, bis sie eine vernünftige Unterkunft bzw. Familie gefunden hätte, die sich meiner annehmen würde.
Doch mit der Zeit schloss sie mich dann doch zu sehr ins Herz dafür.
Nach Absprache mit dem Professor wurde daher vereinbart, dass ich für immer hier bleiben dürfe.
Seitdem erteilte mir Mrs Macready Unterricht zu Hause und wies mich in sämtliche Haushaltstätigkeiten ein.

Ich kann nicht sagen, dass ich ihr nicht dankbar wäre, dass sie mich damals aufgenommen hat, jedoch habe ich mittlerweile das Gefühl, alle Arbeit alleine machen zu müssen.
Oft genug habe ich mir schon eine gewisse Ähnlichkeit zu Aschenputtel eingestehen müssen.
Denn wenn es für Mrs Macready eine Sache gab, die wirklich oberste Priorität hatte, dann waren es Regeln und gutes Benehmen.
Diese, naja nennen wir es mal Vorsätze, standen wirklich über allem.
Kein Rennen oder lautes Lachen im Haus.
Gesungen wird allerhöchstens weit draußen auf der Wiese.
Die Hausarbeit solle man zügig und gewissenhaft erledigen.
Und selbstverständlich gab es auch feste Essenszeiten.
Mit anderen Worten, eine wirkliche Kindheit hatte ich nicht. Denn wie sollten Spaß und Spielen bei solchen Regeln möglich sein ?!?
In der Tat war es das einfach nicht.
Die meiste Freizeit verbrachte ich daher mit Zeichnen und Lesen.

Das zweite Übel, das dieser Hausunterricht mit sich brachte war, dass ich eigentlich so gar keinen Kontakt zu anderen Menschen hatte.
Wie auch, wenn ich das Haus ja nie verließ.
Jedesmal wenn ich mit Mrs Macready einkaufen fuhr und draußen Kinder zusammen spielen sah, machte mich das schon immer sehr traurig.
Denn Freunde habe ich bis heute keine.

Wenn mich dieser Gedanke allerdings zu traurig stimmte, versuchte ich mir immer einzureden, was für ein Glück ich doch hatte, von jemanden aufgenommen worden zu sein, bei dem ich machen konnte, was ich wollte (die Regeln lassen wir mal eben außer Acht), der mich mit Essen versorgte und mir ein Dach über dem Kopf gab.
So gelang es mir fast immer, über den Verlust keine Freunde zu haben, hinwegzukommen.

.....Eigentlich müsste das jetzt so ziemlich alles sein, was es über mein Leben zu erzählen gibt.
Was übrigens den Professor angeht, so bekomme ich diesen fast nie zu Gesicht.
Er ist fast den ganzen Tag in seinem Arbeitszimmer und kommt nur zum Essen heraus.
Zu diesen Zeiten ist er jedoch ein sehr herzlicher Mensch und erinnert mich an eine Art Großvater.

Das war dann jetzt aber wirklich alles Formelle, was mir so einfällt.
Jetzt gibt es nur noch eine einzige Sache, von der ich berichten muss.
Denn erst vor zwei Wochen habe ich erfahren, dass sich hier in Zukunft einiges ändern wird.
Da wir ja die Zeit des zweiten Weltkriegs haben, werden immer häufiger Kinder aufs Land geschickt, damit sie sicher sind.
Ich will mir gar nicht vorstellen, wie schlimm es für die Kinder sein muss, von ihren Eltern getrennt zu werden.

Naja, jedenfalls hat mir Mrs Macready erzählt, dass sie und der Professor beschlossen haben, ebenfalls einer Familie vorübergehend bei uns ein sicheres Zuhause anzubieten.
Mrs Macready sah sich sowieso christlich dazu gezwungen, bei so einem riesigen Haus den Kindern Sicherheit zu gewähren.
Und da der Professor in gewisser Weise sein Zimmer ja nie verließ, hatte er auch nichts dagegen einzuwenden.
Obwohl der Grund natürlich schrecklich ist, warum die Kinder von ihrer Familie weggeschickt werden, war ich insgeheim überglücklich darüber, endlich mal jemanden kennenzulernen.
Natürlich hoffte ich, auf diese Weise vielleicht doch endlich eine Möglichkeit zu haben, Freunde zu finden.
Als ich Mrs Macready deswegen mit Fragen bombardierte, wen sie zu uns holen würde, ob es vielleicht sogar Geschwister wären und wie alt sie denn seien, war sie relativ schnell genervt von mir.
Die einzige Antwort, die ich erhielt war, dass es sich um vier Mädchen handle, doch wie alt sie wären wollte mir mir Mrs Macready nicht verraten.

Man kann sich vorstellen, dass ich mir seitdem glaub ich nichts sehnlichster wünschte, als dass zumindest eine von ihnen in meinem Alter wäre.
Denn eine Freundin zu haben wäre mit Abstand das schönste Geschenk auf der ganzen Welt für mich.

Ab heute ist es nun noch genau eine Woche, bis sie bei uns ankommen sollen und ich kann es vor Aufregung kaum noch aushalten.

Zu diesem Zeitpunkt hätte ich mir allerdings nicht in den kühnsten Träumen vorstellen können, wie diese vier Kinder mein Leben auf ewig verändern würden und mir das größte Abenteuer aller Zeiten bevorstand.

𝙽𝚊𝚛𝚗𝚒𝚊 - 𝚃𝚑𝚎 𝚏𝚘𝚛𝚐𝚘𝚝𝚝𝚎𝚗 𝚙𝚛𝚘𝚙𝚑𝚎𝚌𝚢 - (Peter Pevensie ff) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt